World Socialist Web Site: "Ein Schuldspruch für die gesamte #MeToo-Hexenjagd"
1. Als ich gestern Abend zur Entspannung auf der World Socialist Web Site stöberte, bin ich auf einen gepfefferten Artikel von David Walsh zum Freispruch für Kevin Spacey gestoßen, der einmal mehr zeigt, dass man die MeToo-Exzesse selbstverständlich auch von einer politisch linken Position aus kritisieren kann. Ein Auszug:
Der Freispruch in allen Anklagepunkten zeigt eindrucksvoll, dass die gesellschaftliche Schicht, die von Spaceys Schuld und der Perfidie aller Zielpersonen des #MeToo-Kreuzzugs überzeugt ist – oft auf der Grundlage wüster und haltloser Vorwürfe – engstirnig, privilegiert, sich selbst bemitleidend und politisch reaktionär ist. Spaceys Freispruch ist zweifellos Ausdruck einer Entwicklung in der Bevölkerung.
Das Urteil "nicht schuldig" im Fall Spacey ist gleichzeitig eine Anklage gegen ein System, das wie in der McCarthy-Ära die Schuld durch die Medien, auf der Grundlage von Klatsch und Anspielungen feststellt. Die Informationen kommen oft aus anonymen Quellen und haben bereits zahllose Leben und Karrieren zerstört.
Es ist eine Anklage gegen die New York Times, den Guardian, die Washington Post, den New Yorker und das New York Magazine, die "Nation", "Jacobin", die Demokratische Partei, die Democratic Socialists of America und die Pseudolinke im Allgemeinen, gegen all die prinzipienlosen und verkommenen Medien und politischen Gruppen, die #MeToo aus ihren eigenen selbstsüchtigen, rechten Gründen ohne Rücksicht auf menschliche Kosten vorangetrieben haben.
(…) Wird Spacey wieder Arbeit in Hollywood finden, dieser ethischen und intellektuellen Jauchegrube, die sich mit ihren hohen moralischen Werten rühmt, während sie jedes Jahr Millionen Dollar von den Berufsmördern der CIA und des Pentagon einnimmt, aber Woody Allen, Roman Polanski und Spacey auf die schwarze Liste setzt?
Das ist schwer zu sagen. Laut der Klatsch-Website Page Six muss sich Spacey "möglicherweise auf Arbeiten in Europa beschränken, da Hollywood laut mehreren Insider-Quellen nicht bereit ist, zu vergeben oder zu vergessen [!]" Die Website zitierte Spaceys Äußerungen gegenüber einem deutschen Magazin Anfang Juli, dem er erklärte: "Ich weiß, dass momentan viele Leute bereit sind, mich zu engagieren, sobald ich in London von diesen Vorwürfen freigesprochen werde... Sobald das passiert, sind sie bereit, weiterzumachen." Auf die Frage nach der Zukunft von Spaceys Karriere erklärte jedoch "eine gut aufgestellte Hollywood-Quelle gegenüber Page Six: ,Schauen Sie sich all diese Männer an, denen Sexualstraftaten vorgeworfen werden – von Woody Allen bis zu Roman Polanski. Sie arbeiten alle in Europa.'" Was für eine monströse Heuchelei.
Walsh sieht Parallelen zwischen der anzüglichen Beschäftigung mancher Medien mit Kevin Spacey und "der faschistischen Seite Breitbart News, die sich in Vorwürfen gegen das schwule, liberale und oft jüdische Hollywood ergeht". Auch erinnert er daran, dass Sexskandale "stets die Domäne der extremen Rechten" waren:
Die Filmbranche, das ist jetzt klar, hat nichts aus der McCarthy-Ära gelernt. Hier kommt im Grunde der gleiche Modus Operandi zum Einsatz: die Nennung von Namen, Sippenhaft, Zeugen, die nicht befragt werden können, die Intervention rechter Kräfte, die Studios, welche die Beschuldigten sofort auf eine schwarze Liste setzen.
Vor diesem Hintergrund erkennt Walsh die MeToo-Kampagne als "reaktionär bis ins Mark" und befindet: "Die treibende Kraft hinter diesen Bestrebungen war eine wohlhabende Schicht des oberen Kleinbürgertums, deren Instinkte und Methoden rachsüchtig, undemokratisch und autoritär sind." Auch nach Spaceys Freispruch habe sich die problematische Berichterstattung mancher Medien kaum geändert:
The Cut, eine Rubrik des New York-Magazins, veröffentlichte daraufhin in reißerischer Ausführlichkeit alle Vorwürfe gegen Spacey, von denen die meisten widerlegt oder vom Gericht verworfen wurden. Kat Tenbarge, eine Technik- und Kulturreporterin von NBC News, twitterte: "Vier Männer haben ausgesagt, dass Kevin Spacey sie sexuell belästigt hat. Eine mehrheitlich aus Männern bestehende Jury stellte sich hinter keinen von ihnen, sondern sprach Spacey in allen Anklagepunkten frei. Daran sieht man einmal mehr, wie Männer auch andere Männer behandeln, wenn sie sexuelle Übergriffe anzeigen." Margo Lindauer, die Direktorin des Instituts für häusliche Gewalt an der School of Law der Northeastern University, erklärte gegenüber den Medien: "Fälle wie dieser, in denen bekannte Missbrauchstäter immer wieder nicht zur Verantwortung gezogen werden, erzeugen Gänsehaut" usw."
