Samstag, Juni 23, 2018

Harvey Weinsteins Rechtsanwältin spricht: "Als Feministin bin ich stolz auf das, was ich tue" – News vom 23. Juni 2018

1. "Als Feministin bin ich stolz auf das, was ich tue", erklärt Harvey Weinsteins Verteidigerin Blair Berk in einem Interview mit der israelischen Oppositionszeitung Haaretz. Über dieses Interview berichten inzwischen auch andere Medien, darunter die hier zitierte "Newsweek":

"Als Feministin ist dies ein Gespräch, das mir wichtig ist", sagte Berk. "Wir beschäftigen uns mit Begriffen wie sexuelle Belästigung und wir reden über unangemessenes Verhalten, aber wir diskutieren nicht [die Begriffe], nicht zuletzt, weil es kompliziert ist. Es stimmt, wir sollten nicht jemanden mit zu viel Macht an einem Arbeitsplatz haben, zum Beispiel jemanden, der seine Macht missbraucht, um vulgär zu sein oder seine Hand auf jemanden zu legen, der nicht interessiert ist, aber es ist wichtig, dass wir das nicht mit Vergewaltigung verknüpfen. Diese Aktionen sind keine Vergewaltigung. Sie sind auch nicht kriminell. Es sind sicherlich Taten, die diskutiert werden müssen, aber nicht unbedingt etwas, das zu einer Anklage führen muss."

(...) Auf den Hinweis des Interviewers, dass die meisten der kürzlich bekannt gewordenen Fälle weitaus schwerwiegendere Behauptungen als vulgäre Kommentare oder eine unangemessene Berührung enthielten, konterte die hochkarätige Anwältin, es gäbe einige Frauen, die absichtlich und bewusst sexuelle Beziehungen mit einem mächtigen Mann eingehen würden, nicht wegen sexueller Anziehungskraft, sondern weil er ihnen "etwas anbot, was sie wollten - eine Beförderung oder einen Golden Globe", die es aber später bereuten.

"Sie konnten argumentieren, dass dies im Kern einen Übergriff darstellt, der illegal sein sollte, aber es ist zu diesem Zeitpunkt kein Verbrechen, und ich denke nicht, dass es ein Verbrechen sein sollte," sagte Berk. Sie argumentierte, Frauen die Wahl zu verweigern, sich in einer solchen Beziehung zu engagieren, sei gleichbedeutend damit, sie zu infantilisieren, was ihrer Meinung nach keine feministische Position sei.

(...) "Wenn man Schlagzeilen über eine schöne Schauspielerin liest, die jemanden beschuldigt, merkt niemand, was sie tatsächlich sagt, auch wenn die Anschuldigungen, die sie macht, nicht auf Vergewaltigung oder sexuelle Belästigung hinauslaufen. Selbst wenn sie nur sagt, dass es jemand ist, der sie nicht respektiert hat, oder sie auf eine Art und Weise berührt hat, die ihr das Gefühl gab, dass sie sich unwohl fühlt, oder einen entsprechenden Kommentar abgegeben hat. Alle diese Dinge sind falsch, aber das sind keine Verbrechen. Dieses Muster stört mich", sagte Berk zu Haaretz.

Die Anwältin, die ihren Abschluss in Harvard machte und Kunden wie Lindsay Lohan, Mel Gibson und Kanye West vertrat, sprach laut The Hollywood Reporter auch über die #MeToo-Bewegung, die Aufmerksamkeit erregte, als mehr Frauen mit ihren Geschichten über sexuelle Übergriffe und Belästigungen auftraten. Berk sagte, dass die Bewegung Männer in Hollywood Angst vor falschen Anschuldigungen macht, die ihre Karriere zu Fall bringen könnten.

"Die Bewegung kam an mit diesem schrecklichen Slogan 'Glaube den Frauen', als ob es ein Geschlecht gäbe, das per Definition immer nur die Wahrheit sagt", sagte sie.

"Es gibt Frauen, die Anschuldigungen machen, die wahr sind, es gibt Frauen mit falschen Anschuldigungen und Frauen, die den Kontakt, den sie mit jemandem hatten, übertreiben oder den Kontakt, den sie mit jemand anderem hatten, verwechseln. Alles, was in Wirklichkeit eine unangenehme Berührung war, wird jetzt als Verbrechen angesehen", sagte Berk. "Wir müssen vorsichtig sein, besonders in diesem Moment, wo der Wunsch danach so stark ist, jemanden auf der Grundlage solcher Behauptungen aus der Geschichte zu löschen. Über einige meiner Klienten werden schon die Nachrufe geschrieben, und diese Nachrufe werden unbewiesene Anschuldigungen enthalten, die die letzten Dinge sein werden, die über ihr Leben geschrieben werden. Das bereitet mir großes Unbehagen."


