Montag, September 30, 2024

The Pioneer: "Brauchen wir Gleichstellungspolitik für Jungs und junge Männer?"

1. Auf Gabor Steingarts Medienplattform The Pioneer findet man aktuell einen Artikel von Chefredakteurin Alev Doğan mit der Schlagzeile "Junge Männer in der Krise". Darin heißt es:

Es mag irritieren, vielleicht etwas Flexibilität im Kopf erfordern, doch wer die Zeichen der Zeit zu lesen vermag, kommt nicht umhin, sich zu fragen:

Brauchen wir Gleichstellungspolitik für Jungs und junge Männer?

Die Zeichen der Zeit, das sind die immer stärker werdenden Diskrepanzen zwischen jungen Frauen und Männern, zwischen Mädchen und Jungen.

In nahezu allen Bereichen erzielen Mädchen bessere Resultate als Jungen, heißt es im aktuellen Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der vor wenigen Tagen erschienen ist. Noch schlimmer als der Status quo ist der Trend: "In vielen Fällen vergrößert sich der Abstand."

In einigen Ländern haben es die Befunde in die Politik geschafft.

Dieses Jahr veröffentlichte der im Norweger Parlament eingerichtete „Männerausschuss“ seine Ergebnisse. Die Überschrift: "Der nächste Schritt der Gleichstellung". Der Inhalt: Die Politik müsse stärker die Jungen und Männer in den Blick nehmen.

In den USA sagte der Leiter des nationalen Gesundheitsdienstes, Vivek Murthy, kürzlich in einem Interview: "Wir müssen endlich anerkennen, dass Jungen und junge Männer eine eigene Krise durchmachen."

Was ist los mit den Jungen und Männern?

Sind vor lauter Gleichstellungspolitik, Mädchenprogrammen und Female Empowerment die Jungen und jungen Männer aus dem Blick geraten – vielleicht sogar vernachlässigt worden?

Wer Mitte 30 ist, hat einen Bekanntenkreis, in dem alle paar Monate ein neues Baby schlüpft. Ich habe vorsichtig gefragt, ob die (werdenden) Mütter und Väter ein Wunschgeschlecht hatten oder haben.

Einige antworteten mit dem moralischen Goldstandard ("Hauptsache gesund"), andere mit progressiver Genderkritik ("mein Kind soll selbst entscheiden, ob es Junge oder Mädchen, ob es überhaupt einem Geschlecht zuzuordnen sein will"). Sehr viele wollten ein Mädchen, keine einzige der befragten Personen sagte, sie habe sich einen Jungen gewünscht.


So weit, so gut: Es folgen die auf Genderama zuhauf angeführten Zahlen über die gesellschaftliche Schieflage bis hin zu dem Umstand, dass sich viele junge Männer inzwischen verstärkt nach rechts orientieren. Ohne diese Entwicklung gäbe es solche Beiträge womöglich bis heute nicht.

Leider kann sich auch diese Journalistin selbst in einem Artikel, der männer- und jungenfreundlich sein soll, nicht beherrschen, für mehrere Absätze das zeitgeistige Männerbashing aufzunehmen. Ich verkürze das hier mal:

Es mag sich absurd anfühlen, über eine mögliche Vernachlässigung von Jungen und Männern nachzudenken, während im Hintergrund ein dröhnendes Dauerrauschen männlicher Gewalt herrscht. (…) Es ist ein Mann, der den Krieg gegen die Ukraine verantwortet, es sind Männer, die liberale Freiheitsrechte einschränken, es sind Männer, die sich im Rechtsextremismus suhlen, es sind Männer, die sich dem Islamismus verschreiben und Terroranschläge verüben.

(Und ja, natürlich gibt es auch Gewalttäterinnen, es gibt Beate Zschäpe, es gibt Terroristinnen, und doch ist klar, dass sie in Qualität und Quantität nicht vergleichbar sind.)


Die Worte "ist klar" sollen hier die schwere Last jeder echten Recherchearbeit ersetzen. Tatsächlich stehen Frauen bei häuslicher Gewalt in nichts nach (Männer erleiden sogar schwerere Verletzungen, Herrscherinnen beginnen eher Kriege als Herrscher, und bei der Bekämpfung des RAF-Terrors lautete die Parole "Schießt zuerst auf die Frauen" nicht wegen Sexismus, sondern um die eigenen Überlebenschancen zu steigern. Ich wusste schon, warum ich vor einem Vierteljahrhundert mein Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" genannt habe. Die ständige Verleumdung vom Mann als Monster unterbindet Menschlichkeit und ist ein Hindernis, sich Männern als Opfer zuzuwenden. (Wer allerdings klarstellt, dass Frauen genauso schlimm wie Männer sein können, wird als Frauenhasser abgetan. Denn der Hass auf Männer ist ja inzwischen der Normalwert.)

Immerhin versucht Alev Doğan, sich von dieser fatalen "Logik" zu lösen:

Dass Männer überproportional "Schuld" an gesellschaftlichem Unfrieden sind, überproportional häufig Täter sind, verschleiert den Blick darauf, dass sie in Kindheit und Jugend Zuwendung und Unterstützung brauchen.

Daher erfordert es ein wenig geistige Flexibilität, um beides zu sehen und anzugehen.


Oder aber, wir lassen den Sexismus beiseite und konzentrieren uns bei beiden Geschlechtern darauf, den Opfern zu helfen. Nur mal so als Idee. Erfordert viel "geistige Flexibilität", ich weiß.



2. Für die Gründerinnen der Frauen-Finanz-Plattform Ellex ist Kritik daran vor allem eines: frauenfeindlich. Näheres berichtet der Infosperber.



3. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat wegen eines starken Anstiegs der Mpox-Infektionen eine internationale Notlage ausgerufen – "betroffen sind fast nur Männer".



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