Montag, Mai 03, 2021

Auch an Schweizer Hochschulen Vorschriften für gendergerechte Sprache – News vom 3. Mai 2021

1. Die Schweizer Zeitung "20 Minuten" berichtet über die Debatte zum Zwang zum Gendern an den Universitäten:

Dass Unis Studierenden, die nicht korrekt gendern, Punkte abziehen, begrüsst SP-Nationalrätin Tamara Funiciello. Dass Dozierende vermehrt auch die Sprache in die Bewertung von Arbeiten einfliessen lassen, sei zu hoffen. Den Kritikerinnen und Kritikern sagt sie: "Mich regt diese Weinerlichkeit auf. ‘Oh nein, ich muss gendergerecht schreiben!’ Wenn jemand Abzug erhält, weil er oder sie sich nicht an die Richtlinien der Uni hält, so what?", findet Funiciello.

(…) SVP-Bildungspolitikerin Nadja Umbricht Pieren bezeichnet die Gender-Leitfäden der Unis hingegen als "peinlichen Gugus [Blödsinn]." Dass jetzt sogar noch gegenderte Sprache als Bewertungskriterium verwendet werde, dafür hat sie kein Verständnis: "Wenn sich jemand diskriminiert fühlt, dann ist das deren Problem. Nicht das der Gesellschaft." Auch dass Studierende "harter Fächer" wie Naturwissenschaftler sich das Gendern aneignen sollen, findet sie überflüssig. "Wenn nur die männliche oder weibliche Form verwendet wird, ändert das nichts am Inhalt der Arbeit." Es sei Gang und Gäbe, eine Form zu verwenden und darauf zu verweisen, dass diese für beide Geschlechter gelte. Grammatikalisch sei gendergerechte Sprache ebenfalls unschön und eine "schiere Erfindung".

Umbricht Pieren will sich und anderen das Leben nicht unnötig schwer machen: "Wer so schreiben will, soll das tun. Aber Vorschriften darüber finde ich lächerlich. Dozierende, die deshalb Abzug geben, finde ich problematisch. Wenn ich einen Text schreibe, versteht man den auch ohne Gendersternchen." Um das Thema werde aktuell viel Wind gemacht, geholfen sei damit jedoch niemandem. "Die Dinge so zu verkomplizieren, ist nicht sachdienlich. Es gibt genügend wichtigere Probleme, um die man sich kümmern muss."




2. In Österreich ist vor einigen Wochen das Buch "Der Eisberg des Gender Gap" erschienen – verfasst von Klaus Podirsky, der dieses Jahr die wegen der Corona-Pandemie verschobene Twogether-Konferenz ausrichten wird. Das Buch ergänzt die Liste der drei breit diskutierten Gender Gaps zu Lasten von Frauen (Gender Pay Gap, Gender Pension Gap und Gender Care Gap) um 50 Gender Gaps, die zu Lasten von Männern gehen und deshalb in den Leitmedien kaum oder gar nicht diskutiert werden. So wird das Buch auf den gängigen Plattformen wie Amazon und Thalia vorgestellt:

Entscheidend für den Autor war es, seine Erfahrungen und Forschungen anhand aktueller Daten zu fundieren und anschaulich zu machen.

Frauen stärken / Männer stärken, ein Widerspruch? - Nicht für den Autor, Klaus Podirsky. Für ihn gilt es, neue Wege zu beschreiten, um Verständnis und Empathie zwischen den Geschlechtern zu säen. Der Autor liefert auf Basis der Forschungen zum "Gender-Gap-Eisberg" Inspirationen dafür, überkommene gesellschaftliche Tabus zu wandeln, aber auch Männern, Vätern und Jungs entsprechende Wertschätzung und Fairness entgegenzubringen. Sein Credo: "Es gibt nur ein Boot!"

Da die aktuelle Gender-Politik - inklusive ihrer Förderungen - bislang nahezu ausschließlich auf die Bedürfnisse und Nöte von Frauen, Müttern und Mädchen fokussiert, widmet sich der Autor in seiner Erforschung des "Gender-Gap-Eisbergs" im Ausgleich dazu den zumeist verborgenen Belangen von Jungen, Männern und Vätern. Das Buch ist mehr als nur ein argumentatives Fundament, das im kollektiven Bewusstsein solche tiefer gründenden Lebensaspekte der Geschlechter sichtbar macht: Es ist das Fundament für ein neues und gesundendes Verständnis zwischen ihnen - ein Brückenschlag.

