Das dunkle Erbe von MeToo: Intendant wegen Anstarren gecancelt? – News vom 25. Februar 2022
1. Die Frankfurter Allgemeine berichtet mit Bezug auf einen Artikel der Berliner Zeitung (Bezahlschranke):
In der "Brigitte" wurde er in eine Reihe mit dem übergriffigen Regisseur Dieter Wedel und dem verurteilten Sexualstraftäter Harvey Weinstein gestellt: der Interimsintendant Klaus Dörr, der zwischen 2018 und 2021 die Berliner Volksbühne leitete, bevor er sich undurchsichtigen MeToo-Vorwürfen gegenübersah und seinen Rücktritt erklärte.
Die Öffentlichkeit wertete das damals als Schuldeingeständnis, denn warum sollte einer so schnell abtreten, wenn er keinen Dreck am Stecken hätte. Die "Berliner Zeitung" hat den Fall jetzt noch einmal aufgerollt. Anlass ist die bedrückende Beobachtung, dass der Name Dörr auf dem offiziellen Hauptstadtportal des Landes Berlin gar nicht mehr auftaucht, also "gecancelt" ist. Und das, obwohl die damals von sieben Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Anschuldigungen sich inzwischen offenbar auf ein "Anstarren von Frauen" und einige niveaulose Sprüche beschränken.
Die Frauen zu den Beschwerden ermutigt, so berichtet die "Berliner Zeitung" jetzt, hätte eine Rädelsführerin von "Staub zu Glitzer", jenem Kollektiv, das 2017 öffentlichkeitswirksam die Volksbühne besetzte. Klaus Dörr lehnte in der Folge ein künstlerisches Projekt des Kollektivs ab. Daraufhin nahm sich die selbsternannte "linksradikale Feministin" offenbar den Sturz des Intendanten vor. Auf Instagram gibt sie freimütig Auskunft darüber, wie sie die Frauen zu der Beschwerde gebracht und die Presse mobilisiert hat. Am Ende biss nur die "taz" an - aber das reichte aus, um ihr Ziel - das Ende der "patriarchalen Tyrannei" - zu erreichen.
Die Frankfurter Allgemeine sieht in den Attacken auf Klaus Dörr, der inzwischen keinen Job mehr bekomme, einen "fatalen Reiz-Reaktionsmechanismus, der nicht zwischen ungehörigem Verhalten und schwerwiegendem Missbrauch unterscheidet."
Der Artikel der Berliner Zeitung, auf den die FAZ sich bezieht, ist ausführlicher:
In die Schlagzeilen geriet er erstmals vor einem Jahr, als ihn die Tageszeitung taz als übergriffigen "Sexisten" bezeichnete und die Frage stellte: War der Kultursenator gewarnt? Gewarnt. Als wäre ein Straftäter dem Gefängnis entflohen und bilde eine Gefahr.
(…) Man stutzt schon beim ersten Lesen der taz, die sich der "Aufdeckung" des Falles rühmt, denn der Hauptvorwurf läuft auf angebliches "Anstarren" von Frauen hinaus. Der einzige zitierte fiese Spruch ("... jeder will dich ficken!") fiel – wenn überhaupt – vor sieben Jahren nach viel Wein auf einer Premierenfeier in Stuttgart. Ansonsten stellt die taz vor allem unkonkrete Behauptungen auf wie "enge, intime, körperliche Nähe und Berührungen, erotisierende Bemerkungen", Mobbing, Machtmissbrauch. Was genau ist gemeint? In den Gedächtnisprotokollen der Beschwerdeführerinnen der Volksbühne – es sind sieben, nicht wie kolportiert zehn –, liest es sich so: Klaus Dörr hat einer Frau "die Hand auf die Schulter gelegt", angeblich auch auf ein Bein, es reichte "bis zu Handküssen zur Begrüßung". Die "sexistischen" Begriffe heißen "Maus", "Theatermaus", "Tante"; Machtmissbrauch meint wohl SMS nach Feierabend aufs Privathandy. Eine Schauspielerin will nach einem Gespräch mit Dörr Existenzangst bekommen haben, sie ist 63 und unkündbar, weil länger als 15 Jahre am Haus.
