Samstag, Mai 02, 2020

Heißt der nächste Präsident der USA … Hillary Clinton?

Es tut mir Leid, ich will Sie nicht erschrecken, aber die aktuellen Entwicklungen deuten auf die Möglichkeit hin, dass der nächste Präsident der Vereinigten Staaten Hillary Clinton sein wird.

Gestern musste sich Joe Biden, baldiger Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei in den USA, erstmals in einem Fernsehinterview den Vorwürfen Tara Reades stellen, er sei ihr gegenüber sexuell übergriffig geworden. Das Interview, das Mika Brezezinski für den Sender MSNBC (den Demokraten freundlich gewogen) mit Biden führte, enttäuschte nicht: Sie nahm Biden ausdauernd ins Verhör, und Biden wirkte mit seinen Antworten auf viele Beobachter eher lahm.

Hier kann man sich das etwas mehr als viertelstündige Interview selbst anschauen. Sein Kern ist der folgende Wortwechsel:

Mika Brezezinski: Das haben Sie gesagt: "Wenn eine Frau auf nationaler Ebene im grellen Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit nach vorne tritt, muss man von der Annahme ausgehen, dass zumindest das Wesentliche dessen, worüber sie spricht, real ist, ob sie die Fakten vergisst oder nicht, ob das Ganze mit der Zeit schlechter oder besser geworden ist oder nicht." Sie wird am Sonntag landesweit im Fernsehen zu sehen sein. Tara Reade tritt im grellen Licht hervor. Sollten wir, um Ihre Worte zu benutzen, nicht mit der Annahme beginnen, dass das Wesentliche dessen, was sie sagt, real ist? Sie sagt, Sie hätten sie sexuell missbraucht.

Joe Biden: Ich sagte von Anfang an: Nehmen Sie die Behauptungen der Frauen ernst, überprüfen Sie sie. Das trifft auch in diesem Fall zu. Frauen haben ein Recht darauf, gehört zu werden. Die Presse sollte ihren Behauptungen nachgehen. Ich halte an diesem Grundsatz fest. Letzten Endes kommt es auf die Wahrheit an. In diesem Fall ist die Wahrheit, dass diese Behauptungen falsch sind.


Biden kündigte darüber hinaus an, er werde die Nationalarchive bitten, den Vorwürfen Reades nachzugehen, um herauszufinden, ob es irgendwelche Unterlagen gebe, aus denen hervorgehe, dass solch eine Beschwerde eingelegt wurde. Den von Mika Brezezinski mehrfach geäußerten Vorschlag, Biden könne auch die Dokumente seiner Jahre im Senat offenlegen, die er der Universität von Delaware gespendet habe, dort aber noch versiegelt sind, lehnte Biden jedesmal ab. Darin, so Biden, dürfe sich nichts Relevantes finden.

Natürlich fragen sich jetzt viele, warum Biden nicht möchte, dass man in diesen Unterlagen herumstöbert, und die Rufe, sie freizugeben, werden lauter.

Ginge man nach Bidens eigenen Maßstäben weiter vor, müsste man ihn schuldig sprechen, urteilt Andrew Sullivan in einem aktuellen Artikel für das Magazin "New York":

Das Problem bei der Verteidigung eines ordentlichen Verfahrens (…) besteht darin, dass Biden selbst, wenn es um Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Belästigung geht, nicht daran glaubt. Vielleicht zum Teil, um für seine schäbige Behandlung von Anita Hill zu büßen, war Biden besonders prominent bei der von der Obama-Regierung vorgenommenen Überarbeitung des Antidiskriminierungsgesetzes zur Behandlung von Klagen wegen sexueller Belästigung auf dem Campus. Sie können sich Bidens schrille Reden und seine Rhetorik zu dieser Frage anhören und finden kein bisschen Besorgnis über die Rechte der Angeklagten. Männer im College sollten als schuldig angesehen werden, bevor ihre Unschuld bewiesen war, und bei ihrer Selbstverteidigung ihrer Grundrechte beraubt werden.

Am Freitagmorgen legte Biden ein einfaches Verfahren für seine Beurteilung vor: Hören Sie Tara Reade respektvoll zu und überprüfen Sie dann, ob die Fakten ihre spezifische Behauptung beweisen oder widerlegen. Die objektive Wahrheit, argumentierte Biden, ist das, was zählt. Ich stimme ihm zu. Aber dies war ausdrücklich nicht der Maßstab, den Biden bei der Beurteilung von Männern im College bevorzugte. Wenn Biden ein Student wäre, könnte Reade nach den Biden-Regeln eine Klage wegen eines Übergriffs einreichen, und Biden hätte kein Recht, die Einzelheiten zu erfahren, die vorgelegten Beweise, wer ihn anklagte, wer Zeuge war und er hätte kein Recht, die Anklägerin zu befragen. Wenden Sie den Biden-Standard für Biden an, lassen Sie die College-Verwalter unter vier Augen über die Angelegenheit entscheiden, und er ist erledigt.