Es ist nach dieser Erklärung unklar, ob Kritik daran jetzt auch schon als "antifeministisch" gilt: ein Etikett, das nur allzu gerne Menschen verliehen wird, die in irgendwelchen Punkten Feministinnen widersprochen haben. Tatsächlich kann Kritik an MeToo natürlich auch aus feministischer Perspektive erfolgen. Hierzulande ist etwa die Publizistin Svenja Flaßpöhler dafür bekannt geworden.



2. Der Blogger Gunnar Kunz hat den 11. Juli als Tag der Geschlechter-Empathielücke ausgerufen. Anlass für die Wahl des Datums ist ein Massaker im bosnischen Srebrenica, dem ausschließlich Männer zum Opfer fielen, und das Übergehen dieses Massakers als Gendercide in den Leitmedien. Srebrenica steht hier nur stellvertretend für viele andere Fälle, in denen unsere Gesellschaft das Leiden und Massensterben von Männern schulterzuckend hinnimmt.

In Kunz' Erklärung zu diesem Gedenktag heißt es:

Ich rufe daher alle Menschen, die sich noch einen Funken Mitgefühl bewahrt haben, dazu auf, jedes Jahr am 11. Juli das Recht von Männern auf körperliche und seelische Unversehrtheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und in Blogs, Artikeln und Leserbriefen, mit Aktionen, Videoexperimenten und was die Fantasie sonst noch hergibt auf die Doppelmoral in dieser Hinsicht aufmerksam zu machen. (...) Wer einen Artikel zum Gender Empathy Gap Day veröffentlicht und mir einen Link dazu mailt, den verlinke ich dann unter meinem eigenen Artikel am 11.Juli.


Der Gender Empathy Gap wurde unter anderem durch den international prominenten Psychologieprofessor Philip Zimbardo bekannt und ist auch in der Fachliteratur zur Männerforschung Thema. Deutsche Beiträge über dieses Problem von männerpolitischen Graswurzelaktivisten findet man etwa hier und hier. Eine umfassende Darstellung gibt es auch von MANNdat

Da es sich bei dem Gender Empathy Gap erstens um ein wichtiges Menschenrechtsthema handelt (siehe dazu das entsprechende Kapitel in meinem Buch Plädoyer für eine linke Männerpolitik) und zweitens um das Kernproblem, das der Vernachlässigung des Leidens von Männern durch Politik, Leitmedien und dem akademischen Bereich insgesamt zugrunde liegt, begrüßt und unterstützt Genderama Gunnar Kunz Aktion nachdrücklich. Auf entsprechende Beiträge am 11. Juli würde ich hier ebenfalls aufmerksam machen.



3. Wie der FOCUS berichtet, ist ein Anti-Gewalt-Aktivist aus meinem Netzwerk, René Pickardt, in Koblenz gerade durchaus erfolgreich, was den von ihm beabsichtigten Aufbau einer Männerschutzwohnung angeht. Selbst die Koblenzer Gleichstellungsbeauftragte sagt hier Unterstützung zu.

Der verlinkte Artikel ist in Gänze lesenswert.



4. Auf Beschluss des EU-Ministerrates sollen Väter bei der Geburt eines Kindes jetzt Anspruch auf zehn Tage bezahlten Urlaub haben. Für Deutschland ändert sich dadurch nichts.



5. Ginge es nach dem AStA der Uni Bielefeld, dürfte der Rapper Cro dort beim nächsten Campus-Fest zum letzten Mal auftreten. Dessen Texte seien nämlich frauenverachtend und sexistisch – etwa wenn er Zeilen singe wie "ich glaub, ich fänd's cool, wenn du mir gehörst". Der AStA erteilt dem Sänger hierfür eine Rüge: "Damit reiht er sich in ein patriarchales Bild ein: Männer besitzen Frauen. Mit Gleichberechtigung hat das wenig zu tun!"

Das Strafgericht des AStA-Gleichstellungsreferats über Cro ist mit der Parole "Für die Freiheit, für das Leben!" unterzeichnet. Die Kommentare, die die Forderung erhält, sind allerdings eher befremdet bis belustigt. So lobt ein Leser sarkastisch: "Finde ich super, dass ihr euch mal in Satire probiert". Auch generell wird der Bielefelder AStA eher ungnädig bewertet. "Dass euch die Leute nicht aus den Büros ziehen vor Wut, mit Fackeln und Mistgabeln, habt ihr nur dem Umstand zu verdanken, dass sie an euch nicht interessiert sind" liest man auf Facebook.



