Mittwoch, November 25, 2020

"Politische Männlichkeit" von Susanne Kaiser (Rezension)

Vergangene Woche ist das Buch "Politische Männlichkeit" von Susanne Kaiser erschienen, die journalistisch unter anderem im "Tagesspiegel" und der "Zeit" veröffentlicht. Ich habe es rezensiert:

Zum Hintergrund von Susanne Kaisers Buch "Politische Männlichkeit" sollte man wissen, dass die erstarrten Strukturen der Geschlechterdebatte seit einigen Jahren aufbrechen. Ein halbes Jahrhundert wurde diese Debatte allein von der feministischen Hegemonie beherrscht, während soziale Anliegen und Diskriminierungserfahrungen von Männern kaum eine Rolle spielten. Inzwischen melden immer mehr Männer ihr Bedürfnis an, ihre eigene Perspektive einzubringen. So äußerten in einer 2016 veröffentlichten Studie des Bundesfrauenministeriums 68 Prozent der jungen Männer den Wunsch nach einer offensiveren, differenzierten und systematischen Gleichstellungspolitik für ihr eigenes Geschlecht. Insgesamt seien etwa ein Drittel aller Männer für Positionen empfänglich, die die Autoren der Studie der politischen Strömung des "Maskulismus" zuordneten.

Bei den Maskulisten (in Kaisers Buch durchgehend falsch als "Maskulinisten" bezeichnet) handelt es sich um die Akteure und Akteurinnen einer neuen Bürgerbewegung, die männerpolitische Problemlagen zur Sprache bringen. Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit sind zum einen Bereiche, wo Jungen und Männer die Hauptbetroffenen sind, also etwa Obdachlosigkeit, Selbsttötungen, Benachteiligungen von Jungen an den Schulen, Zwangsarbeit, Zwangsrekrutierungen, Polizeigewalt und Todesstrafe, und zum anderen Bereiche, wo männliche Opfer zwar eine Minderheit sind, aber bisher kaum bis gar nicht gesehen werden, zum Beispiel sexuelle Gewalt in Kriegen und Bürgerkriegen. Bürger- und menschenrechtliches Engagement geht ineinander über.

Mit einem Teil des feministischen Lagers ist hier Zusammenarbeit möglich. Beispielsweise habe ich 2019 selbst das Buch "Gleichberechtigung beginnt zu zweit" herausgegeben, in dem viele Beiträge von Feministen ebenso wie von Maskulisten stammen. Ein radikalerer, aber auch einflussreicherer Flügel in der Frauenbewegung möchte indes ihre Diskursmacht und eine Geschlechterpolitik aufrecht erhalten, die sich allein um die eigenen politischen Wünsche dreht. Da es allzu egozentrisch wirken würde, dies so offen auszusprechen, findet durch dieses Lager stattdessen ein Backlash gegen die Männerbewegung statt, der sich in einer Stigmatisierung und Dämonisierung von Männern im allgemeinen und Männer-Aktivisten im besonderen äußert. Dabei verbleibt dieser Teil des feministischen Lagers in althergebrachten Zuschreibungen von Frauen als schwachen, hilflosen Opfern und Männern als mächtigen, bösen Tätern. Zu der Literatur dieses Spektrums gehört das Buch von Susanne Kaiser.

Ideologisch ruht es vor allem auf zwei Standbeinen: "Frauen sind bessere Menschen" und "Frauen sind die einzigen Opfer, die zählen". Die Female-Supremacy-Rhetorik kündigt sich bereits auf dem Backcover des Buches mit dem Slogan "Der autoritäre Backlash ist männlich" an und entfaltet sich weiter in der Einleitung, die die Corona-Pandemie als Aufhänger benutzt. Die "Nasen-Deppen", also Menschen, die eine Atemschutzmaske falsch tragen, seien "überwiegend Männer"; gleichzeitig beweise die Pandemie, dass Frauen "bessere Führungspersönlichkeiten" seien. Deshalb sei es Zeit, "dass Frauen endlich die Welt regieren". Gleichberechtigung war also gestern – heute geht es zumindest rhetorisch um nichts weniger als die Weltherrschaft.


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