So, und jetzt stellen wir noch mal kurz klar, an was für einem Ort wir uns gerade befinden. An der größten Bühne Berlins mit hochemanzipiertem, 270-köpfigen Ensemble, berühmt für Inszenierungen mit ungenierten Tabubrüchen entlang zivilisatorischer Abgründe? Oder in einem stalinistischen Erziehungsheim, in dem geknechtete Insassen nicht Laut geben dürfen? So angstgeschüttelt, dass sie einfache Sätze nicht sprechen können: Chef, bitte keine Hand auf meine Schulter! Castorf dürfte sich gekugelt haben vor Lachen, als er die Nachrichten von seiner alten Bühne las. Was passierte denn, wenn eine Kollegin verlangte, Dörr möge keine "unangemessenen SMS" senden? Dann, schreibt die taz, hat sich der Intendant entschuldigt und keine Nachricht mehr geschickt. Warum haben das die anderen Frauen nicht gekonnt?
So einen muss nicht jede Kollegin mögen, aber jede kann sich Sprüche verbitten, zur Not über Frauenbeauftragte und Personalräte. Doch die Beschwerdeführerinnen der Volksbühne hielten sich eher an die linksradikale Feministin (Selbstbeschreibung) Sarah Waterfeld. Sie hatte 2017 mit ihrem Kollektiv "Staub zu Glitzer" unter Dercon die Volksbühne besetzt, bis das Haus von der Polizei geräumt wurde.
Auch Dörr lehnte ihr künstlerisches Projekt an der Volksbühne ab. War es ein Racheplan, was nun folgte? Waterfeld rühmt sich heute, acht Monate lang für Dörrs Sturz und das Ende der "patriarchalen Tyrannei" gekämpft zu haben. Erzählt auf Instagram, wie sie die Frauen zu der Beschwerde gebracht und die Presse mobilisiert hat, "Überredungskunst" einsetzen musste. Denn die Frauen wollten partout keine Namen nennen, nicht vor die Kamera, weshalb die Fernsehkollegin absprang. Zuletzt habe Waterfeld, erzählt sie, die taz aktiviert, die dann die läppischen Vorwürfe skandalisierte. Am Tag von Dörrs Rücktritt habe sie eine halbe Stunde lang geweint – vor Glück. Enttäuscht nur, weil die taz ihre, Waterfelds, monatelange Recherchearbeit einfach unerwähnt ließ.
Solche Kräfte bestimmen, was an der Spitze eines Berliner Staatstheaters passiert? Nicht der Kultursenator?
Nun, der hörte sich über Stunden an, was betroffene Frauen vorzutragen hatten und ließ ihre Gedächtnisprotokolle rechtlich prüfen. Fachanwälte bestätigten ihm, dass derart vage, unkonkrete Vorwürfe sicher nicht mal für eine Abmahnung reichten. Monate später konfrontierte der Kulturstaatssekretär den Intendanten mit den Vorwürfen der Mitarbeiterinnen. Aber es gab keinen einzigen Vermittlungsansatz, nicht einen Versuch der Konfliktlösung, nichts. Nach Erscheinen des taz-Artikels ließ Lederer den Intendanten fallen, nahm den Rücktritt an, drei Monate vor Ende der Amtszeit. Spreizte sich im Kulturausschuss, wie er sofort Verantwortung übernommen habe für die betroffenen Frauen.
(…) Der gewesene Volksbühnen-Intendant, der nach jahrzehntelanger untadeliger Arbeit keinen Job mehr bekommt, findet nicht mal mehr Erwähnung auf der Website. Der Mann hat Handküsse auf dem Gewissen! Wobei Klaus Lederer natürlich nicht gerichtet hat. Diesen Part überließ er der radikalen Aktivistin und der skandalisierenden Presse.
