Fall Giffey: Waren die Plagiatsprüfer befangen? – News vom 13. November 2020
1. Wie der Berliner Tagesspiegel mit Bezug auf einen Artikel der "Zeit" berichtet, war die Kommission der Freien Universität Berlin (FU), die das Plagiat von Frauenministerin Giffeys Doktorarbeit prüfte, ausschließlich mit Personen besetzt, die wissenschaftlich engere Verbindungen zu Giffeys Doktormutter Tanja Börzel hatten. Dies könnte eine Erklärung dafür darstellen, dass Giffey trotz ihres offenkundigen Betruges ihren Doktortitel behalten durfte und nur mit einer "Rüge" bestraft wurde – eine ausgesprochen milde Sanktionsform, die sich in der Promotionsordnung überhaupt nicht findet. Eine Aberkennung des Doktortitels hätte nämlich auch den Ruf Börzels als Akademikerin beschädigen können. Dasselbe fragwürdige Gremium, so heißt es, könnte für die erneute Prüfung von Giffeys Betrug zuständig werden.
2. Dem Berliner Handelsblatt zufolge steuern die regierungsparteien CDU und SPD auf eine Einigung zu, was eine Frauenquote in Dax-Vorständen angeht. Das ist Markus Söders Plädoyer für die Quote zu verschulden:
Söder stellte sich mit seinen Aussagen damit nicht nur auf die Seite der SPD und von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) – sondern vor allem gegen seine eigenen Parteifreunde. Erst am Mittwoch hatte sich der Landeschef der Mittelstandsunion, der ehemalige bayerische Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer, auf der Internetseite der CSU klar positioniert: "Keine Quoten in Vorständen." Er sei "entsetzt", dass immer wieder Vorschläge gemacht würden, "die den gebeutelten Unternehmen immer mehr die Luft abdrehen". Gerade jetzt sei dies "mehr als unverantwortlich".
Söders Zustimmung zur Quote wurde unter anderem von der CDU-Frontfrau Widmann-Mauz begrüßt.
"Die Vorschläge der CSU sorgen für Dynamik", sagte sie dem Handelsblatt. "Ich freue mich, dass es Bewegung gibt, Quoten für mehr Frauen auch in Vorständen der Wirtschaft zu etablieren." Mehr Frauen in Vorständen und Führungspositionen seien "eine Bereicherung von Teams". Auch SPD-Ministerin Lambrecht zeigte sich erleichtert und mahnte: "Die Union darf hier nicht länger auf der Bremse stehen." Und Parteifreundin Giffey sprach die Hoffnung aus, dass CDU und CSU "den Schuss doch noch gehört" haben.
(…) Allerdings ließ weiterer Protest aus Reihen der CSU nicht lange auf sich warten. "Wir haben eine soziale Marktwirtschaft, in der Angebot und Nachfrage die Dinge regeln – nicht irgendwelche Quoten", sagte Hans Michelbach, Finanzexperte der CSU im Bundestag, dem Handelsblatt. Er selbst habe drei Töchter, die alle eine Frauenquote ablehnten und mit ihrer eigenen Qualität Positionen erreichen wollten. Die Präsidentin des Wirtschaftsrats der CDU, Astrid Hamker, übte ebenfalls scharfe Kritik. "Am Ende werden die Frauen doch nur abgestempelt", sagte sie dem Handelsblatt.
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt indes sprach sich für eine Quote aus: "Wenn sich jedes zweite börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen die Vorstandsfrauenquote 'null' gibt, ist klar: Ja, die Zeit ist reif für eine Frauenquote in Dax-Vorständen, und ja, die Frauenquote muss eingebettet sein in ein Gesamtkonzept für mehr Chancen für Frauen."
Spiegel-Online zufolge ist es für Justizministerin Lambrecht schon ein Unding, das die Quote überhaupt noch offen kritisiert wird: "Da fehlen mir wirklich die Worte."
Unterstützung bekommt Lambrecht von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). "Ich bin schon lange für eine Frauenquote in der CDU", sagte er dem SPIEGEL. "Ich glaube auch mit Blick auf die Dax-Vorstände, dass es ohne eine solche Regelung einfach nicht funktioniert. Auf Freiwilligkeit haben wir lange genug gesetzt." Hoch qualifizierte Frauen gebe es "in großer Zahl".
In der Unionsfraktion im Bundestag scheint der Widerstand ebenfalls zu schwinden. Nachdem sich die CSU-Landesgruppe für eine Quote in Dax-Vorständen ausgesprochen hatte, äußerte auch Fraktionsvize Thorsten Frei Zustimmung: "Ich sehe den Vorstoß mit Sympathie. Bei den Vorständen ist, was die Beteiligung von Frauen angeht, noch deutlich Luft nach oben", sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters. Die Koalitionsarbeitsgruppe "Frauen in Führungspositionen" solle nun zeitnah einen Vorschlag vorlegen.
Auch "Die Welt" berichtet, wie die Unionsparteien derzeit umkippen, was die Bevorzugung von weiblichen Mitarbeitern angeht:
In der Unionsfraktion will man den Widerstand gegenüber einer festen Frauenquote in Vorständen jetzt offenbar aufgeben, wie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nadine Schön (CDU) sagte. "Für den Vorschlag habe ich Sympathien, und ich finde, wir sollten ihn umsetzen."
Nur mit dem Finger auf die Privatwirtschaft zu zeigen reiche aber nicht aus, sagte Schön. "Wir müssen daneben auch dort Regelungen treffen, wo die öffentliche Hand direkt eingreifen kann." Das sei vor allem bei den Körperschaften öffentlichen Rechts auf Bundesebene. "Bei den Kranken-, Renten- und Unfallkassen arbeiten viele Frauen. Aber ihr Anteil an den Vorstandsposten beträgt knapp 14 Prozent. Hier müssen die beiden SPD-Ministerinnen ihren Gesetzentwurf nachbessern."
(…) Massiver Widerstand gegen die Pläne kommt von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Man unterstütze zwar das Ziel, mehr Vielfalt auch in der Führung von großen Unternehmen zu haben, bezweifele allerdings, dass jedes vorgeschlagene Instrument sinnvoll und zielführend ist. "Eine gesetzliche Quote für die Besetzung von Vorständen nach politischen Vorgaben, wie zum Beispiel Alter oder Geschlecht, greift in verfassungsrechtlich fragwürdiger Weise in das Unternehmensgefüge ein." Wenn entsprechende Kandidatinnen nicht vorhanden seien, könne eine gesellschaftlich und von den Unternehmen gewünschte Entwicklung "nicht per Gesetz erzwungen werden".
<< Home