Podirsky sagt: "Der Feminismus hat uns vorgemacht, wie man das andere Geschlecht wirklich empathisch erreichen kann um Wandlung zu bewirken. Nachhaltige Geschlechtergerechtigkeit braucht nun eine zweite Welle im Fairness-Diskurs. Rivalität war gestern. Nun sind Versöhnung und 'Vertöchterung' angesagt!"


Das Buch dürfte natürlich nicht nur aber vor allem für Leser aus Österreich interessant sein, da darin wesentlich mehr Zahlen und Daten enthalten sind als zum Beispiel in meinen eigenen Veröffentlichungen.



3. In wenigen Tagen erscheint zudem das akademische Fachbuch "Perspectives on Male Psychology". In einer Rezension des britischen Psychologen Richard Bradford heißt es:

Es ist wichtig, nicht nur, weil es eine dringend benötigte "Fibel" zur männlichen Psychologie darstellt, sondern weil es eine Chance bietet, eine neue Ära in der Psychologie zu beginnen. Es hat keinen Sinn, sich zu verstellen, und das Buch selbst tut das auch nicht. Psychologie ist von Natur aus persönlich, und als das Persönliche politisch wurde, wurde es auch die Psychologie. Das Ethos, für das die Autoren werben, ist, dass Wissenschaft als empirisch fundierte Disziplin keine Politik ist, und so ist männliche Psychologie, wenn sie eine Wissenschaft sein soll, keine Geschlechterpolitik. Dass das Buch umstritten sein wird, ist unvermeidlich, aber der Grund liegt nicht im Buch selbst, sondern im vorherrschenden akademischen Umfeld. Man kann den Autoren dazu gratulieren, dass sie sich diesen Aussichten mutig stellen.

Das Buch ist ein Grundkurs in männlicher Psychologie - oder es wäre es, wenn Studiengänge über männliche Psychologie die Norm wären. Das sind sie aber nicht. In Großbritannien gibt es derzeit nur einen solchen Kurs, an der Universität Sunderland, der von Dr. Rebecca Owens unterrichtet wird. Aber "Perspectives" bietet ideales Material für ähnliche Einführungskurse, die in Psychologie-Studiengänge integriert werden können.

Das Buch ist als erster Teil einer Reihe gedacht, die weiteren Bände werden sich auf speziellere Gebiete konzentrieren. "Perspectives" ist jedoch extrem breit angelegt. Nach einer Erläuterung der Ziele und der Ausrichtung der männlichen Psychologie wird der Rahmen mit einer kurzen Diskussion über die Gefahren der Erforschung von Geschlechtsunterschieden abgesteckt. Der Hauptteil des Buches befasst sich systematisch mit einer breiten Palette von Themen im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die männliche Psychologie - oder die Auswirkungen der männlichen Psychologie auf sie - einschließlich der Entwicklung von Kindern, Erziehung, Sport, Arbeit, Kriminalität, den Streitkräften und der körperlichen und geistigen Gesundheit. Darauf folgt ein Kapitel über Männlichkeit (zum Glück im Singular und nicht im Plural).

Das Buch ist gut strukturiert und in relativ kurze Abschnitte gegliedert, so dass es leicht ist, sich schnell zurechtzufinden. Die Verwendung von Textboxen zur Hervorhebung bestimmter Themen ist ebenfalls eine Hilfe für die Zugänglichkeit. Ebenso werden Fachbegriffe im Allgemeinen dort definiert, wo sie auftauchen. An wichtigen Stellen verweisen die Autoren auf das abschließende Kapitel, in dem einige gute Ratschläge und allgemeine Themen aus dem Gesamtthema herausdestilliert werden. Kurz gesagt, das Buch ist ideal als Einführung auf einem Niveau, das für Studenten und die allgemeine Öffentlichkeit leicht zu lesen ist.

Besonders gefreut hat mich die Diskussion über die Auswirkungen auf Jungen, die in einer Kultur aufwachsen, in der Männlichkeit allgegenwärtig negativ dargestellt wird. Dass dieselben Meinungsmacher, die so sensibel auf die Schäden von Geschlechterstereotypen in einem Kontext reagieren, selbst negative Stereotype in einem anderen Kontext geschaffen und gefördert haben, ist einer der Gründe, warum dieses Buch so dringend gebraucht wird.