6. In den USA feiern werdende Eltern Feste, um spektakulär zu verkünden, ob sie einen Jungen oder Mädchen bekommen. Das passiere, berichtet Nicole Erdmann in der "Welt", ausgerechnet zu einer Zeit, "in der zu Recht intensiv über Geschlechterrollen, Identitäten, Stereotype und Sexismus diskutiert wird" und die Datingapp Tinder inzwischen 37 Geschlechter zur Wahl stelle. Offenbar seien all die Twitter-Threads zu diesem Thema immer noch nicht im Mainstream angekommen. Carly Gieseler, Juniorprofessorin am York College, habe solche Partys im "Journal of Gender Studies" dementsprechend als einen "reaktionären Moment" gebrandmarkt, der normative Ideale von Geschlecht bestärke.



7. Normative Vorstellungen von Geschlecht bestätigt leider auch die nicht weniger reaktionäre und von Twitter-Threads ebenso unbeeindruckte Biologie. Die Ärzte-Zeitung berichtet.



8. Die britische BBC würde der Komikertruppe Monty Python heute keine Plattform mehr geben, da es sich um alte weiße Männer handelt. Monty-Python-Mitglied John Cleese hat auf dieses Statement bereits geantwortet.



9. Ist es jetzt politisch korrekt, schwarzen Männern den Mund zu verbieten, wenn es aus einer feministischen Position aus erfolgt?



10. Die Post. Während es für die SPD in den Umfragen weiter bergab geht, schreibt mir einer meiner Leser zu der besonderen Art der Sozialdemokraten, Jungen eine Chance zu geben:

Du schreibst: "Die Sozialdemokraten betrachten Jungen in erster Linie als zukünfige Antisemiten, Rassisten, Homophobe und Frauenhasser. Und man gibt den kleinen Monstern in Wartestellung 'eine Chance', indem man sie zu erträglichen Menschen erzieht."

Nein, die Sache liegt anders, ist aber auch nicht besser. Es geht um Sippenhaft und dabei heißt die Sippe in diesem Fall "Mann". Ich ahne, woher der Wind weht, wenn ich vorher in den Ausführungen der Münchner SPD lese: "Unter Jungen und jungen Männern unterschiedlichster Herkunft, die in Münchner Schulen lernen oder sich in Freizeitstätten treffen, sind Rassismus, Antisemitismus, ein abwertendes Verhalten gegenüber Mädchen und Frauen sowie Schwulen- und Behindertenfeindlichkeit zunehmend ein Problem".

Ja, leider richtig, in Zuwanderungsfamilien ist Rassismus, Antisemitismus, ein schlechtes Frauenbild sowie Schwulen- und Behindertenfeindlichkeit ein weitaus größeres Thema, als es bei Familien ist, deren Mitglieder hier liberal sozialisiert wurden. Sicherlich gibt es auch unter biodeutschen Jungs solche Ansichten, aber bis vor wenigen Jahren war das ingesamt gesehen kein Problem, das man in Form der Münchner Aktion hätte angehen müssen. Und nun, um nicht in den Verdacht der Fremdenfeindlichkeit zu geraten und um nicht die eigene Zuwanderungspolitik zu kritisieren, wird um den heißen Brei herumgeredet und es Jungs/jungen Männern allgemein zur Last gelegt.

Der einzige Hinweis ist die Formulierung "unterschiedlichster Herkunft". Das schließt aber leider alle mit ein. Und dagegen wehre ich mich. Sollen die Politiker gefälligst das Kind beim Namen nennen: "Unter zugewanderten Jungen und jungen Männern ...". Es wird Zeit, dass die heißen Eisen nicht verschwiegen werden. Nicht umsonst tobt gerade die Asyldebatte um Merkel/Seehofer. Die Leute wissen/ahnen, was schief läuft, aber weil das nicht ins Weltbild der Politiker paßt, wird verschleiert.


Mein Leser hat vermutlich Recht, was diesen Antrag der SPD angeht. Eigentlich verrät dies schon die Formulierung "Jungen eine Chance geben". Der SPD ist seit Jahrzehnten demonstrativ schnuppe, ob sie als jungen- und männerfreundlich oder -feindlich wahrgenommen wird. Allerdings möchten die Sozaldemokraten auf gar keinen Fall ausländerfeindlich erscheinen. Deshalb muss die Erziehung bestimmter Zuwandererjungen hin zur liberalen Demokratie als "Jungen eine Chance geben" etikettiert werden. Eine weniger verbrämte Formulierung hätte der SPD den Vorwurf ausgesetzt, junge Zuwanderer vor allem als künftige Antisemiten, Frauen- und Schwulenfeinde zu verunglimpfen. Tut man das aber mit Jungen im Allgemeinen, stört das in unserer Gesellschaft keine Lobbygruppe, die von politisch großer Relevanz ist.

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