Londoner "Times" über weiße Männer heute: "Das Ausmaß der Diskriminierung, der Selbstzensur und der Ängste ist erschütternd"
Irgendwie ist heute der Tag der Tabubrüche in unserer Medienschau.
1. Es beginnt mit einem maskulistischen Artikel in der Londoner Times, die sehr unverblümt darüber aufklärt, wie es weißen Männern in unserer Gesellschaft inzwischen geht:
Fast ein Viertel der weißen Männer gibt einer Umfrage zufolge an, wegen ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts diskriminiert zu werden, und warnt davor, dass dies sie zu Influencern wie Andrew Tate treibt.
Eine Umfrage, die im Auftrag von "White Men Can't Work!" durchgeführt wurde, einer fünfteiligen Podcast- und YouTube-Serie des Dokumentarfilmers Tim Samuels, ergab, dass sich fast die Hälfte der weißen Männer in Großbritannien bei der Arbeit selbst zensieren, weil sie befürchten, dass sie ihren Job verlieren könnten, wenn sie das Falsche sagen. Etwa 41 % geben an, dass sie Angst haben, entlassen zu werden, wenn sie das Falsche sagen oder tun.
Mehr als ein Drittel (36 %) der unter 34-Jährigen gibt an, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts keine Beförderung oder andere Chancen erhalten haben, so die Umfrage von JL Partners. Fast die Hälfte glaubt, dass sie schlechter gestellt sein werden als die jetzige Generation, wobei 49 Prozent dieser Meinung sind und 22 Prozent nicht.
Mehr als ein Drittel der Befragten - 34 Prozent - sind der Meinung, dass weiße Männer an ihrem Arbeitsplatz am wenigsten geschätzt werden, während 31 Prozent der Meinung sind, dass ihre Söhne aufgrund ihrer Ethnie oder ihres Geschlechts weniger Chancen haben werden.
"Millionen von Männern laufen bei der Arbeit auf Eierschalen herum, weil sie Angst haben, ihre Meinung frei zu äußern, während sie wissen, dass es für ihre Karriere eine Katastrophe sein kann, ein Mann zu sein", erklärte Samuels, der ehemalige Moderator der BBC-Sendung Men's Hour. "Das Ausmaß der Diskriminierung, der Selbstzensur und der Ängste ist erschütternd. Jüngere Männer sind sehr verzweifelt, was ihre Zukunft angeht. All das treibt die Männer in Richtung Populismus und zu Leuten wie Andrew Tate".
(…) "So viele Männer werden von der stärksten aller Emotionen beherrscht - dem Verlust. Es ist die Aufregung über Verluste, die uns nachts wach hält, die Wut und das Bedauern schürt und uns zu verzweifelten Maßnahmen greifen lässt. In diese Grube der Sorgen kommt dann noch die Gleichstellungspolitik DEI hinzu, die Männer aus gutem Grund noch verletzlicher macht. Die Angst vor Verlust ist noch größer."
Samuels, der ein offenes Buch mit dem Titel Who Stole My Spear? über die Situation von Männern geschrieben hat, sagte, er fühle sich gezwungen, sich zu äußern, weil "so viele Männer im Stillen leiden".
"Natürlich müssen Rassismus und Sexismus ausgemerzt werden, aber unsere größten Unternehmen und Institutionen haben eine sehr spaltende und ideologische Form von DEI eingeführt, die weiße Männer dämonisiert, die Meinungsfreiheit missachtet und, wenn man sich die Daten ansieht, nicht einmal denen hilft, für die sie gedacht war", sagte er. "Wir brauchen intelligentere Wege, um Diskriminierung zu bekämpfen, die tatsächlich funktionieren."
(…) Dr. Carole Sherwood, eine klinische Psychologin, sagte: "Wir erleben derzeit definitiv eine Krise des Gruppendenkens. So viele Menschen sind der festen Überzeugung, dass sie im Recht sind - dass sie die moralische Überlegenheit haben, dass sie auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Wir werden auf diese Zeit als eine unnötig grausame und spaltende Periode der Geschichte und als eine Art Wahnsinn zurückblicken. Menschen haben tatsächlich ihren Lebensunterhalt und ihren Ruf verloren, weil sie biologische Fakten genannt haben oder zu Unrecht des Rassismus oder des Patriarchats beschuldigt wurden."
