Freitag, März 03, 2023

EU-Ausschuss: CDU-Politikerin hat ihre Mitarbeiter sexuell belästigt

1. Die Bildzeitung berichtet heute Morgen:

Sexismus-Skandal um die EU-Abgeordnete Karolin Braunsberger-Reinhold (36). Die CDU-Politikerin hat einen Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin sexuell belästigt.

So steht es im internen Abschlussbericht (25 Seiten) des EU-Ausschusses für Belästigungs-Beschwerden. Der Bericht aus Brüssel liegt BILD vor.

Laut Bericht besuchte Braunsberger-Reinhold am 5. Juni 2022 mit den zwei Mitarbeitern und ihrem Ehemann eine "Weinmeile" nahe Roßbach (Sachsen-Anhalt). Mit dabei: rund 30 Mitglieder der Jungen Union (JU).

Während der Wanderung (ab 10 Uhr) habe die Politikerin viel Wein getrunken. Gegen 12 Uhr habe sie zwei Likör-Flaschen besorgt. Am Nachmittag habe Braunsberger-Reinhold "nicht mehr geradeaus gehen können", heißt es im Bericht.

Rund eine Stunde lang habe Braunsberger-Reinhold beide Mitarbeiter später in Sex-Gespräche verwickelt, heißt es im Bericht weiter. Dabei habe sie unter anderem erklärt, sie sei bisexuell. Mehrmals habe sie beiden Mitarbeitern direkt gesagt, sie wolle "flachgelegt werden". Auch fielen Worte wie "f ...".

Bei Einfahrt des Zuges (für die Heimfahrt Richtung Bad Kösen) habe die CDU-Politikerin ihrer Mitarbeiterin dann von hinten an Brust und Dekolleté gefasst, den Kopf auf deren Schulter gelegt.

Entsetzen bei beiden Mitarbeitern! Braunsberger-Reinhold wurde zur Rede gestellt. Anschließend: Beschwerde bei der EU und Krankmeldung!

Insgesamt neunmal beschäftigte sich der EU-Ausschuss in den Monaten danach mit den Vorfällen, hörte die Betroffenen an sowie die CDU-Politikerin und zwei Zeugen.

Doch eine Bestrafung der Politikerin? Fehlanzeige!

Stattdessen heißt es im Fazit des Berichts auf Seite 19: Der Ausschuss habe die "Schwere der Vorfälle" gegen die "Schwere der Konsequenzen" für das Leben der Politikerin abgewogen, wenn die "sexuellen Belästigungen öffentlich" würden.

Im Klartext: Besser verschweigen, damit die CDU-Politikerin keine unbequemen Fragen beantworten muss …


Dass sexuelle Belästigungen durch Frauen viel häufiger vorkommen, als man öffentlich thematisiert wird, behandelt ein eigenes Kapitel in meinem neuen Buch.



2. Geht es jedoch um männliche Beschuldigte, wird sexuelle Übergriffigkeit auch dann angedeutet, wenn es keine gibt:

Besonders frappierend zeigt sich dies an einer vom Spiegel veröffentlichten Geschichte. Sie trägt den Titel "Er zeichnete mir Hakenkreuze an den Rand meiner Manuskripte", läuft unter "#MeToo im Schweizer Journalismus" und fängt mit einem Foto des verurteilten Filmproduzenten Harvey Weinstein ein.

Darin erhebt die Journalistin Anuschka Roshani Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Chef, den früheren Chefredakteur des schweizerischen Magazin, Finn Canonica. Sie lauten Sexismus, Machtmissbrauch und Mobbing. Vorwürfe sexueller Belästigung oder Übergriffe erhebt sie nicht.

Genau diese werden jedoch insinuiert, wenn ein von der Polizei abgeführter Weinstein zu Beginn des Artikels gezeigt wird. Mit Bezug auf diesen schreibt Roshani, dass "Missbrauch und Geringschätzung von Frauen auch in unseren hochmodernen Gesellschaften System" habe, um sich dann als "Opfer eines Machtmissbrauchs" vorzustellen. Die Spiegel-Aufmachung und die Journalistin erwecken damit den Eindruck, dass ähnlich drastische Anschuldigungen wie zuvor gegen den amerikanischen Filmproduzenten nun gegen den Schweizer Chefredakteur gemacht würden – und das ist grob irreführend.


Hier geht es weiter mit dem Beitrag von Felix Perrefort.



3. Der Journalist Ferdinand Knauss hat sich mit der gestern von Annalena Baerbock vorgestellten "feministischen Außenpolitik" beschäftigt. Ein Auszug:

Es geht da um Interessen von Staaten gegenüber anderen. Um die ging es Außenpolitikern bislang jedenfalls in erster Linie. (…) Von solchen historischen Überlegungen traditioneller Außenpolitikbetrachtung hat sich Baerbock mit ihrer "feministischen Außenpolitik" nicht nur völlig freigemacht. Sie hält sie sogar nach ihren eigenen Worten für "eine Selbstverständlichkeit". Was wiederum, wenn man Baerbocks Worte ernst nähme, bedeutete, dass ihr heutiger Auftritt und ihre Leitlinien überflüssig wären. Aber offenbar erwartet Baerbock eben selbst nicht wirklich, dass man jeden ihrer Sätze wirklich ernst nimmt. Denn "selbstverständlich" ist es nun gerade nicht, wenn die oberste Außenpolitikerin einer Mittelmacht mit der Grundvoraussetzung der Außenpolitik generell bricht, nämlich dass sie den Zweck hat, nationale Interessen des eigenen Landes gegenüber anderen zu vertreten.

