Dienstag, September 07, 2021

Telepolis sieht Grüne "im Würgegriff einer feministischen Programmatik" – News vom 7. September 2021

1. Während die Grünen auf ihren Wahlplakaten inzwischen verkünden, dass sie "für feministisches Regieren" stehen, ist gestern bei Telepolis der Artikel "Genderkorrektiv" erschienen, der genau das kritisch sieht. Ein Auszug:

Im Lichte dieser Befunde muss man angesichts des deutschen Wahlkampfs konstatieren, dass er von einer Stellvertreterdebatte begleitet wird: landauf landab hat man sich über vergleichsweise kleine Fehltritte, Unstimmigkeiten und Unglaubwürdigkeiten in der Selbstdarstellung der Kanzlerkandidatin echauffiert, weil niemand sich traut, es offen auszusprechen.

"Wir" (wer immer sich angesprochen fühlt) wollen keine "feministische Republik", in der unter Berufung auf einen angeblichen Verfassungsauftrag alle nur irgend lukrativen, komfortablen oder imageträchtigen Posten und Machtpositionen in dieser Gesellschaft nur noch nach Geschlecht statt nach Qualifikation besetzt werden.

"Wir" wollen keine Kanzlerin, die "uns" vorschreibt, wie "wir", unter Missachtung elementarer Regeln der deutschen Grammatik, zu sprechen haben.

"Wir" wollen nicht, dass die täglich umfassender um sich greifende Bevormundung durch die demokratisch nicht legitimierten Gleichstellungskader in Politik, Behörden, Unternehmen, Institutionen und Medien auch noch vom Kanzleramt abgesegnet und flächendeckend durchgesetzt wird.

"Wir" haben es satt, tagaus tagein massenmedial behelligt zu werden mit demselben misandrischen Lügengespinst über angebliche Männerseilschaften in Politik und Wirtschaft (die von keiner erfolgreichen Karrierefrau jemals bestätigt wurden); über einen angeblichen Genderpaygap (der seit spätestens 2016 nicht mehr existiert, man muss nur die Angaben des Bundesamts für Statistik "bereinigen", um auf eine Differenz von 1,4 Prozent zu kommen); über die angebliche Alleinurheberschaft der Männer für häusliche Gewalt (für die der eisern beschwiegene Anteil der Frauen allein im Hellfeld ein Drittel beträgt); über die angeblich allgegenwärtige Rape-Culture (laut Experten mindestens zur Hälfte Falschbeschuldigungen); über den angeblichen Frauenmalus in der Öffentlichkeit (den es offenkundig, siehe den anfänglichen Hype um Baerbock, nicht gibt, im Gegenteil).

Übersetzt in die Sprache politischer Pragmatik: Die Grünen haben es im Wahlkampf (man denke nur an die Kandidatenkür oder die saarländische Landesliste) und in ihrem Wahlprogramm bewiesen: Sie sind entschlossen, der hemmungslosen Bevorzugung von Frauen strategisch die absolute Priorität noch vor dem Klima, den Renten, der sozialen Gerechtigkeit, dem Wohnungsbau, der Verkehrspolitik usw. einzuräumen.

Sie haben sozialpolitisch überhaupt keine andere Agenda als Gendern und Quoten. Ein grün geführtes Kabinett würde schon deshalb vor den anstehenden Problemen versagen, weil es sich im Würgegriff einer feministischen Programmatik an unzähligen Fronten des Widerstands dagegen, wenn nicht aufreiben, so doch mindestens verzetteln wird.


Daniele Dell’Agli, der Verfasser dieses Beitrags, schreibt mir dazu: "In meinem Essay steht manches, was ich so pointensicher, weil von umfangreichem Hintergrundwissen gedeckt, ohne die Lektüre von Genderama nicht hätte formulieren können."

Es freut mich sehr, wenn mein Blog zu einer offenen und gleichberechtigten Debatte beitragen kann.