Warum leiden denn so viele Männer "im Stillen"? Weil Männerrechtler, die seit Jahrzehnten über diese Situation aufklären, von den Leitmedien teils totgeschwiegen, teils zu gefährlichen Extremisten erklärt werden. Jetzt ist das dieses Thema, über das ich schon 2019 mein Buch "Feindbild weiße Männer" geschrieben habe, bei der Londoner "Times" angekommen. Es gibt kaum eine angesehenere Zeitung auf dieser Welt. In Deutschland aber tun sich Journalisten mit diesem Thema noch immer höllisch schwer.
2. Derweil wird in meiner eigenen Branche darüber gesprochen – natürlich außerhalb Deutschlands – ob unsere Gesellschaft nicht dadurch verliert, dass weiße männliche Schriftsteller kaum noch Literaturpreise erhalten:
In jeder Generation gibt es eine kleine Gruppe von jungen Schriftstellern, die es schaffen: Sie stehen an der Spitze der Bestsellerlisten, gewinnen Preise und werden zu bekannten Namen. Und seit Jahrzehnten - nun ja, fast in jedem Jahrzehnt - waren sie alle heterosexuelle weiße Männer.
Philip Roth. Norman Mailer. John Updike. Jonathan Franzen. Jonathan Safran Foer. Sie kennen das Bild.
Aber in den letzten zehn Jahren hat sich das geändert: Die aufstrebenden Autoren, die für Furore sorgen und die Kritikerlisten dominieren, sind größtenteils Frauen. Denken Sie an Sally Rooney, Emma Cline oder Ottessa Moshfegh. Und wenn Männer den Durchbruch schaffen, sind sie meist nicht jung, heterosexuell oder weiß.
(…) Der (relative) Niedergang der männlichen Schriftsteller hat zu aufschlussreichen Diskussionen geführt, die zunächst nur gemurmelt wurden, jetzt aber zunehmend in Zeitungen wie der New York Times und dem Guardian diskutiert werden: Warum ist der Rückgang der jungen, weißen, männlichen Schriftsteller von Bedeutung? Und was verlieren wir - wenn überhaupt - durch diesen Wandel?
"Wir haben gesehen, dass viel getan wurde, um Perspektiven zu berücksichtigen, die in der Literatur lange Zeit nicht berücksichtigt wurden", sagte Ross Barkan, ein Journalist und Romanautor, zu Noel King, dem Co-Moderator von Today, Explained. "Aber ich denke auch, dass es wichtig ist, zu wissen, was die Männer der 2020er Jahre so treiben."
Ross Barkan führt dazu näher aus:
"Ich denke, dass mit den jungen Männern von heute eine Menge los ist. Weiße und nicht-weiße, heterosexuelle Männer - sie fallen in der Schule zurück. Sie sind zunehmend entfremdet. Sie sind zunehmend wütend. Sie sind zunehmend online. Und die Belletristik setzt sich meiner Meinung nach nicht mit all diesen Themen auseinander.
(…) Die Frauen waren die Verlierer, jetzt sind es die Männer. Ich muss sagen, dass es keinen Trost für den 26-jährigen Mann gibt, der für die Sünden der Vergangenheit bezahlen muss, oder? Der junge männliche Schriftsteller kann nicht zu Hause sitzen und denken: Menschenskind, es war gut, dass Norman Mailer und John Updike so einen tollen Lauf hatten."
Auch das Versagen der Buchbranche trägt dazu bei, dass etliche weiße Männer heute "im Stillen" leiden.
3. Der MDR bricht ebenfalls ein Tabu und berichtet über einen Jungen, der von seiner Mutter missbraucht worden war und jetzt andere Studenten über diese zumeist verschwiegene Form von sexueller Gewalt informiert:
Manchmal ist die Vergangenheit so schmerzhaft, dass man sie nicht nur mit anderen teilen möchte, sondern auch aufklären will. Rausgehen und sich zeigen, das macht Lehramststudent Noah Dejanović. Er setzt sich für Kinderschutz ein, weil er selbst Opfer von sexueller Gewalt und Missbrauch wurde - in der eigenen Familie. Die Hürden, vor denen betroffene Kinder stehen, kennt Dejanović aus leidvoller Erfahrung. Weil er darüber aufklärt, ist er zum Student des Jahres gewählt worden.
4. Ein aktuelles Video zeigt, wie Frankreichs Präsident Macron von seiner Frau offenbar ins Gesicht geschlagen wird. Danach tut er das, was viele Opfer häuslicher Gewalt tun, und wiegelt ab. Zunächst spricht sein Berater von einer "Fälschung", dann Macrons Büro von einem neckischen Herumgealber unter Eheleuten. Wer das hinterfrage, sei ein Agent des Kreml.
