Samstag, März 06, 2021

Sprachwissenschaftler: "Darum ist Gendern männerfeindlich" – News vom 6. März 2021

1.
Der Braunschweiger Sprachwissenschaftler Martin Neef hält das Gendern für problematisch. Die Verwendung des sogenannten Binnen-I für die weibliche Form eines Wortes oder des Gendersterns für alle Geschlechter sei politisch motiviert, sagte Neef in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. „Es wird von gewissen Kreisen sehr erfolgreich gefördert. Und wenn man nicht gendert, kann man so verstanden werden, dass man nicht für Gleichberechtigung ist.“ Er selbst setze sich sehr wohl für Gleichberechtigung ein, halte aber Genderstern und Binnen-I für männerfeindlich.


Das berichtet aktuell "Die Welt". In dem Artikel heißt es weiter:

Das Wort "Teilnehmerin" etwa bezeichne eine Frau, erläuterte Neef: "Und wenn ich einen Stern einbaue oder einen Buchstaben großschreibe, bleibt es immer noch ‚Teilnehmer*in‘ oder ‚TeilnehmerIn‘, also eine Frau. Damit sind also strukturell nur Frauen gemeint, weder Männer noch Diverse."

(…) Neef selbst lehnt das Gendern aber nicht kategorisch ab: "Wenn ich eine Frau vor mir habe, spreche ich sie natürlich als Journalistin an." Wenn er Vorträge übers Gendern halte, sage er schon mal "Liebe Anwesende". "Ich möchte ja als respektvoll wahrgenommen werden und alle Menschen respektvoll ansprechen. Eine Form wie ‚Teilnehmer*in‘ ist für mein Empfinden aber nicht respektvoll."




2. Der Deutschlandfunk berichtet über die Probleme, die Blinde mit Texten im Gender-Deutsch haben, wenn sie sich zum Beispiel von einem Sprachprogramm Texte aus dem Internet vorlesen lassen:

Bis man da ankommt, wo man hinwill, sagt Robbie Sandberg, höre man jede Menge Information, die man nicht brauche. Da komme es erschwerend hinzu, wenn Gender-Zeichen mit vorgelesen würden. "Wenn eine sehende Person einen Text liest, in dem zum Beispiel ein Unterstrich vorkommt, dann denkt die sich ja nicht das Wort in den Text hinein, den sie liest, sondern sie sieht das Zeichen und deutet es entsprechend. Und das können Blinde so nicht, weil die Sprachausgabe das Zeichen eben ausspricht, damit man weiß, dass es da ist."

Immer mehr Webseiten und Apps benutzen die Schreibweisen mit dem Sternchen, dem Unterstrich oder dem Doppelpunkt, auch einige Zeitungen gendern. Für blinde und sehbehinderte Menschen, die sich Texte von einer automatischen Sprachausgabe vorlesen lassen, kann das unpraktisch sein. Robbie Sandberg: "Dann sagt die zum Beispiel sowas wie: ‚Hörer Unterstrich innen‘. Und jetzt kann man natürlich sagen: Das sind ja nur drei Silben, was soll die Aufregung! Aber es läppert sich halt sehr schnell – und wenn Sie einen gegenderten Text lesen, wo das oft vorkommt, dann wird das sehr, sehr schnell nervig und stört einfach ungemein den Lesefluss."


Viele Sehende können berichten, dass die ständigen Störungen im Lesefluss für sie kaum weniger nervig sind.



3. Die Deutsche Sprachwelt meldet:

Der Duden schlägt gegen seine Kritiker zurück, indem er versucht, sie zu verleumden: "Sprachkampf – Wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert" heißt ein Buch, das jetzt im Dudenverlag erschienen ist. Verfasser ist Henning Lobin, Direktor des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim. Demnach sei der Widerstand gegen politisch korrekte Sprache und Genderdeutsch Teil einer "neurechten Agenda". Dies sei ein "Thema, das alle Bürger*innen direkt oder indirekt betrifft", wirbt der Dudenverlag.




4. Unter der treffenden Überschrift "Wer schreit, gewinnt" beschäftigt sich René Pfister auf Spiegel-Online mit dem sogenannten "Cry Bullying", mit dem

Gruppen, die sich diskriminiert fühlen, jede Gegenrede zu ersticken versuchen. Es ist so effektiv, dass inzwischen Parteien und Unternehmen schon beim geringsten Protesthauch einknicken.


