Samstag, Februar 09, 2019

"Ernstzunehmender Verdacht": Hat Frauenministerin Giffey (SPD) Plagiat begangen? – News vom 9. Februar 2019

1.
Wegen eines Plagiatsverdachts prüft die Freie Universität Berlin (FU) die Doktorarbeit von Familienministerin Franziska Giffey. Die SPD-Politikerin hat die Hochschule selbst um diese Prüfung gebeten. Ein Jurist spricht von einem "ernstzunehmenden Fall".


Es gebe "zahlreiche wörtliche und sinngemäße Textübernahmen, die nicht als solche kenntlich gemacht sind". In "mindestens 68 Fällen" habe die Verfasserin zudem Aussagen ganz oder teilweise mit Quellen belegt, "die dem Anschein nach willkürlich gewählt sind" oder mit denen sich das Geschriebene nicht ausreichend belegen lasse.


Das berichten unter anderem Focus und Spiegel.

Giffey war bereits vergangenes Jahr vorgeworfen worden, ihre Biographie geschönt zu haben.

Immerhin scheint der Spiegel schon zu wissen, dass natürlich keine Betrugsabsicht vorlag, und spricht stattdessen von "riskanter Schludrigkeit" in einer "stressigen Zeit". Wir müssen die arme Frau Giffey bedauern, die "ins Visier von Plagiatsjägern geraten" ist. In erster Linie, suggeriert der Artikel durch solche Formulierungen, handelt es sich bei der mutmaßlichen Plagiatorin um ein Opfer.



2. Titelgeschichte im aktuellen SPIEGEL ist das Wechselmodell (gemeinsame Erziehung des Nachwuchses auch nach elterlicher Trennung) oder, im SPIEGEL-Deutsch, das "Pendelkind". Der Artikel steht nur im Anriss online. Der Artikel umfasst ohne Fotos fünf zwei Seiten; dazu kommt ein zwei Seiten umfassendes Interview mit Justizministerin Barley. Ein Auszug aus dem Artikel:

Verbände wie "Väteraufbruch" fordern seit Jahren, das Wechselmodell als Regelfall im Gesetz festzuschreiben. Die negativen Folgen einer Trennung würden sich so reduzieren lassen, den Kindern würde es besser gehen. Das Deutsche Jugendinstitut und der Verband für Alleinerziehende Mütter und Väter lehnen die Forderung nach einem Regelfall ab, ebenso die SPD.

(...) Um endlich eine belastbare gesetzliche Grundlage zu haben, welchen Änderungsbedarf es gibt, arbeiten im Bundesjustizministerium Fachreferenten seit einiger Zeit an Reformplänen; erste Konzepte sollen frühestens im Spätsommer vorliegen. Am Mittwoch wird das Thema im Bundestag debattiert. Der Rechtsausschuss hat das Wechselmodell auf die Tagesordnung einer öffentlichen Anhörung gesetzt. Zwei Fraktionen haben Anträge eingereicht. Die FDP möchte das Modell als neues Leitbild festschreiben und zum "Regelfall" machen. Die Linksfraktion lehnt das ab, will aber die Beratungen für Trennungspaare ausbauen und Jugendämter stärken.

(...) An einem Novembertag sitzt [der Psychologe Stefan] Rücker in Saal 1 des Europapalastes, Sitz des Europarats in Straßburg. Zwei Tage lang findet hier die "International Conference on Shared Parenting" statt, eine Fachtagung zur geteilten Elternschaft. Mehr als 170 Teilnehmer aus 28 Ländern sind angereist: Psychologen aus Schweden, eine Familienrichterin aus Belgien, spanische Soziologen. Auf den Gängen haben Betroffenenverbände Stände aufgebaut, verteilen Broschüren und Aufkleber. "Papa auch" steht auf ihnen. In Gesprächen ist von der "Scheidungsindustrie" die Rede, vom "radikalen Feminismus", der den Vätern die Kinder entziehe. Als jemand in einem Vortrag sagt, Alleinerziehung sei eine Menschenrechtsverletzung, brandet Applaus auf. In solchen Momenten wirkt die Konferenz wie eine mehrtägige Anklage.


Der Autor des Artikels, Christopher Piltz, gibt sich gerade für SPIEGEL-Verhältnisse erkennbar Mühe, das Thema sachlich und differenziert anzugehen, ohne selbst pro oder kontra Wechselmodell Stellung zu beziehen. So erwähnt er die zahlreichen Studien, die für das Wechselmodell sprechen, gewährt dem schon erwähnten Psychologen Stefan Rücker, einem Kritiker dieser Studien, aber ebenfalls viel Raum. Rücker argumentiert, dass zu viele individuelle Faktoren in diesen Untersuchungen nicht berücksichtigt würden.



