Kein Gefängnis für Frau, die auf Freund einstach: "Die Isolation hat mich fertig gemacht" – News vom 9. Mai 2020
1. Über einen Fall, der meines Erachtens exemplarisch ist, wenn häusliche Gewalt von einer Frau begangen wird, berichtet die Liverpooler Tageszeitung "Echo". Der Artikel dreht sich um die junge Britin Michelle Ashcroft, die einen Monat nach dem Lockdown ihrem Freund Zac Cheetham durch die Hand stach:
Ashcroft wurde heute vom Gefängnis verschont, nachdem sie erklärt hatte, dass sie während der Coronavirus-Pandemie unter starkem Druck stand.
(...) Als sie gefragt wurde, was passiert war, antwortete sie: 'Ich bin einfach deprimiert, es ist, als ob die Isolation jedem zu schaffen macht, ich weiß es nicht einmal, mein Partner und ich haben uns gestritten und ich weiß es nicht, aber er streckte schließlich seine Hand aus und ich stach ihm in die Hand, durch und durch, ich wollte es nicht."
(...) Mr. Cheetham wurde von den Beamten angesprochen, und er wollte keinerlei Anzeige erstatten.
(...) Ashcroft, die zugab, Körperverletzung und kriminellen Schaden verursacht zu haben, hat zwei Vorstrafen wegen dreier Vergehen. Das Gericht hörte, dass es sich dabei um eine Körperverletzung und einen Sachschaden handelte, woraufhin Ashcroft zu weinen begann.
(...) Frances Willmott, die Verteidigerin, sagte, Ashcroft habe sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt schuldig bekannt.
(...) Richter Flewitt erklärte: "Es ist die zweite Verurteilung wegen Gewalt, nicht wahr? Irgendwann wird sie jemand ins Gefängnis schicken."
Ich bezweifle, dass man mit einem Mann, der seiner Partnerin ein Messer in die Hand gerammt hätte, genauso umgegangen wäre.
2. Einer Frau im australischen Brisbane, die ihren Mann erstach, wurde vor ein paar Tagen ein großer Teil ihrer Strafe erlassen:
Eine Frau aus Brisbane, die ins Gefängnis kam, weil sie ihren Mann erstochen hatte, weil sie "wütend und verärgert" war, nachdem er zu spät von der Arbeit nach Hause kam, könnte bis Weihnachten aus dem Gefängnis entlassen werden.
Katie Anne Castel, 38, gab zu, ihren Mann Jarred Castel getötet zu haben, indem sie ein 20 Zentimeter langes Küchenmesser warf, das ihn in die Brust traf.
(...) Castels Tat war "vorsätzlich und sehr gefährlich", sagte ein Richter in Brisbane, als er sie im März vergangenen Jahres zu neun Jahren Gefängnis verurteilte.
Doch Castel zeigte sofort Reue und bekannte sich schuldig, sagte die Richterin am Berufungsgericht Debra Mullins am Mittwoch.
(...) Sie sagte, die Gefängnisstrafe ohne jegliche Milderung sei unter den gegebenen Umständen offenkundig übertrieben.
Die erfolgreiche Berufung bedeutet, dass Castel am 20. Dezember für eine Bewährung in Frage kommt, nachdem sie ein Drittel - statt der Hälfte - ihrer Strafe wegen Totschlags verbüßt hat.
~ Mehr als zwei Jahre Haft für die Auslöschung eines Menschenlebens wären ja auch wirklich inhuman. ~
Die lächerlich milde Bestrafung weiblicher Täter ist kein Einzelfall. So zeigte sich in einer 2012 veröffentlichten Untersuchung von Sonja Starr, Juniorprofessorin an der Universität Michigan, dass Männer für dasselbe Verbrechen eine im Schnitt 63 Prozent höhere Haftstrafe erhalten als Frauen. Auch könnten verhaftete Frauen signifikant häufiger einer Anklageerhebung und Verurteilung vollkommen entgehen. Zwei Jahre zuvor hatte in Großbritannien ein Richterhandbuch für Aufsehen gesorgt, dem zufolge Männer schwerer bestraft werden sollen als Frauen, weil sie es im Leben leichter hätten.
In den USA führt der Rechtsanwalt Marc Angelucci auf der Website der männerfreundlichen Feministin Wendy McElroy mehrere weitere Studien an, die belegen, dass Männer für dasselbe Verbrechen empfindlich schwerer bestraft werden als Frauen. Während etwa eine schwarze Hautfarbe das Risiko, im Gefängnis zu landen, um 19 Prozent hebe, hebe die Angehörigkeit zum männlichen Geschlecht dieses Risiko um 165 Prozent. Auch die Dauer der Haft wird stärker dadurch verlängert, dass die betroffene Person männlich ist als durch jeden anderen Faktor der Diskriminierung einschließlich der ethnischen Herkunft. Und mehr noch: Wer eine Frau tötet, muss mit einer im Schnitt um 40,6 Prozent höheren Haftzeit rechnen als jemand, der einen Mann tötet.
