Übersetzer verliert Job, weil er ein "alter weißer Mann" ist – News vom 14. März 2021
1.
Der Katalane Victor Obiols sollte den Gedichtband der schwarzen Poetin Amanda Gorman übersetzen. Auf einmal war er seinen Job los.
Spiegel-Online hat Obiols dazu interviewt. Ein Auszug:
SPIEGEL: Herr Obiols, haben Sie sich bisher als alten weißen Mann betrachtet?
Obiols: Alt bin ich auf jeden Fall. Die weiße Hautfarbe stand in meiner Selbstwahrnehmung bisher nicht so sehr im Mittelpunkt. Außer vielleicht auf meinen Reisen nach Afrika, nach Burkina Faso, wo ich einer NGO geholfen habe, Brunnen zu bauen.
(…) SPIEGEL: Können Sie nachvollziehen, dass Ihr Verlag nun die 38-jährige katalanische Dichterin Maria Cabrera vorgeschlagen hat?
Obiols: Ich verstehe die Entscheidung, aber sie ist mindestens diskutabel. Ich bin enttäuscht. Ich wurde nicht abgelehnt, weil ich ein schlechter Übersetzer wäre, sondern weil ich die falsche Hautfarbe und das falsche Geschlecht habe. Das ist eine symbolische Geste. Genauso wie es eine symbolische Geste war, dass eine Schwarze bei der Inauguration von Joe Biden ein Gedicht vorgetragen hat.
SPIEGEL: Sie glauben, dass Gorman ausgesucht wurde, weil sie schwarz ist?
Obiols: Ich glaube, sie wurde ausgesucht, weil sie schwarz ist, eine Frau und jung. In dieser Reihenfolge.
SPIEGEL: Nicht vor allem, weil sie eine herausragende Dichterin ist?
Obiols: Das spielt natürlich auch eine Rolle, aber vielleicht nicht die größte. Das ist eine Frage der Repräsentation. Und offenbar ist es auch eine Frage der Repräsentation, wer das Gedicht übersetzt. Ich gehöre nicht zu der Gruppe, der man eine Stimme verschaffen möchte.
(…) Dieser Wettbewerb um die schlimmste Diskriminierungserfahrung bringt uns nicht weiter. Man sollte nicht zulassen, dass der Fanatismus die Überhand gewinnt.
Vielleicht werden in einiger Zeit nur Weiße Weiße übersetzen dürfen, Schwarze Schwarze, Frauen Frauen und Männer Männer. Und jeder, der das in Frage stellt, wird als "Nazi" und "Rassist" etikettiert.
2. Zwei Redakteure des Münchner "Merkur" haben die beiden Kabarettisten Monika Gruber und Helmut Schleich unter anderem zum gegenwärtigen Zeitgeist, auch in ihrer Branche, befragt. Ein Auszug:
Merkur: Kann man das, was Sie da gesagt haben, in den Öffentlich-Rechtlichen noch uneingeschränkt sagen?
Gruber: Sagen kannst du alles. Du musst halt damit rechnen, dass du dann einen Shitstorm bekommst. Die Empfindlichkeiten werden größer. Wodurch sich manche Leute inzwischen beleidigt fühlen – Wahnsinn!
(…) Merkur: Hat Kabarett ein Problem, wenn es nicht links ist?
Gruber: Ich glaube, links und rechts sind untaugliche Kategorien.
Schleich: Das sind Kategorien des 20. Jahrhunderts. Die passen beide nicht mehr. Kritik an dem, was den öffentlichen Diskurs beherrscht, ist nicht automatisch rechts. Und nicht alles, was links ist, ist freigeistig. Da haben manche ja Reinigungsfantasien, bei denen es einem himmelangst werden kann. Wenn ich mir die Gender-Studien anschaue, das läuft in letzter Konsequenz auf Ausgrenzung hinaus. Wer nicht so spricht wie es da vorgegeben wird, ist raus.
Gruber: Ich glaube, wir gehen in dieser Hinsicht finsteren Zeiten entgegen. Diese Genderdiskussion beispielsweise hat bizarre Formen angenommen, das ist schon eine Art geistige Wohlstandsverwahrlosung. Wen treibt denn das um? Irgendwelche Studentinnen oder Wissenschaftlerinnen. Die breite Masse interessiert dieser ganze Schmarrn nicht. Die fragt sich höchstens, warum jetzt Frau Gerster (…) Politiker-innen sagt, aber lustigerweise nicht Mörder-innen oder Vergewaltiger-innen. Ich kenne jedenfalls keine Frau, die sich vom Wort "Bürgersteig" oder "Fußgängerüberweg" diskriminiert fühlt.