2. Die deutschen Leitmedien haben seit über zehn Jahren vergessen, dass es eine Jungenkrise in unserem Erziehungssystem gibt. Das Wall Street Journal hingegen macht das zum Thema in einem Artikel mit der Schlagzeile "A Generation of American Men Give Up on College: ‘I Just Feel Lost’". In dem Beitrag, der hinter einer Bezahlschranke verborgen ist, heißt es:

Die Zahl der Männer, die ein Hochschulstudium abbrechen, ist so groß, dass sie die Zahl der weiblichen Studenten in Rekordhöhe übertrifft.

(...) In den nächsten Jahren werden auf jeden Mann zwei Frauen kommen, die einen Hochschulabschluss erwerben, wenn der Trend anhält, so Douglas Shapiro, Geschäftsführer des Forschungszentrums des National Student Clearinghouse. Eine Umkehr ist nicht in Sicht.

(...) Amerikanische Colleges, die in Debatten über "Rassen"- und Geschlechtergleichheit verwickelt sind und an Möglichkeiten arbeiten, sexuelle Übergriffe und Belästigungen von Frauen auf dem Campus zu reduzieren, müssen noch einen Konsens darüber finden, wie der Rückzug der Männer aus der Hochschulbildung verlangsamt werden kann. Einige Schulen versuchen im Stillen, mehr Männer zu immatrikulieren, aber auf dem Campus gibt es kaum Unterstützung für die Bereitstellung von Mitteln zur Förderung der Teilnahme und Bindung von Männern.

(...) Keine Hochschule möchte das Thema unter dem Licht der Geschlechterpolitik angehen, sagte Frau Delahunty, die Beraterin für Immatrikulation. Die gängige Meinung an den Universitäten sei, dass "Männer mehr Geld verdienen, Männer höhere Positionen bekleiden, warum sollten wir ihnen einen kleinen Schubs von der High School zum College geben?"

Doch es steht zu viel auf dem Spiel, um es zu ignorieren. "Wenn man sich um unsere Gesellschaft kümmert, erstens, und zweitens, wenn man sich um die Frauen kümmert, muss man sich auch um die Jungen kümmern. Wenn Männer und Frauen gleich gut ausgebildet sind, wird die Gesellschaft besser, und das gilt auch für die Frauen."

(...) Im Laufe ihres Arbeitslebens verdienen amerikanische College-Absolventen mehr als eine Million Dollar mehr als diejenigen, die nur einen High-School-Abschluss haben, und ein Universitätsdiplom ist für viele Stellen sowie für die meisten Berufe, technischen Arbeiten und einflussreichen Positionen erforderlich.

(...) Studentinnen in den USA profitieren von einem Unterstützungssystem, das schon vor Jahrzehnten eingerichtet wurde, als Frauen noch darum kämpften, auf dem College-Campus Fuß zu fassen. Landesweit gibt es mehr als 500 Frauenzentren an Schulen. Die meisten Zentren beherbergen Clubs und Organisationen, die sich für den Erfolg von Studentinnen einsetzen.

Laut W.H. "Butch" Oxendine, Jr., Exekutivdirektor der American Student Government Association, sind junge Frauen sehr daran interessiert, eine Führungsrolle zu übernehmen, wobei sie im akademischen Jahr 2019-20 59 % der Präsidenten der Studentenschaft und 74 % der Vizepräsidenten der Studentenschaft gestellt haben.

"In allen Arten von Institutionen, insbesondere in den zweijährigen Institutionen, aber auch in den öffentlichen und privaten vierjährigen Institutionen, dominieren Frauen die Vorstände der Studentenregierung", sagte Oxendine.

(...) Junge Männer bekommen wenig Hilfe, zum Teil, weil die Schulen sich auf die Förderung von historisch unterrepräsentierten Studenten konzentrieren. Jerlando Jackson, Lehrstuhlinhaber für Education Leadership and Policy Analysis an der School of Education der University of Wisconsin, berichtet, dass nur wenige Universitäten bereit waren, begrenzte Mittel für die Bekämpfung männlicher Leistungsschwächen auszugeben, die auch weißen Männern zugute kämen, und dass sie sich damit der Kritik aussetzten, diejenigen zu unterstützen, die in der Vergangenheit die größten Bildungsvorteile hatten.

