Meldestelle: Antifeminismus soll Straftatbestand werden
In einem Beitrag der "Zeit" (Bezahlschranke) diskutiert die ehemalige Frauenministerin Kristina Schröder (CDU) mit Judith Rahner, der Initiatorin der Meldestelle Antifeminismus, über die Legitimation dieser Einrichtung.
Rahner argumentiert, es gehe darum "Debatten abzubilden, die der Nährboden für Extremismus sein können." So komme es nicht aus heiterem Himmel, dass "Maskulinisten einer Kommunalpolitikerin eine Patrone zuschicken." Antifeminismus sei neben Rassismus und Antisemitismus ein wichtiger Bestandteil der rechtsextremen Ideologie und solle ein ein Straftatbestand werden: "Immerhin überlegen das Bundeskriminalamt und die Landespolizeien gerade, den Antifeminismus als strafverschärfend zu betrachten, wie es bereits bei antisemitischen Hassreden der Fall ist."
Ein Auszug aus dem Gespräch:
Schröder: Warum sind dann die Beispiele, die Ihre Meldestelle aufführt, so weit gefasst? Man kann etwa "Organisierte Kampagnen gegen geschlechtergerechte Sprache" melden. Ich habe erst letzte Woche eine entsprechende Petition von deutschen Linguisten unterzeichnet. Das war gewiss eine organisierte Kampagne. Und jetzt?
Rahner: Sie dürfen Gendern als "Sprachverhunzung" hinstellen, Frau Schröder. Aber natürlich schauen wir uns auch diese Kampagne an, wer da mitmacht und wer sie bezahlt. Das sind für uns wichtige Hintergrundinformationen. Denn nicht nur im rechtsextremen Spektrum, auch in anderen Spektren, in denen sich Leute als konservativ oder sonst wie titulieren, gibt es Leute, die über das Ticket "Gender" versuchen, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Darunter sind Demokratiefeinde, die Frauen zurück an den Herd wünschen.
Schröder: Ehemalige Ministerinnen sollten nicht eine Nachfolgerin kritisieren. Aber ich sage es einmal so: Ich habe den Eindruck, dass viele vom Ministerium geförderte Projekte gegen Rechtsextremismus eigentlich Projekte gegen liberale oder konservative Positionen sind. Unter anderem deshalb habe ich während meiner Amtszeit alle Organisationen, die von der Regierung gefördert werden, darauf verpflichtet, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat sich übrigens massiv dagegen gewehrt.
Ich glaube, dass Rahner recht hat: Es gibt tatsächlich Leute, darunter Demokratiefeinde, die über das Ticket "Gender" versuchen, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Man sollte auf der Hut vor ihnen sein.
Ähnlich sieht es der Staatsrechtler Josef Franz Lindner, der vor einer Förderung der "Meldestelle Antifeminismus" durch das Bundesfamilienministerium warnt.
"Wenn man so etwas überhaupt zulassen wollte – was ich persönlich für einen gefährlichen Irrweg hielte –, dann ginge das nur auf einer soliden gesetzlichen Basis. Dazu müsste der Bundestag zunächst einmal darüber diskutieren, ob so etwas überhaupt gemacht werden darf – und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und rechtsstaatlichen Vorkehrungen. Das Familienministerium kann nicht einfach hergehen und irgendeine Stiftung, die sich dem Kampf gegen den Antifeminismus verschrieben hat und sich dabei der Denunziation bedient, mit erheblichen Beträgen fördern.
Mit einer solchen Einrichtung schaffe man
einen rechtlich nicht regulierten Bereich für Denunziation, Anschwärzung und Diffamierung, der in einem Rechtsstaat nichts verloren hat. Der Rechtsstaat lebt von Transparenz, von Offenheit und auch von rechtsstaatlicher Kontrolle. Das Wesen der Denunziation verträgt sich damit nicht.
Besorgt äußert sich auch Rudi Wais in einem Kommentar der Augsburger Allgemeinen:
"Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant." Was Hoffmann von Fallersleben angeblich schon Mitte des 19. Jahrhunderts reimte und Erich Mielke in der DDR zu gespenstischer Perfektion entwickelte, ist auch im digitalen Zeitalter noch ein sehr deutsches Phänomen.
(…) Der Blockwart von heute arbeitet digital und tarnt sich im Gewand des Gutmenschen. Als Argument für die Einrichtung solcher Meldestellen wird der Kampf gegen Rassismus oder Hasskriminalität bemüht. Tatsächlich jedoch ebnen die Portale einer Kultur der Denunziation den Weg, die man mit dem Zusammenbruch der DDR eigentlich überwunden glaubte. Gemeldet werden können schließlich nicht nur Straftaten wie Angriffe auf Frauen oder queere Menschen, sondern auch Vorfälle, die zweifelsfrei durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind – etwa das Verteilen von Flugblättern, die sich gegen die zunehmende Verunstaltung der deutschen Sprache durch größtmögliche Geschlechterneutralität richten.
Zu den demokratischen Werten, für die die Antonio-Stiftung ja eintreten will, gehören auch der Meinungsstreit und das Aushalten von Widersprüchen. Eine staatlich mitfinanzierte Plattform wie die "Meldestelle Antifeminismus" aber ist so ziemlich das Gegenteil von lebendigem Pluralismus. Wenn Denunzianten dort auch Vorfälle anzeigen können, die unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegen, wird überdies eine juristische Grenze überschritten. Jemanden zu diffamieren, zumal nur auf einen subjektiven Verdacht hin, ist ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Angeschwärzten.