Im weiteren Verlauf des Interviews werden Denunziationen von Kollegen angesprochen, wenn ein Kabarettist angeblich nicht ausreichend links ist:
Gruber: Kabarett hat die Aufgabe, kritische Fragen zu stellen. Und auch wenn das jetzt etwas deftig formuliert ist: Viele Kollegen, die vermeintlich Kabarett machen, sind nur mehr Zeitgeistnutten.
Merkur: Woher kommt das, dass es plötzlich zwei unversöhnliche Lager zu geben scheint?
Schleich: Der Riss, der durch die Gesellschaft geht, zwischen vermeintlich "gut" und vermeintlich "böse", bildet sich eben auch in der Kabarettszene ab. Und jeder, der sich falsch – und damit meine ich auch formal falsch – ausdrückt, bekommt den Stempel "Nazi" oder zumindest "Steigbügelhalter". Aber wer definiert das eigentlich? Ist es nicht so, dass eine Partei wie die AfD ihren Aufstieg auch der Tatsache zu verdanken hat, dass andere sich weggeduckt haben, wenn’s brisant wurde?
Gruber: Die sind in die Lücke rein, die entstanden ist, weil niemand bestimmte Themen offen ansprechen wollte.
3. In Rheinland-Pfalz wird die SPD-Politikerin Malu Dreyer bereits als Gewinnerin gehandelt. Daraus, so heißt es ebenfalls im "Merkur", solle man aber keine falschen Schlüsse ziehen:
Während die Berliner SPD-Chefin Saskia Esken sich gar nicht genug dafür feiern kann, dass das Parteiprogramm jetzt durchgängig in Gender-Sprech abgefasst ist, konzentrierte sich ihre Mainzer Parteifreundin Malu Dreyer richtigerweise darauf, wie sie den Lebensalltag der kleinen Leute verbessern kann. Denn die verzweifeln nicht, weil es zu wenig Gender-Sternchen gibt. Sondern weil sie keinen Impftermin kriegen. (…) Doch Vorsicht: In der Bundes-SPD sind, hinter dem Frontmann Olaf Scholz, heute ganz andere Leute tonangebend als in Mainz.
4. Der Schweizer "Blick" berichtet:
Die Ehe soll nicht mehr als Versorgungsgemeinschaft gelten, hat das Bundesgericht mit einer Serie von Urteil beschlossen. Frauen müssen griffige Gründe vorlegen, wieso sie nach einer Scheidung nicht mehr selbst die Brötchen verdienen können. Kommt der Entscheid zu früh?
Hier geht es weiter.
5. Die Post. Tom Todd schreibt mir zur Debatte über die Gendersprache:
Neben relativ unwichtigen ästhetischen Fragen ist auch die Verwendung der getrennten Formen (Lehrer + Lehrerin, oder Bürger(innen)meister(innen)) deswegen abzulehnen, weil sie eine Opferverliebtheit der Frauen und entsprechende Stigmatisierung der Männer einem ständig unter die Nase reibt und vor allem deswegen unappetitlich riecht, weil diese Sprachverformung auf gefälschten Tatsachen beruht. Es ist die Strategie, eine Behauptung nervtötend solange zu wiederholen, bis sie aus lauter Erschöpfung des Zuhörers hingenommen wird – einerseits einem plärrenden Kind ähnlich, andererseits dem orientierungslosen, entkräfteten Elternteil.
Es ist also so, dass die ständig wiederholte weibliche Form einem in jedem Satz sagen will: Wir Frauen sind primär als (benachteiligtes) Geschlecht anzusehen und Opfer des nicht existierenden Patriarchats, ob unterbezahlt (angebliche Lohnlücke), geschunden (angeblich mehrheitlich Gewaltopfer), diskriminiert (angeblich nur durch Quote gleichberechtigt) oder sonstwie benachteiligt.
Dies ist das Instrument des strategischen Prinzips "divide et impera", teile und herrsche. Es wird dazu aufgestachelt, sich gegenseitig der Täterschaft und damit der Schuld zu bezichtigen, damit ja niemand, schon gar nicht Frauen und Männer zugleich, auf die Idee kommt, sich zu solidarisieren und gemeinsam die Lösung der Probleme zu finden (Mediation statt Familiengerichtsurteile, Familien- statt Frauen- oder Männerhäuser etcetera).
Umgekehrt wäre es uns Männern peinlich, ständig zu wiederholen, welche strukturell notwendige Aufgaben in der Gesellschaft von uns erledigt werden, die Frauen gar nicht machen wollen, indem wir vor jeder Erwähnung von Kanalarbeitern etc. das Wort "männlich" eingefügten.
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