"Als Land haben wir noch nicht die Mittel, um weißen Männern zu helfen, die Hilfe brauchen", sagte Dr. Jackson. "Es ist schwer, in einer Zeit zu leben, in der es Gruppen von weißen Männern gibt, die durch die Maschen fallen."

Keith E. Smith, ein Berater für psychische Gesundheit und Koordinator für Männer an der Universität von Vermont, sagte, dass er, als er 2006 seine Arbeit an der Schule aufnahm, feststellte, dass Männer viel eher mit Konsequenzen für den Ärger rechnen mussten, den sie unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol verursachten.

Im Jahr 2008 schlug Smith ein Männerzentrum vor, um männlichen Studenten zum Erfolg zu verhelfen. Der Vorschlag wurde von Frauen kritisiert, die fragten: "Warum sollten Sie der privilegiertesten Gruppe auf dem Campus mehr Mittel zur Verfügung stellen?"

Die Mittel wurden nicht bewilligt, und das Zentrum wurde nie gebaut.




3. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir zu dem Blogbeitrag von gestern, "Warum sind so wenige Psychotherapeuten Männer?"

Vorweg zu mir: Ich habe in den 1990ern in Deutschland Psychologie auf Diplom studiert, das Vordiplom gemacht und dann noch alle nötigen Scheine fürs Diplom-Hauptstudium gemacht, habe aber nicht die Prüfungen abgelegt. Dass 80 % der Psychologiestudenten im Grundstudium Frauen waren, würde ich glattweg bestreiten – als Mann war man einfach eine Ausnahmeerscheinung. Und Mitstudentinnen lästerten, die wenigen Männern wären zudem fast immer schwul. Sie werden es gründlich wissen, denn diese wenige Männer waren ihr Jagdgebiet.

Das Grundstudium war interessant und im Hauptstudium waren die Vorlesungen für mich interessant. Wonach ich suchte, war nämlich der Forschungs-Zugang zur Psyche. Ich war zunächst von der Psychoanalyse begeistert, merkte aber im und durch das Studium, dass man damit einfach nicht weiterkommt. Deshalb interessierten mich die Forschungsmethoden zunehmend mehr. Also: Wie komme ich zu halbwegs zuverlässiger Erkenntnis? Wieso behauptet jemand Dieses oder Jenes? Womit belegt er seine Behauptung? Ich wollte quasi den Schlüssel zu eigener Erkenntnisgewinnung in die Hand bekommen. Das Grundstudium war dazu ziemlich gut geeignet und machte Spaß.

Aber die Seminare im Hauptstudium kotzten mich im Gegensatz zu den guten Vorlesungen zunehmend an. Ich hatte am Ende völlig die Lust verloren. Die Seminare waren ein einziges endloses Gelabere, wo man sich jedesmal fragte, wozu man überhaupt hingegangen war, was der Gewinn war. Ich hakte die nur noch wegen der Scheine ab.

Zum einen war das Problem, dass wir meist eine große Anzahl fachfremder Studenten in den Seminaren hatten, am nervendsten die oft hochpolitisierten Soziologen, die in einem fort grundlegendste Axiome der wissenschaftlichen Psychologie in Frage stellten und einem schlicht die Zeit stahlen. Und dann litt natürlich auch die Empirie extrem darunter. Typisches Beispiel war, mal eben mit einem anekdotisches Einzelbeispiel wiederlegen zu wollen, was ein ganzes Forscherteam nach Jahren sauberer Forschungsarbeit vorgelegt hatte. Und diese Typen klauten einem schlicht wirklich die Plätze im Seminar und vor allem in den Referatsgruppen, wo man einen Schein ergattern konnte.

Bei den Frauen war das eher so, dass sie sich schlicht für andere Sachen interessierten, also quasi die Nachfrage das Angebot stark beeinflusste. Zum Beispiel in ein Kindertherapieprojekt kamst du als Mann nicht einmal in die Nähe, weil Frauen sich richtig (!) kümmerten – so viel Motivation bringst du da als Mann gar nicht auf. Etwas weniger, aber ähnlich, war das (im Diplom-Studium, ich rede nicht von der nachfolgenden Therapieausbildung) bei allen Seminaren, die direkt das Thema Therapie behandeln. Die Frauen kämpften darum, da reinzukommen, weil es das war, was sie wirklich interessierte. Da hast du als Mann dann halt einfach gesagt, mache ich was anderes, wenn es kein Pflichtschein war.