Die deutschen Leitmedien ziehen mit. Anders als wenn einer weibliche Politikerin von ihrem Mann dasselbe passiert wäre, schießt man sich eher auf diejenigen ein, die das befremdlich finden. Bei Spiegel-Online etwa ist man vor allem empört über "zahlreiche, teils gehässige Kommentare von Usern im Netz"; Macrons Ehe sei "schon häufig Gegenstand von Hasskommentaren" geworden. Ähnlich heißt es beim Standard: "Die Gegenseite schlachtet es weidlich aus." Immerhin ist der Artikel darunter differenzierter und zeigt, wie wenig Klarheit tatsächlich besteht und wie merkwürdig die Dementis wirken:
Das Präsidialamt im Élysée-Palast dementierte zuerst jede Auseinandersetzung der Macrons. Doch der vorschnellende Arm gehört unbestreitbar der First Lady: Brigitte Macron trat nach der Szene in einem gleichfarbigen Kleid auf die Rolltreppe ihres Flugzeugs. Nun änderte das Elysée die Version: Die Rede war von einem "Moment der Vertraulichkeit". Danach sah es allerdings nicht aus, als das Paar das Flugzeug verließ: Sie wies seinen angebotenen Arm auf der Rolltreppe schroff zurück. Später bagatellisierte Macron die "Eheszene" als einen "Jux". Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Version zutrifft. Indem das Elysée aber zuerst die Unwahrheit deklamierte, macht es sich selber unglaubwürdig.
In keinem der von mir gesichteten Artikel gab es einen Bezug, den es bei umgekehrten Geschlechtern immer ggeben hätte, nämlich einen Hinweis auf die unbestreitbar hohe Rate von Opfern häuslicher Gewalt. Das wäre mit Sicherheit passiert, wenn einer weiblichen Politikerin Ähnliches durch ihren Mann widerfahren wäre. Passiert es einem Mann wie Macron ist ein gefaketes Foto seines Gesichts mit dem Handabdruck einer Frau Quelle der Belustigung in den sozialen Medien.
(Der britische Therapeut Phil Mitchell, der in dem von mir verlinkten Tweet darauf aufmerksam macht, wurde daraufhin in den Kommentaren darunter prompt als "Incel-Abzocker" beschimpft. Schließlich tönten ja auch unsere Leitmedien, dass Menschen, die sich für männliche Opfer einsetzen, und Incels praktisch aus demselben gefährlichen Verein stammen.)
5. Die Süddeutsche Zeitung beschäftigt sich aktuell mit einem Thema, das oft unter den Teppich gekehrt wird: der Hass mancher junger muslimischer Zuwanderer auf Schwule.
Berlin, Moabit: In der Carl-Bolle-Grundschule gibt es von streng muslimischen Eltern schon Beschwerden, wenn Lehrerinnen zu kurze Röcke tragen. Und dann sagt Oziel Inácio-Stech seinen Schülern, dass er schwul ist. Die Geschichte eines Albtraums.
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6. Auch andernorts kommt man sich auf einmal vor wie im Mitteltalter – etwa wenn eine Jahrtausende alte Statue auf einmal ein Tabu darstellt und aus einem Bundesamt entfernt werden muss:
Dummerweise handelt es sich bei der entsorgten Figur um gut abgehangene Nacktheit, gut zweitausend Jahre alt, für die Kunstgeschichte sogar um die wohl wichtigste Nackte überhaupt. Es ist die in der Hüfte neckisch einknickende, weil aus einem unschuldigen Bad steigende Venus Medici, genauer ein Bronzeabguss der antiken Marmorstatue aus dem 18. Jahrhundert.
(…) Es gebe "Hinweise" – also sprach die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesamtes –, die Venus werde als "sexistisch empfunden". Welche Hinweise? Von wem? Der Römer in einem heult vor Schmerz auf, die Anhänger des neuen Prüderismus jubeln. Den Stoßseufzer "Wir waren schon einmal weiter als derzeit" kann man sich kaum verkneifen, denn nicht einmal im angeblich so prüden Mittelalter wurde die Liebesgöttin und ihre Abbilder durchgängig verfemt und zu Kalk verbrannt.
Wir bewegen unns in verschiedener Hinsicht inzwischen in die Zeit vor der Epoche der Aufklärung zurück. Aber sobald man diese Entwicklung offen kritisiert, gilt man für so einige aus der selbsterklärten "Elite" unserer Gesellschaft als "radikaler Frauenfeind", dessen Treiben unterbunden werden muss. Auch das hat mehr mit dem Denken des Mittelalters als mit einer aufgeklärten Gesellschaft zu tun.
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