So wie an der Volksbühne, bei den Festspielen und wer weiß wo noch. Welche Rolle Recht und Gesetz in der Zukunft spielen könnten, wenn Denunzianten und Moralisten die Hoheit über die Wahrheit übernehmen, wenn sich der Gender-, Sensibilisierungs- und Antidiskriminierungswahn weitere Räume in der Kultur erschließt und "Opfer" kreiert, zeigt die neue Dienstverordnung im Theater an der Parkaue. Die besagt: Es wird unwiderleglich vermutet, dass jemand beleidigt oder diskriminiert wurde, wenn er sich beleidigt oder diskriminiert fühlt. Dann folgt eine Art Strafkatalog.
2. Im Fall der Berichterstattung über den Comedian Luke Mockridge hat das Landgericht Hamburg am Dienstag eine einstweilige Verfügung gegen den "Spiegel" bestätigt:
Das Landgericht Hamburg beurteilte den Spiegel-Report schon im Dezember als unzulässige Verdachtsberichterstattung und untersagte schon zentrale Teile. Auch wenn das öffentliche Interesse an dem Fall hoch sei, habe der Bericht gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung verstoßen, die Persönlichkeitsrechte von Luke Mockridge seien verletzt worden. Gegen die einstweilige Verfügung hatte der Spiegel Widerspruch eingelegt, den das Gericht nun aber zurückgewiesen hat mit dem Hinweis, über bereits eingestellte juristische Verfahren dürfe nur berichtet werden, wenn sich neue Verdachtsmomente ergeben.
Die Süddeutsche Zeitung berichtet.
3. Wie die Bildzeitung meldet, wird die Klage eines Audi-Mitarbeiters gegen die vom Konzern verordnete Gendersprache zugelassen:
Was der Audi-Vorstand im März 2021 als "Vorsprung beginnt im Kopf" anpries, sorgte bei Mitarbeitern nur für Kopfschütteln.
VW-Mitarbeiter Dr. Alexander B. klagte gegen die Audi AG auf Unterlassung, wollte in einem gemeinsamen VW-/Audi-Gremium nicht nach der neuen Gender-Richtlinie angesprochen werden.
Jetzt erlitt der Auto-Riese eine erste Schlappe vor dem Landgericht Ingolstadt. Denn: Das Gericht lässt die Klage bei einem ordentlichen Gericht zu.
Die Audi-Anwälte versuchten, die Klage vor dem Arbeitsgericht auszutragen. Ihre Argumentation: B. unterliege als VW-Mitarbeiter auch den Audi-Gender-Richtlinien.
Kläger-Anwalt Burkhard Benecken: "Es ist beschämend, wie sehr ein angeblich moderner Weltkonzern auf Formalien rumreitet, anstatt zur Sache Stellung zu beziehen."
Kläger B. zu BILD: "Ich bin heilfroh, dass das Gericht für mich entschieden hat. Ich hoffe auf eine baldige Klärung – dieses aufgezwungene Gendersprech macht mich krank."
Unterstützt bei seiner Klage wird er vom "Verein Deutsche Sprache" (VDS). Deren Sprecherin Doro Wilke: "Das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen darf nicht einer sprachlichen Ideologie zum Opfer fallen."
Und was sagt Audi? Ein Sprecher zu BILD: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu laufenden rechtlichen Verfahren nicht äußern. Grundsätzlich gilt, dass Audi eine Organisationskultur pflegen möchte, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt ist. Gendersensible Sprache ist für uns Ausdruck einer sichtbaren, positiven Haltung zu Vielfalt und Chancengleichheit."
