Donnerstag, November 23, 2023

Wie wurden die USA ein tödlicherer Ort für Männer?

1. In der (konservativen) New York Post findet man aktuell einen Artikel zur vergrößerten Kluft der Lebenserwartung zwischen Frauen und Männern. Ein Auszug:

Heute werden Männer und Frauen immer ungleicher - und bei einem der grundlegendsten Maßstäbe für das Wohlergehen sind es die Männer, die von Anfang an schlechter gestellt sind und immer weiter zurückfallen.

Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahren für alle Amerikaner gesunken. Die Lebenserwartung von Männern ist jedoch stärker gesunken als die von Frauen, was zu der größten geschlechtsspezifischen Diskrepanz seit fast 20 Jahren geführt hat. Laut einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift JAMA Internal Medicine veröffentlicht wurde, überlebten Frauen im Jahr 2021 die Männer um 5,8 Jahre.

So sehr postmoderne Akademiker und fortschrittliche politische Aktivisten es auch leugnen mögen, es gibt natürliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern, und die bloße Tatsache, dass Frauen länger leben, ist nicht so überraschend. Zum einen sind Männer unverhältnismäßig häufig in den gefährlichsten Berufen der Nation beschäftigt, z. B. als Holzfäller, Dachdecker, Bauarbeiter, Flugzeugpiloten und Stahlarbeiter. Und wenn die männliche Risikobereitschaft dazu führt, dass Männer in bestimmten Führungspositionen und als Unternehmer erfolgreicher sind, so führt sie auch dazu, dass mehr Männer und Jungen an Unglücksfällen sterben.

Aber die Kluft in der Lebenserwartung hat sich seit 2010 um ein ganzes Jahr vergrößert, als sie bei einem historischen Minimum von 4,8 Jahren lag. Die menschliche Natur hat sich in dieser Zeit nicht verändert - irgendetwas hat Amerika zu einem tödlicheren Ort für Männer gemacht.

COVID hat einen doppelten Beitrag geleistet, insofern, als die Krankheit Männer stärker betroffen haben könnte und sie wiederum weniger geneigt waren, die grippeähnlichen Symptome ernst zu nehmen.

Todesfälle aus Verzweiflung haben beide Geschlechter betroffen, aber Selbstmord und eine Drogen-Überdosis tragen zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei, wobei Männer ein höheres Risiko haben, an jeder dieser Ursachen zu sterben.

Es überrascht nicht, dass Männer auch häufiger durch Tötungsdelikte sterben, und wenn die Gewaltkriminalität zunimmt, sinkt die Lebenserwartung von Männern vorhersehbar.

Aber es sind auch weniger offensichtliche Kräfte im Spiel.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Männer ein College besuchen oder einen Abschluss machen, ist geringer, was in einer zunehmend dienstleistungsorientierten und wissensbasierten Wirtschaft zu schlechteren Lebens- und Berufsaussichten führt - Bedingungen, die den Tod aus Verzweiflung begünstigen.

Ob ironisch oder zynisch, Progressive können in ihren Annahmen über Ungleichheit ziemlich konservativ und verschlossen sein: Sie gehen davon aus, dass derjenige, der in der Vergangenheit bevorteilt war, auch heute noch privilegiert sein muss, so dass die einzige Art von Ungleichheit, die das progressive Gewissen nicht belastet, diejenige ist, die Gruppen schadet, die früher besser gestellt waren.

Ungleichheit beim Einkommen und der ethnischen Zugehörigkeit sorgen für Empörung, die die Straßen mit Demonstranten von Occupy Wall Street oder Black Lives Matter füllt – aber es wird keine Proteste wegen der sich verschlechternden Lebensperspektiven von Männern geben.


Während der Beitrag vielen Männerrechtlern bis hierhin aus der Seele sprechen dürfte, macht er dann eine harte Kurve und argumentiert, dass Männer sich "nicht über die Ungerechtigkeit beschweren" sollten und es auch keine weitere Bewegung brauche, die Gleichheit fordere. Stattdessen sollten sie zäh genug sein, um trotzdem zu gedeihen.



2. Das ZDF hat gestern Abend einen Beitrag über Obdachlose ohne Krankenversicherung ausgestrahlt: Todkrank auf der Straße.