(…) Im Jahr 2014 gab die Obama-Regierung einen weiteren Leitfaden für Hochschulen heraus, der erweiterte, was "sexuelle Gewalt" einschließen könnte, und zitierte "eine Reihe von Verhaltensweisen, die vom Empfänger unerwünscht sind: Bemerkungen zum körperlichen Erscheinungsbild, anhaltende sexuelle Annäherungsversuche, die vom Empfänger unerwünscht sind, unerwünschte Berührungen und unerwünschte orale, anale oder vaginale Penetration oder versuchte Penetration". Nach diesem Maßstab und unter völliger Missachtung der von Tara Reade aufgestellten Behauptungen übt Joe Biden seit Jahrzehnten "sexuelle Gewalt" aus: Er berührt Frauen ständig ohne ihre vorherige Zustimmung, rüscht und riecht an ihren Haaren, macht Bemerkungen über ihre Attraktivität, nähert sich ihnen von hinten, um ihren Rücken oder Nacken zu berühren. Man kann ihm auf Aufnahmen davon zusehen, bei unzähligen Gelegenheiten. Er hörte damit auch 2014 nicht auf, um sich an die Standards zu halten, die er nur allzu bereit war, den College-Kids aufzuerlegen. Ein Vizepräsident konnte diese Dinge ungestraft tun; ein Student im zweiten Studienjahr könnte für eine unpassende Bemerkung sein Leben ruinieren lassen.

(…) Es scheint mir, dass Biden hier eine einfache Wahl hat. Er kann entweder seine bisherige erstaunlich breite und illiberale Sichtweise von "sexueller Gewalt" aufgeben und für mehr Nuancierung und ein ordentliches Verfahren plädieren, damit ein Fall wie Reade gegen Biden nicht von vornherein ein todsicherer Fall ist; oder er sollte seinen eigenen Regeln folgen und sich aus dem Präsidentschaftswahlkampf zurückziehen. Er wird natürlich weder das eine noch das andere tun.


Tatsächlich gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Frauen, die Biden "unangemessenes Verhalten" bei der persönlichen Begegnung vorwerfen, auch wenn sie einräumen, dass dieses Verhalten jeweils nicht an eine sexuelle Belästigung heran reicht. (Ein Beispiel: "Er hat mir ein Kompliment zu meinem Lächeln gemacht und mich einen Moment zu lange umarmt.")

Der Washington Examiner kommentiert die aktuellen Entwicklungen so:

Reicht all das aus, um Biden eines Verbrechens zu überführen? Nein. Aber reicht Bidens Stellung als Kandidat der Partei aus, um die Demokraten dazu zu bringen, an einen fairen Prozess für Männer zu glauben, die wegen sexuellen Fehlverhaltens angeklagt sind? Auf jeden Fall.


Es könnte auch anders laufen. So findet die Berliner "taz", wenn Biden die Vorwürfe nicht entkräften könne, die Tara Reade gegen ihn erhebt, "wird er gehen müssen. (…) Und zwar gleich." Viel Spaß bei dem Versuch zu beweisen, dass man vor 27 Jahren in einem privaten Moment eine bestimmte Sache nicht gemacht hat. Kann sich das linke Lager von der "taz" bis nach Washington mental dazu durchkämpfen, die Unschuldsvermutung gelten zu lassen? Oder nimmt das vielen Linken die zentrale Quelle der Befriedigung, die für sie aus ihrer politischen Positionierung erwächst: sich selbst auf einem moralisch unangreeifbar hohen Ross zu wähnen, während man sich in Wahrheit von einer Schlammchlacht in die nächste wirft?

Beim sogenannten "Tugendterror" nach der Französischen Revolution 1789 kam Robespierre, einer der Hauptverantwortlichen für diesen Terror, als einer der Letzten unter die Guillotine. Macht nun Joe Biden als ein Hauptverantwortlicher für den Tugendterror der Gegenwart dieselbe Erfahrung auf übertragener Ebene? Es gibt jemanden, der darauf wartet, behauptet die renommierte Washingtoner Tageszeitung The Hill, die weder dem rechten noch dem linken Lager zugeordnet wird. The Hill schlagzeilt nun: "As Biden struggles, Hillary waits for the call". In dem Artikel heißt es:

Hillary Clinton lauert immer noch in den Startlöchern – bereit, nach vorne zu spurten, sollte Joe Biden scheitern.

Schauen Sie jetzt nicht hin, aber Joe scheitert gerade. Seine Kampagne wurde nicht nur durch die Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe der ehemaligen Mitarbeiterin Tara Reade erschüttert, sondern die Öffentlichkeit beginnt auch, den ehemaligen Vizepräsidenten aufzugeben. Eine neue Umfrage des Emerson College ergab, dass 57 Prozent der Wähler glauben, dass Präsident Trump im November die Wiederwahl gewinnen wird.