Pfisters Fazit:

Die Demokratien in den USA und Europa werden von rechten Populisten bedroht, aber auch von einer dogmatischen Linken, die glaubt, im Namen der Gleichberechtigung jeden aussortieren zu dürfen, der sich eine unabhängige Meinung leistet.




5. Klaus von Dohnanyi, ein weiteres SPD-Mitglied mit Rang und Namen, hat sich ein einem Interview mit der "Welt" (Bezahlschranke) in die Debatte um Wolfgang Thierse eingeschaltet. Einige Auszüge aus dem Gespräch:

WELT: Warum leidet die Demokratie, wenn wir verschiedene Meinungen nicht offen austragen?

von Dohnanyi: Weil es immer verschiedene Meinungen zu allen Fragen geben wird und die Demokratie deswegen vom Kompromiss lebt. Natürlich gibt es immer nationalistische, rassistische oder gewaltorientierte Meinungen, die wir nicht tolerieren dürfen und über die zu diskutieren es nicht lohnt. Aber eine Demokratie zerstört sich selbst, wenn sie demokratische Minderheitsmeinungen unterdrückt. Das gilt auch für die innerparteiliche Demokratie. Esken und Kühnert sollten keine Gespräche anbieten, sondern sich bei Thierse und der Partei für ihre Entgleisung entschuldigen.

WELT: Wie kommt die Gesellschaft aus dieser Kultur des Ausschlusses von unliebsamen Meinungen und Menschen heraus?

von Dohnanyi: Durch eine offene Debatte. Wir müssen ertragen, dass es unterschiedliche Meinungen in der Gesellschaft und in den Parteien gibt. Ein Teil unserer Probleme entsteht dadurch, dass dies nur unzureichend geschieht. So entstand auch das Phänomen Donald Trump. Die Debatten, die die Trump-Wähler führen wollten – immerhin fast die Hälfte der Wähler – wurden in den USA schon lange nicht mehr geführt. Eine solche Debatte muss aber geführt werden, sonst entstehen Gefahren für die Demokratie. (…) Uns fehlt manchmal der Mut zur klaren Meinungsäußerung, vielleicht weil es politisch riskant ist. Letztlich jedoch ist ein Land mit viel Meinungsfreiheit ein erfrischendes Land. Das darf uns nicht verloren gehen.


Gut, aber Leute wie Thierse, Dohnanyi und ich sind mit dieser Einstellung heute natürlich nur "alte weiße Männer" und machen alles verkehrt.



6. Unter der Überschrift "Die rechten Methoden einiger Linker" schlägt Ralf Bönt auf Telepolis den Bogen von den Attacken auf Thierse zu den Angriffen auf Menschen, die die Probleme von Männern ansprechen. Einleitend spricht Bönt hier von der "Härte, mit der um die heiligen Kühe Nation, Hautfarbe und Geschlecht gerungen wird":

Selbst Belange der Pandemie werden ihr untergeordnet. Als ich jüngst unter anderem im WDR darauf hinwies, dass die Ständige Impfkommission um den Virologen Thomas Mertens in ihren Empfehlungen nur einen Faktor unberücksichtigt ließ, nämlich das Geschlecht, hob sofort ein Sturm der Entrüstung an, der sich auf genau das stützte, was den Rechten immer vorgeworfen wird: Victim blaming, historische Kollektivschuld, Whataboutism und abstruse Relativierungen.

Häufiger Tod wurde mit langen Krankheitsverläufen aufgerechnet oder mit anderen, seltenen Risikofaktoren, die man natürlich auch berücksichtigen soll, die aber wegen kleiner Fallzahlen nicht den Erfolg der Impfkampagne beeinträchtigen. Zahlen wurden weglassen oder ohne jeden Beleg einfach bestritten. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Aggressivität vor allem Frauen auf eine von Frauen erstellte Metastudie zum Gender-Covid-Gap reagiert haben.