Baerbocks neue "feministische Außenpolitik" verfolge, so verkündet sie in schnell sprudelnden Worten, einen "pragmatischen Ansatz", es gehe dabei um "ganz normale Probleme von ganz normalen Menschen". Sie spricht also von Außenpolitik, wie eine Lokal-, Innen- oder Sozialpolitikerin. "Weltinnenpolitik" hat sie ja schon vorher als ihr Konzept erklärt. Und dann wieder ein echt Baerbockscher Satz: "Es geht um echte Menschen", sagt sie, als ob es in der bisherigen präfeministischen Außenpolitik um falsche gegangen sei. Das sei "Realfeminismus".

Daraufhin driftet der Auftritt vor der Berliner Presse zunehmend in eine Art von politischem Surrealismus ab, der zu anderen Zeiten auch als Realsatire durchgegangen wäre. Eine deutsche Außenministerin spricht über "Sanitäranlagen in Nigeria", die man "für Frauen nicht am Rande des Dorfes planen" dürfe. Fast übergangslos meint sie dann, man werde "Gelder effizienter, also gendersensibel einsetzen", als ob Gendersensibilität und Effizienz gleichbedeutend seien.

Dass Baerbocks "feministische Außenpolitik" nicht zuletzt ein Karrierebooster für ehrgeizige deutsche Diplomatinnen werden dürfte, hatte schon ihr Parteifreund, der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour, im Vorhinein deutlich gemacht. "Es gab in den letzten Jahrzehnten eine massive Reihe von hoch qualifizierten Frauen, die nicht nach vorne gekommen sind, aus strukturell sehr, sehr alten Gründen", sagte er den Sendern RTL und ntv. "Und das wird jetzt aufgebrochen."

Bemerkenswert ist, welche Vorbilder sich Baerbock dabei nimmt. Unter den Ländern, die sich eine feministische Außenpolitik vorgenommen hätten, nannte sie neben Spanien zum Beispiel auch die Mongolei. Und ausdrücklich nannte sie Ruanda, wo mehr als die Hälfte der Parlamentsabgeordneten Frauen sind. Da könne man noch etwas "lernen", sagte sie. Dass Abgeordnete (ob weiblich oder männlich) im von Paul Kagame autoritär (aber ökonomisch ziemlich erfolgreich) regierten Ruanda wohl nicht besonders viel zu entscheiden haben, scheint Baerbock da nicht sehr zu stören.

Wie auch ihre Kabinettskollegin Svenja Schulze, die einerseits von einer "gerechten Gesellschaft weltweit" spricht und dann sofort vom Wasserversorgungssystem in Sambia, bei dessen Anlage mit deutscher Hilfe "Frauen in Entscheidungen eingebunden" gewesen seien, wechselt auch Baerbock immer wieder von universellen Zielen und Ansprüchen überleitungslos in bizarre Details. Feministische Außenpolitik soll offenbar zugleich die ganze Welt retten und Sanitäranlagen den richtigen Platz zuweisen. Es geht aber auch in der anderen Richtung: Aus der nachvollziehbaren Forderung, dass bei Friedensmissionen weibliche Soldatinnen notwendig seien, um Leibesvisitationen bei Frauen zu machen, folgert Baerbock: "Das heißt, ein starker Anteil von Frauen in Armeen erhöht die Sicherheit für eine gesamte Gesellschaft, auch für die Streitkräfte selber." Nach dieser Logik sollte man sich wohl fragen, warum zum Beispiel die Ukraine ihre Armee nicht ganz und gar in Frauenhände legt.


Wie sehr Baerbock bei ihrem Geplapper von einem Thema zum nächsten hüpft, verdeutlicht Knauss, indem er einen Absatz ihrer Rede durchgehend zitiert:

"Was ist mit Hygieneartikeln? Hygieneartikel sind selbst bei uns nicht in jedem Hotel eine Selbstverständlichkeit. Sie waren es lange Zeit zum Beispiel nicht in Flüchlingscamps, weil man nicht mitgedacht hat, dass Frauen nochmal besondere Hygieneartikel brauchen. … Oder wenn wir Dörfer wieder aufbauen, dass es einen großen Unterschied macht, ob Plätze beleuchtet sind, also Zugang zu Elektrizität da ist, weil Frauen im Dunkeln in Gebieten, die ohnehin sehr unsicher sind, nicht alleine sonst vor die Tür gehen könnten. Das klingt alles wie ’ne Banalität. Wir wissen aber aus eigener Erfahrung, dass es auch in Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist, zum Beispiel wenn wir Straßenbahnen bauen, mitzudenken, wenn der Zugang nicht barrierefrei ist, dass das nicht nur Menschen in Rollstühlen ausschließt, sondern auch ältere Menschen, Frauen oder Männer mit Kinderwagen, wenn man ein Fahrrad mit dabei hat. Das unterstreicht, dass der Ansatz des Gender Mainstreamings, das wir in Deutschland ja in allen Politikfeldern haben, in der Außenpolitik auch ein Mehrwert für alle Menschen einer Gesellschaft ist."