Denken Sie daran, dass die Demokraten des Establishments Onkel Joe vorschlugen, weil er als der "sichere" Kandidat galt, der Trump besiegen würde. Hoppla.


The Hill zählt eine Reihe weiterer Gründe auf, weshalb die Chancen für Biden, Trump im November zu schlagen, inzwischen mau sind. Dazu gehört nicht zuletzt, dass Biden mittlerweile Anzeichen von Senilität zeigt, die man bislang nur übersehen konnte, weil die öffentliche Aufmerksamkeit vom Wüten des Coronavirus abgelenkt war. Dabei kommen auch nach diesem Artikel neue Probleme hinzu, die Bidens Wahl gefährden. Beispielsweise wirft seit gestern eine Frau Biden vor, sie sexuell belästigt zu haben, als sie 14 Jahre alt war.

Bidens Aussichten auf das Amt des US-Präsidenten sind damit alles andere als rosig – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da Trump sichtlich schwächelt und ein besserer Kandidat als Biden Erfolgschancen haben könnte.

Die naheliegende Alternative für den Kandidaten der Demokratischen Partei wäre Bernie Sanders. Aber ihn, erläutert The Hill, werde die Parteispitze nie als Kandidaten zulassen, weil sie ihn für unwählbar halte. Kurzzeitig war Michelle Obama als Alternative im Gespräch, aber die will partout nicht antreten. Wer bleibt da nun also?

Es bleibt Hillary Clinton. Biden könnte Clinton zu seinem "Running Mate" ernennen, um dann vor der Wahl zurücktreten und Hillary an seiner Stelle kandidieren lassen.

Clinton ist der einzige Kandidat für einen Vizepräsidenten, der in der Lage wäre, einen solchen Wechsel in letzter Minute zu vollziehen. Sie verfügt über das Team, die Ressourcen und die Erfahrung, um als Kandidatin aufgestellt zu werden; Senatorin Amy Klobuchar (Minnesota), die ehemalige Vertreterin des Bundesstaates Georgia, Stacey Abrams, und Senatorin Kamala Harris (Kalifornien) nicht.

Clinton ist bereit und eifrig. Sie versucht verzweifelt, ihren Verlust von 2016 zu rächen (für den sie immer noch Putin verantwortlich macht) und hat ihr öffentliches Profil aufgepumpt, um sich selbst im Auge der Öffentlichkeit zu halten. In den vergangenen Monaten hat sie endlose Interviews geführt, für den überaus schmeichelhaften vierteiligen Hulu-Film über sich selbst geworben, Schlagzeilen gemacht, indem sie Bernie Sanders und Mark Zuckerberg angriff, und unendliche Breitseiten gegen Präsident Trump abgefeuert.

Zuletzt traf sie sich mit Vizepräsidentin Biden auf einer Veranstaltung, das Frauenfragen gewidmet war, und unterstützte dabei überschwänglich ihren langjährigen Kollegen. Sie erinnerte an ihre gemeinsame Zeit in der Obama-Regierung, sprach über ihre gegenseitige Liebe zu Scranton, Pennsylvania., wo ihr Vater aufwuchs, und erinnerte sich an die Treffen im Lagebesprechungsraum des Weißen Hauses.

Tatsächlich sprach Clinton so viel über ihre gemeinsame Geschichte, dass man leicht vergaß, dass sie Joe Biden unterstützte. Es klang fast so, als würde sie stattdessen ihren eigenen Lebenslauf anpreisen.

Vielleicht tat sie das auch.

Wie würde sich Hillary diesmal als Kandidatin aufstellen? Hillary sieht auf jeden Fall stärker und aufgeweckter aus als Biden; sie hat die Energie, die ihm fehlt. Sie hat eine größere Fangemeinde in den sozialen Medien (28 Millionen Twitter-Follower im Vergleich zu Bidens fünf Millionen) und sie hat eine große, hingebungsvolle Fangemeinde, die wie Hillary immer noch nicht glauben kann, dass sie 2016 verloren hat.

Sie könnte sich darauf verlassen, dass Präsident Obama für sie Wahlkampf macht, so wie Biden es auch kann, und sie hätte auch den allseits beliebten Ehemann Bill zur Seite. 2016 waren die Demokraten nicht gerade begeistert von ihrer Kandidatur, aber ihre Wahrnehmung war besser als die von Biden heute. Genauso wie ihre Umfrageergebnisse in hart umstrittenen Bundesstaaten.

Hillary ist abscheulich polarisierend, aber sie wäre eine kraftvollere Kandidatin als Biden, hat einen enormen Bekanntheitsgrad und, was vielleicht am wichtigsten ist, kann einen Satz ohne größere Umwege beginnen und beenden. Und: Sie ist niemals glaubwürdig eines sexuellen Übergriffs beschuldigt worden.

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