Ein Kapitel meines Lexikons der feministischen Irrtümer beschäftigt sich ausführlicher mit diesem Thema.
3. Ein Flugblatt, das derzeit vom "Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft" verbreitet wird, keilt gegen
die sogenannten "Männerrechtler", Machos und "Incels" (engl. Kunstwort für "unfreiwillig zölibatär lebende Männer", die sich an Frauen für deren angebliche Missachtung rächen wollen). Sie pflegen einen Männlichkeitskult, der auf der Abwertung von Frauen bzw. "weiblicher" Verhaltensweisen beruht (Maskulinismus).
Dem, wie man sieht, eher agitatorischen als sachkundigen Text zufolge, versuchen Männerrechtler,
ihre Benachteiligung durch Frauen nachzuweisen oder Frauen als Täterinnen zu diffamieren. Dies steigert sich zur sexistischen, frauenfeindlichen Hassrede im Internet bis hin zu Mord- und Vergewaltigungsfantasien. Diese Radikalisierung kann in realen Angriff en auf Frauen und LSBTTIQ* münden, wie z. B. dem per PKW verübten Angriff eines "Incels" in Toronto (2018), bei dem 10 Menschen ums Leben kamen.
Der Trick, Männerrechtler mit "Machos" und "Incels" zu einer Großgruppe zusammenzurühren, weil der maskulistischen Bewegung im Gegensatz zur terroristischen Vergangenheit des Feminismus partout keine Gewalttaten zugerechnet werden können, bleibt eine besonders widerwärtige Form von Demagogie: Wer sich gegen die Benachteiligung von Jungen und Männern einsetzt, soll gemeingefährlich erscheinen.
Dem unbenommen ist interessant, was die Verfasser dieses Pamphlets vor allem zu stören scheint: dass Männerrechtler über die Täterschaft von Frauen sprechen. Offenbar sind für die Genderstudien, die dieses Flugblatt verteidigt, das Geschlecht sowohl ein Konstrukt, während Frauen in Männer in Wahrheit gleich seien, als auch eine unhinterfragbare Möglichkeit, Täter (Männer) und Opfer (Frauen) voneinander zu unterscheiden. Weibliche Täterschaft soll weiter tabuisiert bleiben, und wenn wir zum Beispiel auf hunderte kriminologischer und soziologischer Studien hinweisen, die einen hohen Frauenanteil bei Gewalttaten zeigen, handelt es sich in den Augen des selbsternannten "Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft" um "Diffamierung".
In einer seriösen Debatte ist das ein Unding. Meine Themenauswahl für diesen heutigen Genderama-Blogbeitrag wurde deshalb auch durch dieses fragwürdige Institut inspiriert.
Gefördert wird dieses Institut übrigens durch die Amadeu-Antonio-Stiftung und den Freistaat Thüringen, wo es der "Welt" zufolge vor allem auf Initiative der Linken von der rot-rot-grünen Koalition gegründet wurde.
4. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:
Die Rheinpfalz zeigt zu einem Artikel über die Arbeit der Jugendämter ein Foto, auf dem ein Mann gegen ein kleines Kind die Hand erhebt, als wolle er es schlagen.
Dabei lautet aber die Unterschrift: "Bei den Jugendämtern in Bad Dad Dürkheim und im Donnersbergkreis gibt es derzeit trotz Corona keinen Anstieg der Meldungen wegen Kindeswohlgefährdung."
Überschrift, Bild mit Unterschrift und Teaser sind frei lesbar, der Rest ist hinter Paywall. Ob aber jemand den winzig geschriebenen Text überhaupt liest, das ist hier die Frage. Es soll mal wieder etwas suggeriert werden, das es nicht gibt.
Gestern meldete hierzu Spiegel-Online:
Entgegen den Befürchtungen wurden in mehreren Bundesländern weniger Fälle häuslicher Gewalt während des Lockdowns gemeldet. Dies ergab eine Umfrage des SPIEGEL in den 16 Landeskriminalämtern zu allen Kriminalitätsbereichen. Nordrhein-Westfalens LKA gab bereits vorläufige Zahlen heraus: Demnach wurden zwischen dem 1. März und dem 26. April 4295 Fälle von häuslicher Gewalt gemeldet und damit rund ein Viertel weniger als im gleichen Zeitraum 2019 mit 5814 Fällen.
Dieser Rückgang gehört dazu, dass während der Pandemie die Rate krimineller Vergehen insgesamt sinkt.
Für eines waren die Befürchtungen allerdings gut: In einer Flut von Artikeln und TV-Beiträgen wurde häusliche Gewalt wieder mit Männergewalt gegen Frauen gleichgesetzt.
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