3. Wie der Schweizer Tages-Anzeiger mit erkennbarer Zustimmung berichtet, sagt der Kanton Waadt "dem Sexismus den Kampf an". Neutraler formuliert bedeutet das, dass ein neues Gesetz erlassen wird, dem zufolge jeder Bürger eine "Lauterketskommission" zum Eingriff aufrufen dürfe, wenn er irgendwo Werbung sieht, die seiner Auffassung nach "geschlechtsspezifische Merkmale vermittelt, verinnerlicht und Klischees bildet".

Im äussersten Fall wird gar zu sexueller Gewalt angestiftet. Wie im Fall der Plakate einer italienischen Kleidermarke, die eine Massenvergewaltigung andeuten. Eine Gruppe Männer macht sich über eine am Boden liegende Frau her. (...) Solches werde aus dem öffentlichen Raum verbannt.


Gemeint ist zweifellos diese Dolce-&-Gabbana-Reklame aus dem Jahr 2007. Ob sie tatsächlich "zu sexueller Gewalt anstiftet", mag jeder für sich selbst entscheiden.



4. Im Verfassungsblog analysiert die Juniorprofessorin für öffentliches Recht Monika Polzin das feministische Wahlrecht, das von Rot-Rot in Brandenburg eingeführt wurde und von den Grünen in Bayern gefordert wird. Polzin sieht darin keinen Sieg für die Demokratie: "Das Gesetz ist nicht nur verfassungswidrig, sondern auch – in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts – verfassungsidentitätswidrig. (...) Durch diesen Ansatz der geschlechtsbezogenen Repräsentation wird (...) das im Grundgesetz verankerte Demokratieprinzip in seinen Grundfesten verletzt."



5. Unter der Überschrift "Fußgänger sind von gestern" berichtet Jan Sellner in der "Stuttgarter Zeitung" in vorbildlichem Genderdeutsch:

In einem aktuellen Antrag der grünen Gemeinderatsfraktion treten weitere unspezifische Wesen in Erscheinung; man kann sie unter dem Begriff Verkehrsteilnehmende bündeln: "Der Schwabtunnel", so formulieren es die Volksvertretenden Christine Lehmann und Andreas Winter auf Basis der geschlechtsneutralen Straßenverkehrsordnung, "ist nicht nur für Autofahrende, sondern auch für Radfahrende und Zufußgehende eine gute Verbindung zwischen West und Süd. Leider benutzen Radfahrende häufig regelwidrig den Gehweg, weil sie auf der Fahrbahn Angst haben. Das wiederum stört zu Recht die Zufußgehenden ..." Ampeln könnten Abhilfe schaffen, meinen diverse Politikbetreibende.


Bei DerTag24 ist Patrick Hyslop mit seiner Kritik einen Hauch weniger subtil:

"Schwabtunnel für Zufußgehende und Radfahrende aufwerten" heißt er. Das lässt nichts Gutes ahnen. Und dreht mir beim Anblick des Wortes "Zufußgehende" schon den Magen um. Von den "Radfahrenden" ganz zu schweigen. Die Wörter "Fußgänger" und "Radfahrer" wären wohl zu hardcore-männlich gewesen. In dem Antrag heißt es dann: "Der Schwabtunnel ist nicht nur für Autofahrende, sondern auch für Radfahrende und Zufußgehende eine gute Verbindung zwischen West und Süd." Jetzt geht's los! Jetzt lassen sie uns nicht mal mehr die "Autofahrer".

(...) Wie so oft gilt für mich auch im Fall der Sprach-Verschlimmbesserung: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Und hier war es offensichtlich sehr gut gemeint. Denn das Ergebnis ist Bockmist.




6. Im Magazin Sp!ked untersucht Ella Whelan, warum sich nur eine klare Minderheit von Frauen als Feministinnen bezeichnet, obwohl Gleichberchtigung für sie einen wichtigen Wert darstellt. Ein Auszug:

Der zeitgenössische Feminismus hat das Gefühl einer religiösen Sekte, deren Anhänger ein Gefühl der moralischen Überlegenheit bewahren wollen. Wie jedes eifernde Projekt tolerieren Feministinnen keine abweichenden Meinungen. Jede Frau, die Bedenken über den Hexenjagdcharakter von #MeToo äußert, die bürgerliche Orientierung feministischer Kampagnen in Frage stellt oder vorschlägt, dass wir vielleicht die Tatsache feiern sollten, dass es Frauen heutzutage ziemlich gut geht, wird gesagt, dass sie an "verinnerlichter Frauenfeindlichkeit" leide. Der heutige Feminismus ist nicht nur freiheitsfeindlich, er hat auch Angst vor freien, unabhängigen, starken Frauen.


Gut, das war natürlich stark pauschalisierend, dürfte aber ganz gut mehrere Gründe erfassen, warum auch viele Männer dem Feminismus skeptisch gegenüber stehen. Statt sich damit auseinanderzusetzen ist es aber einfacher, sie als "Antifeministen" und "Frauenfeinde" zu diffamieren.

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