Freitag, Februar 01, 2019

Kubicki (FDP): Feministisches Wahlrecht in Brandenburg "reiner Populismus" – News zum 2. Februar 2019

1. Der FDP-Politiker und Rechtsanwalt Wolfgang Kubicki erklärte im Interview mit der Märkischen Online-Zeitung, das in Brandenburg von der rot-roten Landesregierung durchgesetzte feministische Wahlrecht könne keineswegs einen Modellfall für ganz Deutschland darstellen:

Denn es ist verfassungswidrig. Das hat der Parlamentarische Beratungsdienst des Landtages und sogar der aktuelle Bericht der Landesregierung bestätigt. Eine Regierungskoalition, die ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz einbringt und Verfassungsrecht bricht, stellt das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung auf eine harte Probe. Wenn eine Landesregierung dokumentiert, dass sie ihre eigenen Gesetze nicht ernst nimmt, warum sollten die Menschen es dann tun?


Auf den Einwand, auch Justizministerin Barley (SPD) unterstütze ein feministisch gesteuertes Wahlverfahren, erwiderte Kubicki:

Eine Justizministerin, die ein verfassungswidriges Gesetz befürwortet und gegebenenfalls durchsetzen will, muss eigentlich zurücktreten. Diese Regelung verstößt gegen das Demokratieprinzip und das Prinzip der Gleichheit der Wahl, dagegen, dass die Leute selbst entscheiden können, ob und wie sie kandidieren wollen und wen sie wählen. Darf eine Partei überhaupt zur Wahl antreten, wenn sie nicht ausreichend Frauen oder Männer als Kandidaten findet?


Auch den Einwand, die Gleichberechtigung stehe im Grundgesetz, lässt Kubicki nicht gelten:

Der Gleichstellungsgrundsatz verpflichtet nicht dazu, das Wahlrecht zu ändern. Aus dem allgemeinen Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes kann man nicht ableiten, dass überall Parität herrschen muss. Wir müssen nur dafür sorgen, dass es keine Diskriminierung gibt. Chancengleichheit ja, aber keine Ergebnisgleichheit. (...) Eine Wahl, die nach einem solchen Gesetz durchgeführt würde, wäre per se nichtig. Auch meine Partei wird es nicht akzeptieren, dass man aus noch so guten Gründen die Verfassung biegt. Entweder gilt Recht für jedermann. Oder man ändert die Verfassung. Was die Brandenburger Koalition da beschlossen hat, ist reiner Populismus.


Kubickis Haltung wird von Katja Suding, FDP-Vorsitzende in Hamburg, unterstützt. "Eine freiheitliche Demokratie darf kein bestimmtes Wahlergebnis festlegen" erklärt Suding in einem Gastartikel für die Hamburger Morgenpost:

Eine gesetzliche Quote für Parlamente, Kandidaten oder Listen schränkt die grundgesetzlich garantierte freie Wahl ein. Deshalb sind selbst Befürworter eines Paritégesetzes sehr vorsichtig, wenn es um die Bewertung der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Gesetzes geht.

Nicht nur Frauen sind unterrepräsentiert, sondern auch viele andere Gruppen: junge Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, Arbeiterinnen und Arbeiter und Selbstständige. Dass unsere Abgeordneten sich so gesehen nicht repräsentativ aus der Bevölkerung rekrutieren, ist nicht von der Hand zu weisen.

Doch auch wenn eine möglichst breite Vielfalt erstrebenswert ist, ist diese Repräsentanz einzelner Gruppen nicht zwingend, da der Bundestag keine Ständeversammlung ist. Die Einschränkung der freien Wahl durch eine Quote ist daher nicht gerechtfertigt.


Ähnlich wie Suding argumentiert Jasper von Altenbockum in der Frankfurter Allgemeinen (Bezahlschranke). Und Johannes Richardt, Chefredakteur des Frankfurter Magazins "Novo", befindet in seinem Artikel "Quote ersetzt Demokratie":

Für viele war gestern ein großer Tag auf dem Weg in einer gleichere Gesellschaft. "Brandenburg führt repräsentative Demokratie ein", titelte die taz gar. (...) Viele Befürworter stellten das Parité-Gesetz in eine Linie mit der Einführung des Frauenwahlrechts im Jahr 1918. Nach dieser Errungenschaft folge nun der nächste logische Schritt: die gleiche Repräsentanz in den Parlamenten. Denn hundert Jahren nach Einführung der ersten deutschen Republik seien Frauen in den Parlamenten mit ca. 30 Prozent (was übrigens auch ungefähr dem Anteil der Parteimitglieder der im Bundestag vertretenen Parteien entspricht) immer noch deutlich schlechter vertreten als Männer.