Welchen Schaden diese linke oder besser pseudolinke Cancel Culture anrichtet, sollte klar sein: Im selben Moment nämlich liegen Patienten, die längst hätten geimpft sein können, an Beatmungsschläuchen, kämpfen um ihr Leben und besetzen wochenlang Plätze, die andere auch benötigen. Zumeist sind das eben Männer, die ein beinahe dreifaches Risiko als Frauen haben, im Fall einer Covid-19-Erkrankung intensivpflichtig zu werden.

Wir könnten effektiver impfen, wenn das berücksichtigt würde. Doch auf das Thema angesprochen sagte Mertens, eine geschlechtergerechte Priorisierung sei kaum möglich. Das ist nichts als ein Kotau vor der zu erwartenden Empörung, denn beim Alter geht es ja selbstverständlich. Und zwei Faktoren zugleich zu berücksichtigen, das lernt man in der Grundschule.


Bönt sieht hier eine ähnliche Dynamik vorliegen wie bei dem aktuellen Unmut einiger Menschen gegen Wolfgang Thierse:

Ebenso erwartbar hoch ist Welle der Empörung, die den ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) anbrandet, weil er zu bemerken wagte, dass nicht nur Rechte eine untaugliche Identitätspolitik betreiben, sondern auch Linke mit Ausgrenzung arbeiten. Die Erwischten toben ja noch immer am tollsten.

(…) Thierse bot seinen Austritt an. Sehr überraschend war das allerdings nicht, ist die pseudolinke Cancel Culture doch längst in der SPD und ihrem Umfeld zuhause.

Daran erinnerte mich auch ein sehr freundlicher Leserbrief, der mich nach meinem Verhältnis zum Feminismus fragte. Im Tumult der Impfdebatte würden hier und da Zweifel geäußert, ob ich denn nicht einfach nur ein Männerrechtler sei.

Ich zog das Bonmot von Esther Vilar, das sie in der legendären Talkshow mit Alice Schwarzer verwandte: Nein, Menschenrechtler. Schließlich ist schon der Versuch, eine durch die Entlastung der Intensivmedizin auch für Frauen günstigere Impfkampagne mit diesem Begriff zu verhindern Zeugnis des destruktiven Charakters auch dieser Hälfte der Doppelmasse.

Aber zum Beweis meiner vermeintlich schlimmen Männerrechtlerei, die die Zahlen von Toten und Intensivpatienten außer Kraft setzen soll, verwies der Leserbrief auf eine Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung, in dem eine Erzählung aus meinem Manifest wiedergegeben wird, das die Befreiung des Mannes aus seinem engen Selbstverständnis und immer gleichen Lebensentwurf postuliert, denn "als Junge wird man geboren, zum Übermann aber wird man gemacht."

Der Autor der Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung, Robert Claus, unterstellt mir, den Antifeminismus salonfähig zu machen. Um dies zu belegen schreibt er allerdings eine Szene aus meinem Buch so drastisch um, dass sie nicht wiederzuerkennen ist. Einen von mir erzählten autobiografischen Alptraum von einer Abtreibung, gibt Claus nicht als Alptraum wieder, sondern als eine von mir wertend erzählte reale Begebenheit.

Um seine Behauptung meines angeblichen Antifeminismus weiter zu stützen, veränderte er in seiner Wiedergabe aber noch weit mehr. So verbannt er den Erzähler von der Seite der schwangeren Frau, wo er während des Eingriffs die Hand hält, in den Nebenraum.

Statt der absurden Situation im Alptraum, in dem die Freundinnen von der Straße aus durch ein großes Fenster den Abbruch beobachten und dazu rauchen und lachen, ist der Icherzähler bei Robert Claus also in einem Nebenraum, vor dessen Fenster die Freundinnen warten.

Mal abgesehen von der immensen Verletzung der geschilderten Gefühle: Blank lügen, ist das links oder doch eher rechts? Und das ist nicht mal ein Tweet, sondern wird seit Jahren so von der Friedrich-Ebert-Stiftung vertrieben.