(…) Wachsam zu sein, eine Straftat anzuzeigen oder bei der Polizei eine Zeugenaussage zu machen, ist etwas anderes, als in missionarischem Furor Menschen einem Petz-Portal zu melden, die dem eigenen Gesellschaftsbild nicht folgen wollen. Niemand ist verpflichtet, Feministin oder Feminist zu sein in Deutschland, niemand muss einen Gender-Stern oder ein Binnen-I für einen emanzipatorischen Fortschritt halten und die klassische Familie für ein soziologisches Auslaufmodell. Jeder aber muss das denken und sagen dürfen, ohne von einem Kollegen, einem Nachbarn oder einem anderen missliebigen Menschen in einschlägigen Datenbanken verewigt zu werden. Wo es tatsächlich justiziabel wird, bei Bedrohungen, körperlichen Angriffen oder Stalking, sind in einem Rechtsstaat die Polizei und die Justiz gefordert und keine dubiosen Meldestellen.
Man sollte noch ein paar Worte zu der Forderung verlieren, Antifeminismus als Straftatbestand zu etablieren, was mit der Schauergeschichte untermauert wird, dass "Maskulinisten" Leuten Patronen zuschicken würden. Werfen wir mal einen Blick darauf, wer in den letzten Jahren den Geschlechterkampf tatsächlich auf militante Weise führte.
* Dezember 2017: "Linksextremismus wird weiblicher", titelt der MDR aufgrund einer aktuellen Analyse des sächsischen Verfassungsschutzes. Der Beitrag zeigt das Bild einer Gruppe vermummter Personen, darunter mehrere Frauen, mit Baseballschlägern in der Hand, beleuchtet von Bengalischem Feuer, hinter einem Transparent mit der Aufschrift "Feminismus, Antifa, Nazis boxen, ist doch klar". In der Altersgruppe der unter 20-Jährigen, erfährt man weiter, wurde dem Bericht zufolge sogar fast jede zweite linksextremistisch motivierte Straftat von einer Frau begangen. Martin Döring, Sprecher des sächsischen Verfassungsschutzes, führt das auf Themen wie den Feminismus zurück.
* November 2018: In der Frankfurter Rundschau erinnert die Feministin Antje Schrupp daran, dass Frauenrechtlerinnen vor 100 Jahren Polizisten bespuckten, Fensterscheiben einschlugen, Säure in Briefkästen kippten und Telegrafenkabel zerstörten, und fragt, ob die Frauenbewegung unserer Zeit nicht auch wieder mehr Militanz brauche.
* August 2019: Auf der Website "Anarchists Worldwide" verkündet ein Beitrag die Gründung Feministischer Autonomer Zellen in Deutschland. Diese Einheiten sollen der "Subversion patriarchaler Herrschaft" in Form von "direkten militanten öko-feministischen Aktionen" dienen. Historisch möchte man an die feministische Terrorgruppe "Rote Zora" und die Revolutionären Zellen anknüpfen. Die Zerstörung eines Amazon-Lockers in Freiburg im Breisgau am 6. August 2019 soll "eine Serie von Texten und Aktionen" begründen: "Bildet feministische autonome Banden!"
* September 2020: Militante deutsche Feministinnen stellen eine informative Chronik ihrer Terroraktionen aus der jüngeren Vergangenheit online und bewerben sie auf der linken Nachrichtenplattform Indymedia. Die Chronik bietet einen guten Überblick über die unterschiedlichsten Verbrechen, so etwa "Sozenbüros verschönert", "Auto von Pick up Arschloch Marko Polo zertrümmert" und "Farbattacke auf das Amtsgericht Lichtenberg".
* November 2020: Das "Neue Deutschland" berichtet von einem "schweren Schlag gegen die feministische Szene" in Berlin: 100 Aktivisten, die eine Demonstration von Abtreibungsgegnern blockierten, haben Strafbefehle über je mehrere hundert Euro wegen Widerstands, Nötigung, Vermummung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz erhalten. Lilli Kramer vom Bündnis "What the fuck?!" bezeichnete diese Sanktionen als "Katastrophe für die feministische Szene in Berlin".
* März 2021: In Bremen muss eine feministische Demo aufgelöst werden. Bei den kontrollierten Frauen wurden Plakate wie "Patriachat abbrennen – aggressiv, radikal, feministisch, kämpfen" aufgefunden und sichergestellt. Bei einer 24-Jährigen stellten die Polizisten frische, lila Farbanhaftungen an der Kleidung fest, dazu führte sie eine Schablone "Männer ermorden" und Sprühkreide bei sich.
Denkt man so verquer wie die Begründer der Meldestelle, müsste man folgerichtig fragen, ob man nicht aus dem Feminismus statt dem Antifeminismus einen Straftatbestand machen sollte. Bisher hat das niemand gefordert, weil Demokraten nicht auf die Idee kommen, politische Auffassungen mit dem Ruch der Strafbarkeit zu belegen, selbst wenn irgendwelche ExtremistInnen dieselbe politische Auffassung vertreten. Offenbar überlasst man mit derlei Zurückhaltung aber nur jenen Menschen die Eskalationsdominanz, die solche Hemmungen nicht kennen: etwa der Amadeu-Antonio-Stiftung.
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