Vielleicht ist es ein Kennzeichen eines gelungenen Buches, dass man angeregt wird, an zusätzliche Themen zu denken, die man hätte aufnehmen können. Praktisch jedes Unterkapitel könnte jedoch auf die Länge einer großen akademischen Publikation ausgeweitet werden, mit dem Zusatz von fünfzig Referenzen, wo nur eine oder zwei verwendet werden. Aber einzelne Themen mit zu vielen Details zu belasten, würde den Zweck des Buches verfehlen, den es in der tatsächlich gewählten Form erfolgreich erreicht. Daher fällt es mir schwer, Gründe für Kritik zu finden, was für einen Rezensenten eine unbequeme Position ist. In diesem Sinne biete ich ein paar Beobachtungen an, von denen keine das Buch wesentlich beeinträchtigt.

Im Zusammenhang mit der Bildung erwähnt das Buch die Voreingenommenheit bei der Beurteilung von Jungen und führt Beweise aus Israel und Frankreich an. Tatsächlich gibt es ähnliche Beweise in Großbritannien, obwohl ich bezweifle, dass sie in den akademischen Fachzeitschriften veröffentlicht worden sind. Diese Tatsache ist an sich schon ein Grund zur Sorge.

Im Kapitel über Kriminalität ist ein kausaler Faktor, der nicht diskutiert wird, der IQ. Unsere Gefängnisse sind nicht voll von Menschen mit hoher Intelligenz. In einer zunehmend technologiegetriebenen Welt ist es für weniger intellektuell Begabte immer schwieriger geworden, eine Erwerbsarbeit zu finden. Und Männer haben eine größere IQ-Varianz als Frauen, also gibt es mehr Männer mit besonders niedrigem IQ. Das Übergewicht von Männern in Gefängnissen, die in der Vergangenheit von der Schule ausgeschlossen wurden, hängt zweifellos damit zusammen. Hinzu kommt, dass es für Männer wichtig ist, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, und die Frustration, dies nicht auf legalem Wege tun zu können, fördert (so vermutet man) wahrscheinlich die Kriminalität.

Es war gut zu sehen, dass über Veteranen diskutiert wurde. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass es nicht nur direkte psychische Erkrankungen sind, unter denen sie gemeinhin leiden. So wichtig das Problem einer posttraumatischen Belastungsstörung auch ist, es kann behandelt werden, wenn der Mann Hilfe sucht. Was sich in der Praxis als hartnäckigeres Problem erweist, ist der Kontakt von Veteranen zu ihren Kindern, denn die Trennung von Partnern ist unter Veteranen überproportional häufig - vielleicht als Folge ihres psychischen Zustands. So schafft ein Problem das andere.

Das vielleicht wichtigste Thema, das in dem Buch erwähnt wird, ist, dass Frauen im Zusammenhang mit dem Geschlecht zu einer In-Group-Präferenz neigen, während Männer eine stärkere Out-Group- als In-Group-Präferenz haben. Dies ist wohl eine Ursache für viele Missverständnisse. Es ist eine besonders wichtige Beobachtung, deren Implikationen für unsere sich verändernde Gesellschaft noch nicht erfasst worden sind. Frauen dominieren als Dozenten im tertiären Bildungsbereich in den "menschenorientierten" Fächern, die auch stark von weiblichen Studenten dominiert werden. Folglich dominieren Frauen als Fachkräfte in Bereichen wie dem Unterricht, der psychischen und physischen Gesundheit, der Sozialarbeit und den Diensten für häusliche Gewalt, wobei die beiden letztgenannten Bereiche nach einer Trennung der Eltern von zentraler Bedeutung sind und daher Väter ebenso wie Mütter betreffen. Die Auswirkungen einer Bevorzugung von Geschlechtergruppen sollten besorgniserregend sein, sind es aber derzeit nicht, gerade weil sie als "richtig und angemessen" empfunden werden.

Dass das Buch zu Gedanken wie den oben genannten anregt, ist ein Maß für seinen Erfolg, denn das ist sicherlich eines seiner Hauptziele. Das Buch ist ein hervorragender Einstieg in die Literatur über ein sehr breites Spektrum von Themen. Aber noch wichtiger ist, dass es den Leser dazu anregt, tiefer darüber nachzudenken, was sich hinter den vielen Phänomenen der männlichen Psychologie verbirgt, deren Behandlung derzeit entweder vernachlässigt oder nicht überzeugend ist. Als solches ist es ein idealer Text für das Grundstudium der Psychologie, aber auch für ein allgemeines Publikum geeignet.


Dieses Buch dürfte dazu beitragen, dass sich wissenschaftlich bedeutsame Erkenntnisse der Männerrechtsbewegung (Maskulismus), die bislang noch häufig abgelehnt werden, weil sie nicht primär der Hilfe und Förderung von Frauen dienen, weiter im akademischen Bereich verankern können.



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