So sortierten sich die Richtungen anders – Männer eher in die Forschung, Arbeit, Wirtschaft o.ä., die Frauen tendenziell eher in die Therapie.

Echte Männerhasser gab es in den 1990ern noch nicht so offen, aber es gab Einzelseminare, wo einem vorher schon zugeraunt wurde, dass man da besser nicht hinging. Im "Frauentutorium" warst du noch nicht einmal als heterosexuelle Frau ohne Konversionspotential erwünscht und bei bestimmten anderen Seminaren wurde das so geregelt wie bei Kampfhunden: Nach vorne freundlich gelächelt, man hat dich ausreden lassen, dann eine lange Pause gemacht und dann über ein völlig anderes Thema weitergeredet, ohne auf dich einzugehen. Diese Kandidaten kannte man aber, und es waren meist Frauen, die einen lachend und augenverdrehend vor solchen Seminaren warnten. Und eine Gendertante hatten wir damals schon; da war man als Mann zugelassen, aber es war halt nur für die hochreligiösen Fans dieser wenig empiriefreundlichen Glaubens- und Betgemeinschaft.

Es wurde halt einfach zu langweilig. Den Schlüssel zur Forschung (und damit der Literatur) hatte ich, das Gelabere brachte mir nichts mehr, also ging ich. So einfach. Das Studium war Mittel zum Zweck der Erkenntnis gewesen.

Eine Freundin dagegen wollte schon immer Therapeutin werden. Das Studium war für sie eher notwendiges Mittel, eine Therapieausbildung anfangen zu dürfen. Eine weitere Freundin machte das mit Auswendiglernen sogar im extremen Expresstempo, weil das Studium sogar nur lästiges Hindernis auf diesem Weg war. Die Therapie, diese Therapiegespräche, das war und ist wirklich deren Ziel deren ganz großer Wunsch.

Ich kann aus meinem Studium dieses Gleichstellungs-Paradoxon, wie es der Norweger Harald Eia in seiner TV-Doku so gut auf den Punkt gebracht hatte, zumindest für den Beruf des Psychologen, 100%-ig bestätigen. Mich selbst würde man vielleicht mit viel Überzeugung wegen der Notwendigkeit dazu bringen können, einen Tag in der Woche Therapien zu machen, aber das wäre nicht eigener Antrieb. Und ähnlich wird es den meisten Männern gehen. Aber ich muss ein gutes Wort für die Psychotherapeutinnen einlegen: Es kommt immer drauf an, auf wen man trifft. Es gibt probatorische Sitzungen, wo man gucken kann, ob man zueinander passt. Das sollte man nutzen. Und die meisten sind gute Profis, die auch Männergeheimnisse gut kennen und damit täglich umgehen. Den Rest muss man eben erklären. Aber sich zu erklären, ist ja ein wichtiges Ding in der Therapiesitzung. Ohne sich zu öffnen, kann man keine Therapie machen. Und der Job der Therapeutin (des Therapeuten) ist dann, DEINE Partei zu ergreifen, DEINE Sicht zu verstehen, DEINE Wege zu finden, - also eben gerade nicht, dich irgendwohin zu erziehen. Das ist der Unterschied zum Pädagogen oder wem auch immer.

Finger weglassen würde ich aber von allen Therapeuten, die auf ihrem Schriftmaterial oder gar mündlich gendern und so weiter. So etwas ist, wie religiöse und politische Bekenntnisse irgendwelcher Art, Gift in der Therapie. Wer das als Therapeut in die Therapie einbringt, ohne es vorher groß an die Tür geschrieben zu haben (quasi als Ausschlussgrund für Außenstehende ihrer Religion), von dem sollte man stets die Finger lassen, denn dieser Therapeut wird nicht sauber versuchen, dich zu verstehen, sondern dich zu erziehen. Leider ist es so, dass solche Leute in den letzten Jahren zunehmend in den Psychotherapeutenkammern der Länder an Einfluss gewinnen.




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