Grüne: Trittin beklagt frauenfeindliche Kampagne gegen Baerbock – News vom 3. Oktober 2021
1. Warum haben die Grünen binnen weniger Monate die Hälfte ihres Wählerpotentials eingebüßt? Der langjährige Grünen-Politiker Jürgen Trittin erklärt sich das so:
Das, was Baerbock auszuhalten gehabt habe, habe nichts mit politischen Positionen zu tun gehabt, sagte Trittin. "Du bist in einer Weise als Person angegriffen worden, dass man davon reden muss, es handelte sich um eine durchgehend frauenfeindliche Kampagne, die du auszuhalten hattest."
Er würdigte die Souveränität, mit der Baerbock öffentliche Auftritte etwa in Fernsehdebatten durchgestanden habe. "Du hast unseren Anspruch, diese Gesellschaft zu verändern, auch um den Preis der Diffamierung deiner Person durchgestanden." Fehler Baerbocks im Wahlkampf sprach Trittin nicht an.
2. Müssen Schüler jetzt gendern oder nicht? Die Bildzeitung München hat ein Regelchaos an den dortigen Schulen aufgedeckt.
3. Bei der Verleihung des Deutschen Comedypreises haben sich prominente Komiker zu ihrem Kollegen Luke Mockridge positioniert, dem sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden.
Comedienne Hazel Brugger und ihr Mann Thomas Spitzer forderten etwa mit ihren Statement-T-Shirts: "Konsequenzen für Comedian XY." Auf der Rückseite war zu lesen: "Künstler ohne Rückgrat sind Künstler ohne Geschmack." (…) Während der Preisverleihung hielt Brugger dann die Laudatio für Ehrenpreisträgerin Maren Kroymann und setzte ihr Statement hier erneut in Szene. Auch Maren Kroymann selbst erklärte daraufhin auf der Bühne: „Ein Kollege von uns hat Übergriffe gemacht und eine junge Kollegin hat das gesagt. Ich setze mich ja seit dem Beginn meiner Karriere dafür ein, dass die Geschichten von Frauen gehört werden. Ich werde jetzt dafür ausgezeichnet, dass ich lustige Geschichten erzähle. Es gibt aber Frauen die ihre Geschichten erzählen, die nicht lustig sind und sie werden nicht so gerne gehört."
In Wirklichkeit gibt es zahllose Artikel über die Vorwürfe gegen Mockridge. Auffällig ist indes, dass die Anklägerinnen seinen Namen nicht nennen – meines Erachtens, um sich keiner Bezichtigung der üblen Nachrede auszusetzen -, sondern davon ausgehen, dass schon jeder weiß, wer gemeint ist.
Während Kroymanns Rede in Standing Ovations beklatscht wurde, gab es auch einige wenige kritische Stimmen:
Comedian Oliver Pocher beispielsweise findet es "etwas mittelmäßig", "auf Hörensagen" zu verurteilen, wie er im RTL-Interview sagt. "Da steht immer noch ein Mensch dahinter und wir haben nichts, was in irgendeiner Form justiziabel ist. Und es gibt eben auch noch eine andere Seite dazu. Ich finde, man kann über alles diskutieren. Aber bitte zu dem Zeitpunkt, wo jemand verurteilt ist."
Auch Tom Gerhard schließt sich der Inszenierung von Brugger und Kroymann, die sich als heldenhafte Einzelkämpferinnen im Applaus der Masse sonnen, nicht an und spricht in einem Statement auf Instagram sogar von Lynchjustiz:
Dass die Ehrenpreisträgerin meint, Luke Mockridge in Abwesenheit öffentlich und hochpathetisch an den Pranger stellen zu müssen, bringt ihr keine Ehre ein. Wir wissen alle nicht, was da wirklich war und es gibt keine Beweise. Also ist es eine Schweinerei jemand vorzuverurteilen, nur weil das Anliegen ja so gut ist."
Er schrieb von einem "öffentlichen Schauprozess" und verurteilte den "Versuch, einen Menschen öffentlich der Schande preiszugeben, um sich selbst damit moralisch zu erhöhen". Konsequenzen für Mockridge könnten erst verlangt werden, wenn etwas bewiesen ist. Alles andere sei "Lynchjustiz, Heuchelei, selbstgerecht" und "rücksichtslos".
(…) Auch bei Twitter ließen die Ereignisse beim Comedypreis die Debatte um Luke Mockridge neu aufkochen. Viele konnten Gerhardts Standpunkt dabei nachvollziehen.
"Das Thema an sich ist eine gute Sache, Frauen zuhören usw. Aber man kann nicht gleichzeitig die Gegenseite ans Kreuz nageln ohne Beweise. Sorry, das geht gar nicht", hieß es.
Andere stimmten zu: "Solange es kein Urteil, nicht mal ein Verfahren gibt, hat man ihn als unschuldig zu behandeln, anstatt ihn aufgrund irgendwelcher Geschichten, von denen keiner weiß, ob sie stimmen, vorzuverurteilen."
Auch aktuell wird auf Twitter noch lebhaft pro und contra Unschuldsvermutung diskutiert.
In den meisten von mir zu der Comedy-Preis-Verlehung gesichteten Artikel kommen die Verteidiger Mockridges nicht vor.
Mockridge selbst weist die Vorwürfe gegen ihn zurück. Die Staatsanwaltschaft Köln hatte ein Verfahren gegen ihn mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Eine Beschwerde der Anzeigeerstatterin gegen die Entscheidung wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mockridge erklärte, sich aufgrund der Berichterstattung über ihn eine Auszeit nehmen zu müssen. So verzichtet er im Jahr 2022 auf sämtliche TV-Shows bei Sat1. Die Verleihung eines Comedypreises an Mockridge wurde wegen der Vorwürfe gegen ihn zurückgezogen.
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