Die Argumentation könnte schiefer kaum sein. Das Gesetz tritt fundamentale Gleichheitsgrundsätze mit Füßen. Zur Erinnerung: Mit Ausrufung der Republik am 9. November 1918 erhielten nicht nur Frauen erfreulicherweise erstmals das Recht zu wählen. Auch viele Männer waren vorher von der Wahl ausgeschlossen. Zudem zählten – man denke z.B. an das preußische Dreiklassenwahlrecht – nicht alle (Männer-)Stimmen gleich. Es ist eine bemerkenswerte historische Verzerrung, im Kontext des demokratischen Umbruchs von 1918 ausschließlich auf die Diskriminierung der Frauen zu verweisen. Mit der Einführung der ersten deutschen Demokratie wurde erstmals der Grundsatz allgemeiner, freier, geheimer, gleicher Wahlen durchgesetzt. Und gerade dieser Gedanke wird durch das Parité-Gesetz auf eklatante Weise konterkariert.


So wie Suding macht auch Richardt darauf aufmerksam, dass Frauen keineswegs die einzige unterrepräsentierte Gruppe darstellen. Letztlich seien Menschen aber Individuen.

Durch den Aufstieg der Identitätspolitik haben in den letzten Jahrzehnten kulturelle Unterschiede stark an Bedeutung gewonnen. Aus politischen Selbstzuschreibungen wie "Ich als Sozialist, Konservativer oder Liberaler" wurde "Ich als Frau, Muslim oder Schwuler." Dies ist ein Grund dafür, wieso heute viele den Gedanken der Repräsentanz tatsächlich mit der absurden Idee gleichsetzen, dass alle möglichen "Gruppen" entsprechend ihrer Verteilung innerhalb der Gesellschaft auch in Parlamenten vertreten sein sollen. Die Vorstellung, dass Männer sich etwa genauso gut für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzen können, oder weiße Frauen sich für die Rechte benachteiligter Migrantenjungen stark machen können, ist Anhängern des identitätspolitischen Denkens offenbar fremd.

(...) Wir haben bereits mehr als genug mittelmäßige und wenig inspirierender Politiker in Spitzenpositionen. Durch die Quoten dürften nicht nur engagierte Männer entmutigt werden, sich in parteipolitische Prozesse einzubringen, weil ihre Chance sinkt, durch eigene Anstrengung in eine einflussreiche Position zu kommen. Gleichzeitig müssen Frauen in Spitzenpositionen mit dem Verdacht leben, ihren Posten aufgrund ihres Geschlechts und nicht ihrer Fähigkeiten erhalten zu haben. So wird Zynismus und Opportunismus gefördert.




2. Männliche Soldaten dürfen laut einem aktuellen Gerichtsurteil weiterhin diskriminiert werden, was ihre Haarlänge angeht.



3. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir:

Gestern war ich verblüfft. Ich stieg in Hamburg in einen Bus ein und landete auf einem Sitzplatz vor einer Trennscheibe. Die werden ja gerne für Werbung genutzt. Erst habe ich es nicht wahrgenommen, aber es war ein Plakat mit der Aufschrift "Auch Männer und Jungen werden Opfer von sexueller und häuslicher Gewalt". Als großes Hintergrundbild war ein Hochhaus im Dunkeln gewählt, allesamt mit hell erleuchteten Fenstern, so dass man Privatwohnungen erkennen konnte. Sollte wohl andeuten, dass sich vieles in der Privatsphäre einer Wohnung abspielen kann, was in der Anonymität nicht gleich auffällt. Als Kontakt wurde die Webseite Männerberatung Schleswig-Holstein genannt. Ich war wirklich positiv überrascht, dass man sich tatsächlich explizit um Männer/Jungen kümmert und dafür auch noch Werbung macht.




4. In eigener Sache: Genderama wird in den nächsten Tagen vermutlich ausfallen oder allenfalls im Notbetrieb laufen, weil sich meine Festplatte gerade verabschiedet. Der Techniker ist informiert, aber wir haben Freitagabend, also kommt die Festplatte Dienstag oder Mittwoch, dann muss sie eingebaut und die Daten müssen überspielt werden ... Rechnet mal mit einer Woche Notbetrieb oder Blogsaufall. :-/ Ich bin froh, dass ich zumindest diesen Blogpost noch zur Info absetzen konnte.

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