3. Die Frankfurter Allgemeine beschäftigt sich mit Vater-Kind-Entfremdung, wobei der Artikel sehr ausführlich einen Beispielfall behandelt. Im allgemeiner gehaltenen Teil des Beitrags wird vor allem ein einzelner Richter ausgiebig zitiert, um den Argumenten der Väterbewegung entgegenzutreten beziehungsweise, so dürfte die Sicht der Autorin sein, zu entkräften:

Nicht nur Ulf Strehler hat das Gefühl, dass die Mutter seiner Tochter am längeren Hebel sitzt und maßgeblich bestimmt, wie viel Zeit er mit ihr verbringen darf. Der Verein Väteraufbruch für Kinder, dessen Motto "Allen Kindern beide Eltern" lautet, verwendet Begriffe wie "Ausgrenzung" oder "Buhmann", wenn er die Rolle von getrennt lebenden Vätern beschreibt.

Stefan Heilmann, Vorsitzender Richter eines Familiensenats am Oberlandesgericht Frankfurt, hat eine andere Sichtweise. Er äußert sich nicht zum Fall von Ulf Strehler, den er nicht kennt. Aber er nimmt allgemein Stellung zu Punkten, die auch Strehler moniert. Vorab sagt er, der an der Frankfurt University of Applied Sciences eine Professur für Familienrecht innehat und sich in der Qualifizierung von Familienrichtern engagiert: "Auch ich habe Fälle, in denen sich ein Elternteil falsch verhält." Wenn eine Trennung noch nicht aufgearbeitet sei, der Ex-Partner abgelehnt werde, das Verlangen nach einem neuen Leben, in dem der andere am besten gar nicht mehr vorkommen würde, groß sei, könne es passieren, dass das Kind aus den Augen verloren werde. Doch Eltern sei man nun mal sein ganzes Leben lang. "In solchen Fällen finde ich als Richter sehr, sehr deutliche Worte."

(…) Womit der Richter zu einem wichtigen Punkt überleitet und auf die gesellschaftliche Realität in Deutschland hinweist: Natürlich gebe es auch Verfahren, in denen der Umgang mit der Mutter eines Kindes geregelt werde, das beim Vater lebe. Faktisch jedoch sei das selten. "Ursächlich hierfür sind vor allem die oftmals noch bestehenden gesellschaftlichen Rollenbilder", sagt Heilmann. "Wenn es zu einer Trennung kommt, zieht in aller Regel der Vater aus. Und viele Väter überlassen bei der Trennung die Betreuungssituation dann dem anderen Elternteil" – also der Mutter, die fast immer die Hauptbezugsperson des Kindes ist. Stefan Heilmann fügt an, auch die Väter, die Verantwortung für ihr Kind übernehmen wollen, könnten sehr häufig kein alternatives Betreuungsmodell zur Verfügung stellen, seien also nicht in der Lage, so für das Kind zu sorgen, wie der andere Elternteil es bereits tut. Bei Vätern liegt das beispielsweise oft an einer Vollzeittätigkeit.

(…) Stefan Heilmann kann nachvollziehen, dass ein Elternteil hadert, wenn er sein Kind aufgrund eines Umzugs seltener sehen kann. Aber er sagt: "Wenn wir eine Konstellation haben, in der regelmäßiger Umgang mit Ferienaufenthalten stattfindet in einer Taktung, die nachvollziehbar ist, weil zum Beispiel weite Entfernungen bestehen, sagen alle Studien, dass die Qualität des Umgangs von viel größerer Bedeutung ist als die Quantität." Das gelte auf jeden Fall für ältere Kinder ab etwa fünf Jahren, die schon ein Zeitempfinden haben. Er verstehe die individuelle Position eines Elternteils, der sage, die Häufigkeit des Umgangs reiche ihm nicht. Diesen Wunsch um jeden Preis gegen den anderen Elternteil durchsetzen zu wollen, der aus welchen Gründen auch immer nicht vernünftig mitarbeite, sei aber häufig nicht kindeswohldienlich.

Bleibt noch der Vorwurf, Väter hätten es bei Ämtern und vor Gericht schwerer als Mütter. Wenig überraschend verneint Richter Heilmann diese Behauptung vehement. "Jede familiengerichtliche Entscheidung könnte auch in unterschiedlicher Geschlechterverteilung getroffen werden." Er ist sich sicher, dass ein Familiengericht seinen Beschluss nicht danach ausrichtet, ob es um die Forderungen eines Vaters oder einer Mutter geht.

Zum Abschluss weist Heilmann auf Langzeitstudien hin, die zeigen, dass entfremdende Verhaltensweisen langfristig sehr viel stärker die Beziehung des Kindes zum entfremdenden Elternteil selbst schädigen können als zum anderen Elternteil. "Kinder werden älter und ordnen dann selbst ein, wer sich fehl verhalten hat", sagt Heilmann.




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