Vor diesem Hintergrund zieht Knauss das Fazit:

Die Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland sorgt also tatsächlich im Rahmen ihrer neuen Leitlinien für die Versorgung mit Hygieneartikeln und den barrierefreien Zugang zu Straßenbahnen.


Erstaunlich bleibt, dass kein anderer Journalist Baerbocks Schlenker durch dies und das und das vielleicht auch noch kritisch kommentiert hat. Vermutlich wäre das antifeministisch gewesen. Auch Antifeminismus kann ja, wie wir bei der Debatte um die Meldestelle gesehen haben, alles und nichts zugleich bedeuten.



4. Der Film "Männer. Frauen. Menschen" - eine Dokumentation, die mit männerfeindlichen Klischees aufräumt – kommt ins Kino. Am 31. März wird er ab 21 Uhr im schönen, altehrwürdigen Clubkino Siegmar in Chemnitz gezeigt.



5. Die Post. Mein Leser Tom Todd schreibt mir zu dem gestern auf Genderama verlinkten Interview "Die Frauenbewegung brauchte ein Feindbild":

Je mehr man liest über die Entstehung des Feminismus und auch hierzulande betrachtet, was eigentlich dem innewohnt, desto mehr wird einem klar, dass der Feminismus leider immer (und nicht erst seit der Identitätspolitik, sondern schon im 19. Jahrhundert) im Kern männerfeindlich war und diese Haltung als Impulsgeber brauchte.

Nicht nur Prof. Janice Fiamengo hat dies längst festgestellt, wie in ihrer Reihe dazu nachzulesen ist (hier auf deutsch).

Man braucht sich nur die alte Debatte zwischen Esther Vilar und Alice Schwarzer anzuschauen, um festzustellen, dass die Diskussion damals schon mit den heute noch gängigen Anwürfen vergiftet wurde.

Gleichmütig betrachtet kann man aber auch die Entstehung des Feminismus als nachvollziehbare, etwas unbedarfte Reaktion auf die gewaltigen Herausforderungen der technologischen Fortschritte interpretieren –samt Verbesserungen wie der radikale Rückgang der Säuglingssterblichkeit (1872 noch ca. 25%), Verlängerung des Lebens (Medizin), etc. und deren Konsequenzen für das Leben von Männern und Frauen.




6. Mehr Post. Einer meiner Leser schreibt mir:

Mittwoch (15.2.) und Donnerstag (16.2.) war mein Sohn bei Jugend forscht. Da ich der "Betreuungslehrer" war, durfte ich wieder an der Betreuerkonferenz Mittwochs teilnehmen. Das ist immer lustig. Der einzige Selbstständige unter lauter in der Regel verbeamteten Lehrer. Da kam etwas vor, wo es mir kurzfristig die Sprache verschlagen hat:

Eine Schule hat viel zu viele Schüler für den speziellen Jugend-forscht-Unterricht, die Glücklichen. Also machen sie folgendes (Zahlen ab jetzt erfunden). Nehmen wir an, es interessieren sich 30 Buben und 15 Mädchen für den Jufo-Unterricht. Es sind aber nur 30 Plätze vorhanden. Dann werden ALLE Mädchen genommen und die 15 freien Plätze unter den Buben verlost. Die halten das auch für super gerecht, die Lehrer sind sich keiner Schuld bewusst. Denn Mädchen muss man fördern. Auf meine Frage, WARUM man Mädchen fördern muss, haben alle Lehrer nur verständnislos geguckt.

Ich habe dann denen entgegengehalten, wo ist es gerecht, wenn 15 Jungen einfach rausgekickt werden um unter Umständen weniger begabten Mädchen Platz zu machen. Betretenes Schweigen. Einen Lehrerin von einer anderen Schule verteidigte aber den Sachverhalt, wurde aber von mir recht schnell ruhig gestellt.

Die anderen Lehrer meinten, es sei zu schwierig, Begabungen festzustellen. Gefundenes Fressen für mich. Genau DAS gehört zu den Aufgaben der Lehrer. Von dem mal abgesehen (zweites Argument) muss man sich erst mal der Ungerechtigkeit bewusst werden. Die Abhilfe ist dann eine andere Sache.

Ich habe dann danach relativ lange noch mit einigen Lehrern Einzelgespräche geführt. Die waren durchaus meinen Argumenten offen und sahen dann wohl einiges anders.




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