7. "Borowski und die Angst der weißen Männer" lautet der Titel der "Tatort"-Folge von morgen. Diesmal sind als die Bösen Menschen wie wir ausgeguckt:

Auf einer Brachfläche in der Nähe eines beliebten Kieler Clubs wird die misshandelte Leiche der jungen Meike (Johanna Dost, geb. 1987) aufgefunden. Die Videoüberwachung des Clubs liefert den Kommissaren ziemlich bald einen Verdächtigen: Mario (Joseph Bundschuh, 31). Der verschüchtert wirkende Außenseiter schaut sich regelmäßig im Internetforum des sogenannten Pick-Up-Artists und "Männerrechtlers" Hank Massmann (Arnd Klawitter, 52) frauenverachtende Videos an.


Wie bitte? Pick-up-Artist UND Männerrechtler? (Oder wie Ralf Bönt betonen würde: Menschenrechtler?) Und so jemand lässt man noch frei herumlaufen? Wo doch jeder weiß, dass deren Hauptbeschäftigung im Anschauen frauenverachtender Videos besteht?

Die propagandistische Aussage des Tatorts bringt Spiegel-Online gleich in der Einleitung seiner Besprechung des Krimis auf den Punkt:

Der Mann ist ein Raubtier. Die Frau seine Beute. An dieser Analogie aus der Bilderwelt eines infantilen Steinzeit-Machismo halten noch immer viele Männer fest.


Ja, vor allem diejenigen, die Krimis mit derartigen Szenen entwickeln:

"Wir sind viele!", schreien die Männer, während sie sich bei den Gruppenseminaren auf die Brust trommeln. Dieser Albtraum nimmt (…) die Form eines neuen Terrorismus an.


Schließlich

organisiert im Hintergrund eine nicht näher definierte Terrorgruppe eine Anschlagsserie. Stichtag für die fiktive militante Frauenhasserfraktion ist der Weltfrauentag – der tatsächlich am Montag nach der Ausstrahlung des "Tatorts" angesetzt ist.


Natürlich gibt es – im Gegensatz zum feministischen Terror - solche Terrorgruppen Frauen hassender Neandertaler in Wirklichkeit nicht. Spiegel-Online zufolge sind derartige Fieberphantasien allerdings "als dystopische Verdichtung schon zulässig". Der Beitrag wird endgültig skurril, wenn sein Autor lamentiert, nicht das Feindbild Mann sei in diesem "Tatort" ein Problem, sondern das dort gezeichnete Frauenbild:

Es reihen sich darin einfach zu viele weibliche Stereotype aneinander. So wurde das Opfer aus der Diskothek ohne Wissen von ihren dämlichen Freundinnen mit Liquid Ecstasy abgefüllt und auf diese Weise in die Arme des Täters getrieben, was eine gewisse Mitverantwortlichkeit der Frauen für den Tod der anderen suggeriert. Und Mario erhält nach dem gescheiterten Anbahnungsversuch an der Tanzfläche deshalb noch eine weitere Chance auf ein Date, weil er einer überforderten jungen Frau dabei hilft, das Auto auszuparken.


Nee, klar. Die gezeigten "weiblichen Stereotype" machen einen solchen Krimi schwierig …

Auch der "Tagespiegel" berichtet unter der Überschrift "Männer, die Frauen hassen" über den "Tatort" – um dann unter "Mehr zum Thema" auf den berüchtigten Beitrag über Männerrechtler wie die Leute von MANNdat und mich weiterzuleiten. Die wenig subtile Botschaft dahinter: Männer, die auf die gesellschaftlichen Anliegen ihres Geschlechts aufmerksam machen und solche, die sich in Gruppenseminaren schreiend auf die Brust trommeln, um danach Terroranschläge zu begehen, sind im Großen und Ganzen dieselbe Brut gemeingefährlicher Untermenschen, um die man sich rechtzeitig kümmern sollte.

Ja, es gibt hier ganz starken Hass. Der geht allerdings nicht von den im wahren Leben komplett friedlichen Männerrechtlern und Pick-up-Artists aus. Wie hieß es eben noch unter Punkt 4 der heutigen Medienschau:

Die Demokratien in den USA und Europa werden von rechten Populisten bedroht, aber auch von einer dogmatischen Linken, die glaubt, im Namen der Gleichberechtigung jeden aussortieren zu dürfen, der sich eine unabhängige Meinung leistet.


Die "heute show" hängt sich ebenfalls an dieses Thema, erhält auf Twitter allerdings auch das verdiente Feedback.

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