4. Aus dem britischen "Guardian" erfährt man:
Die Minister werden es ablehnen, Frauenfeindlichkeit in England und Wales zu einem Hassverbrechen zu machen, und die Abgeordneten auffordern, sich hinter die umstrittene Gesetzgebung zu stellen, die kritisiert wurde, weil sie das Recht auf Protest einschränkt, während die Regierung versucht, wichtige Änderungen am Strafrechtssystem durchzusetzen.
Die Innenministerin Priti Patel wird am Montag in einem Schreiben an die Abgeordneten erklären, dass die Regierung einen Änderungsantrag des Oberhauses ablehnen wird, der eine Ausweitung der Hassverbrechen auf Frauenfeindlichkeit vorsieht.
5. Die britische Daily Mail berichtet über die neuesten Entwicklungen im Bereich Spionage:
Großbritanniens Spione werden aufgefordert, ihr "weißes Privileg" zu überdenken und ihre Pronomen zu deklarieren, während Europa in den Krieg stürzt.
Ein durchgesickerter Leitfaden zur Verbesserung der Vielfalt und Integration in den Sicherheitsdiensten schlägt vor, dass die Agenten geschlechtsspezifische Begriffe wie "manpower" vermeiden sollten.
Den Spionen wird auch von Wörtern wie "stark" und "Griff" abgeraten, die "dominante kulturelle Muster verstärken" können. Und sie werden ermutigt, nicht in rein männlichen Gremien zu sprechen.
(...) Aber eine Regierungsquelle sagte: "Es wird Zeiten geben, in denen unsere Sicherheitsdienste die Feinde, die uns Böses wollen, töten müssen. Eine Kultur, in der 'manpower' beleidigend ist und in der Pronomen und 'Privilegien' propagiert werden, ist weit entfernt von den tödlichen Entscheidungen, die Spione oft treffen müssen."
Das Toolkit zur Vielfalt soll von Beamten des GCHQ, des MI5 und des MI6 sowie des Büros für Sicherheit und Terrorismusbekämpfung im Innenministerium und des nationalen Sicherheitssekretariats gelesen werden.
In dem Dokument lobt eine muslimische Arbeitnehmerin ihren Arbeitgeber dafür, dass er ihr erlaubt, Männern nicht die Hand zu geben, weil dies mit ihren religiösen Vorstellungen von Bescheidenheit übereinstimmt.
Und eine Beamtin des Verteidigungsministeriums behauptet, sie habe sich "gedemütigt" gefühlt, als sie dort zu arbeiten begann, da "neue Mädchen sich ihren Platz im Team erst verdienen mussten". Sie sagte, die 'Arbeitsplatzkultur hat uns im Stich gelassen'.
(...) Sie fordert die Mitarbeiter der nationalen Sicherheit auf, ihre Pronomen anzugeben - sich mit 'he', 'she', 'they' oder etwas anderem anzusprechen -, damit sich transsexuelle Kollegen stärker einbezogen fühlen. "Die Bekanntgabe Ihrer Pronomen, wenn Sie sich damit wohl fühlen, trägt dazu bei, ein Umfeld zu schaffen, in dem dies normal ist. Sie können dies tun, indem Sie Ihre Pronomen in Ihre E-Mail-Signatur einfügen oder sie am Anfang eines Folienpakets mitteilen."
In einem Abschnitt über integrative Sprache heißt es: "Achten Sie bei der nationalen Sicherheit auf Wörter und Ausdrücke wie 'stark' oder 'Griff', die die vorherrschenden kulturellen Muster verstärken. Vermeiden Sie Jargon, Hierarchie oder geschlechtsspezifische Vorurteile."
Hierzulande haben auch nach dem Überfall Putins auf die Ukraine manche Leute ähnliche Prioritäten.
Währenddessen dürfen aufgrund des verhängten Ausnahmezustandes männliche ukrainische Staatsbürger im Alter von 18 bis 60 Jahren das Land nicht verlassen. Man werde sie nicht über die Landesgrenze lassen, teilte der Leiter der ukrainischen Zollbehörde in Lemberg, Danil Menschikow, auf Facebook mit.
<< Home