Aber welche Motive haben reaktionäre Kräfte für die geschilderten MeToo-Attacken? Diese Frage beantwortet Walshs Analyse ausführlich:
Die WSWS hat in ihrer Analyse des #MeToo-Phänomens folgende grundlegenden sozialen und politischen Motive für die Förderung der sexuellen Hexenjagd identifiziert:
1. Die Aufmerksamkeit soll vor allem von der Zunahme sozialer Ungleichheit abgelenkt werden. Das Ziel ist, Klassenhass und -bewusstsein abzubauen und abzustumpfen, Männer und Frauen zu spalten und eine unabhängige politische und soziale Aktivität der Arbeiterklasse so weit und so lang wie möglich zu demobilisieren.
2. Der soziale Widerstand soll im Rahmen der bürgerlichen Politik gehalten werden. #MeToo entstand als Mittel, die Kontrolle der Demokraten über Teile des wohlhabenden Kleinbürgertums zu festigen, die von Gender-Politik besessen sind, und um den Widerstand gegen Donald Trump in rechte Kanäle zu lenken.
3. Die sozialen Interessen von Teilen der professionellen Mittelschicht sollen gefördert werden, die sich erbitterte interne Konflikte um Positionen und Privilegien in verschiedenen Bereichen liefern, u.a. in den Universitäten, Medien, der Unterhaltungsbranche und den Gewerkschaften.
4. Grundlegende demokratische Rechte sollen unterlaufen und zerstört werden. Die anhaltenden Angriffe auf das Recht auf ordentliches Verfahren und die Unschuldsvermutung kamen vonseiten der "Linken", dieser undemokratischen privilegierten Mittelschicht. Sie haben Lynchmob-Methoden ähnlich der McCarthy-Ära Vorschub geleistet.
5. Es sollen die rückständigsten Gesellschaftsschichten auf der Grundlage von Antisemitismus und homophober Bigotterie aufgehetzt werden. Die Wahl der bekanntesten Opfer war nicht unschuldig oder zufällig.
6. Die Forderung nach weltweiten Militärinterventionen im Namen von "Frauenrechten" soll unterstützt, ausgeweitet und gerechtfertigt werden. Hierbei handelt es sich um die "Hillary-Doktrin", eine Form des "Menschenrechtsimperialismus."
Spaceys Freispruch ist eine willkommene Entwicklung, doch die politischen Kräfte, die hier am Werk sind, insbesondere die Pseudolinken in den Medien, Universitäten und anderen Bereichen, müssen systematisch entlarvt und diskreditiert werden.
Auch das betrachtet Genderama seit jeher als seine Aufgabe.
2. "Ich habe angefangen, Männer in Rammstein-Shirts anzupöbeln", berichtet die Femiinistin Veronika Kracher: "Und ich finde, dass mehr Menschen das tun sollten." Es werde, so Kracher, nämlich "Zeit, dafür zu sorgen, dass solche Männer aus Sorge, für ihr Verhalten Konsequenzen zu erfahren, sich zweimal überlegen, sich zu einem mutmaßlichen Vergewaltiger zu bekennen und ihren Frauenhass derart stolz vor sich her zu tragen." Der zitierte Artikel findet sich in der sozialistischen Tageszeitung "Neues Deutschland", vormals Zentralorgan der SED. Reaktionäre Strömungen gibt es also auch im sozialistischen Spektrum nach wie vor. Man kann dort vielleicht nicht die DDR zum Leben erwecken, aber die McCarthy-Ära sehr wohl.
3. Auch die Neue Zürcher Zeitung greift mal daneben, diesmal mit einer mehr als unglücklich gegenderten Schlagzeile eines Artikels, der gar nichts mit dem Geschlechterverhältnis zu tun hat: "Findet meine Tochter Freunde? Wird mein Sohn negativ auffallen? Viele Eltern fürchten sich vor dem ersten Schultag ihrer Kinder."
4. Die Schauspieler Alec Baldwin und Johnny Depp kritisieren das Familiengerichtswesen als männerfeindlich und sexistisch.
5. Eine Studie, auf die ich bei meinen Recherchen gestoßen bin, beschäftigt sich mit den Folgen der Männerfeindlichkeit unserer Gesellschaft. In der Zusammenfassung dieser Untersuchung heitß es:
Vorurteile gegenüber Männern können zu emotionalem Stress, zwischenmenschlichen Konflikten und Beeinträchtigungen des männlichen Selbstbildes führen. Sie können ein Faktor sein, der den erhöhten Substanzkonsum und Selbstmord von Männern sowie die Gewalt gegen Männer erklärt. Das Wissen um die Vorurteile, mit denen Männer konfrontiert sein können, ermöglicht es Klinikern, bessere Allianzen mit ihren Klienten zu bilden, indem sie ihnen helfen, die Gefühle und Perspektiven von Männern zu verstehen, die verschiedene Formen von Vorurteilen erleben. Diese Dissertation beginnt mit einem Überblick über die allgemeinen Ursachen von Vorurteilen und einer Zusammenfassung der Mechanismen, die die soziale Akzeptanz von Vorurteilen aufrechterhalten. Anschließend werden die verschiedenen Formen von Vorurteilen, mit denen Männer konfrontiert sind, sowie die Mechanismen, die die soziale Akzeptanz von Vorurteilen gegenüber Männern aufrechterhalten, taxonomisch dargestellt. Abschließend werden Beispiele für Vorurteile gegenüber Männern beschrieben, wobei die in dieser Dissertation dargelegte Taxonomie angewandt wird.
Es ist gut, wenn sich wenigstens die Wissenschaft allmählich mit diesem Problem beschäftigt.
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