Mittwoch, Oktober 07, 2020

Geheimes Gutachten zeigt Ausmaß von Giffeys Täuschungen – News vom 7. Oktober 2020

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205 Seiten, mindestens 27 Plagiate: Ein zuvor geheimes Gutachten der FU Berlin beschreibt detailliert, wie Familienministerin Franziska Giffey bei ihrer Dissertation geschummelt hat. Studenten sind empört.


Hier geht es weiter.

Frauenministerin Giffey (SPD) dürfte nicht begeistert sein über diesen Artikel: Da wird aus "Studierenden" einfach so wieder "Studenten" gemacht. Im Verlauf des Beitrags wird das immerhin besser:

Details zu den beanstandeten Textstellen in Giffeys Arbeit nannte die Universität damals nicht. Das hat nun der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der FU übernommen – und das zuvor geheime Dokument an die Öffentlichkeit gebracht. (...) In dem Dokument wird klar, dass Giffey bei mindestens 27 Textstellen vorsätzlich getäuscht hat: Fünf Mal übernahm Giffey in der Arbeit ganze Sätze aus anderen Arbeiten, ohne sie als Zitat zu kennzeichnen und die Quelle zu nennen. An weiteren 22 Stellen wurden "deutliche Textübernahmen oder Paraphrasen ausgemacht, bei denen keine Quelle genannt wurde", heißt es in dem Gutachten. In diesen Passagen sei "der Tatbestand der objektiven Täuschung" erfüllt, so die Prüfer der Universität weiter. Weitere 29 geringfügige Mängel listet das Gutachten ebenfalls auf. Hier waren Zitate erst spät genannt oder geringfügige wörtliche Übernahmen nachgewiesen worden. Für die Uni Bagatellen.

"Studierende fallen durch Prüfungen, weil sie zwei Zitatangaben vergessen haben", sagt Anna Müller, Referentin im AStA der FU. Andere Politiker hätten bereits bei deutlich geringeren Vergehen ihren Doktortitel abgeben müssen. "Wir sehen hier keinerlei Verhältnismäßigkeit, sondern politisches Kalkül der FU-Führung", so Müller weiter. Familienministerin Giffey strebt in den Berliner Senat und will 2021 Regierende Bürgermeisterin in der Bundeshauptstadt werden.


Viele andere Medien greifen die aktuellen Enthüllungen über die Betrügerin Giffey auf, so neben diversen Berliner Blättern etwa auch "Focus", "Bild" und "taz".



2. "Studie: Jedes 8. Sexualdelikt vorgetäuscht - kaum Strafen für Falschbeschuldiger" titelt der "Focus". In dem Artikel heißt es:

Das Institut für Rechtsmedizin in Essen hat rund 100 Ermittlungsverfahren zu Sexualdelikten ausgewertet. Eines der überraschendsten Ergebnisse: In 12 Prozent der untersuchten Fälle hatten die "Opfer" eine Sexualstraftat nur vorgetäuscht.

(…) Studienautor Kurt Trübner sagte zu FOCUS Online: "Das bestätigt unsere Erfahrungen, wonach sich in 10 bis 15 Prozent solcher Delikte die angeblichen Opfer ihre Verletzungen selbst zugefügt haben und unschuldige Personen der Tat bezichtigen. Aber gerade daran zeigt sich, wie wichtig rechtsmedizinische Untersuchungen für die Aufklärung solcher Fälle sind."

(…) Von den elf angeblichen Opfern, die eine Sex-Straftat nur vorgetäuscht hatten, wurden lediglich fünf (45 Prozent) strafrechtlich verfolgt, und nur in zwei Fällen (18 Prozent) kam es zu einer Verurteilung wegen Vortäuschens einer Straftat. In einem Fall sprach das Gericht eine Geldstrafe aus, in dem anderen Fall verhängte es eine Arbeitsauflage.

Zu den 57 angeklagten Sexualstraftaten, bei denen es zu Strafprozessen kam, lagen den Studienautoren insgesamt 53 Gerichtsurteile vor (in vier Fällen standen die Urteile zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch aus). Auch hier sind die Ergebnisse aufschlussreich.

Von den 53 Angeklagten wurden zehn freigesprochen (rund 19 Prozent), elf kamen mit Bewährung davon (rund 21 Prozent), einer wurde zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt.

Immerhin 31 Angeklagte (rund 59 Prozent) wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Haftdauer betrug in der Regel zwei bis fünf Jahre, die Maximalstrafe lag bei 13 Jahren und sechs Monaten. In drei Fällen wurden die Täter außerdem zu anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.


Bisherige Studien zeigen eine große Bandbreite, was die Häufigkeit von Falschbeschuldigungen betrifft – oft deutlich über zwölf Prozent hinaus.



3. Das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels berichtet über den Ankauf von Pauline Harmanges Aufrufs zum Männerhass durch den deutschen Rowohlt-Verlag:

Harmange appelliere "offenherzig, provokativ und nicht ohne Witz" an alle Frauen, "sich nicht mehr darum zu scheren, was eine männerdominierte Umwelt ihnen entgegenbringt", heißt es im Klappentext zum Buch bei Rowohlt. Ihr Buch sei eine Aufforderung zum Umdenken: "Frauen sollten das Recht haben, Männer abzulehnen und ihnen misstrauisch zu begegnen." Denn dieser Perspektivwechsel könne "ein emanzipatorischer und freudvoller Umgang mit einer Welt sein, die noch immer von Ungleichheiten in den Geschlechterbeziehungen geprägt ist".

Bei Rowohlt freut man sich schon auf die Debatte. "Aufsehenerregend und beinahe ironisch, dass da ein französischer Regierungsmitarbeiter die wütende, ausnahmsweise nicht nivellierende Schrift einer Autorin verbieten wollte. Und es bleibt spannend, wenn sich auch hierzulande abzeichnet, dass über die Tatsache, dass Misandrie und Misogynie eben nicht miteinander zu vergleichen sind, noch mal gesprochen werden muss. Wenn ein Buch vermag, eine solche Debatte anzustoßen, kann das nur gut sein", so Rowohlt-Lektorin Ricarda Saul in einem Statement für das Börsenblatt.




4. Die "Hart-aber-fair"-Talkshow vom Montag führte gestern zu Schlagzeilen wie "Der alte weiße Mann ist eine Dreifach-Diskriminierung" (siehe auch hier). Der Kölner "Express" berichtet über die Sendung:

Jan Weiler berichtete von einem Vorfall, der aufzeigt, wie kurios und skurril derlei Sprachversuche mitunter werden können. Er erzählte Plasberg von einem Bekannten, der ihm seinen Sohn aus der Kita abholen wollte. Und als er das Wort "Junge" sagte, sei er sofort von der Erzieherin belehrt worden, dass das nicht Junge sondern "Kind mit Penis" hieße.

Plasberg war völlig verdutzt. "Das denken sie sich doch aus", entgegnete der Moderator. Weiler aber beteuerte, die Geschichte sei echt. Weiler selbst kritisiert derlei Sprach-Tabus. Gendern sei "total übergriffig", meint er, und frauenverachtend.

Denn spezielle gendergerechte Sprache – wie etwa das umstrittene Gendersternchn – würde betonen, dass Frauen schwach seien. Zudem kreiere die Genderdebatte nur Widerstand und Widersprüche. "RAF-Manifest", so nannte der Kolumnist Texte, die gegendert seien. Nicht die unschuldige Sprache müsse entdiskriminiert werden, sondern "die Diskriminierten müssen von Diskriminierung befreit werden".

Die Feministin Stefanie Lohaus ist da völlig anderer Meinung. Die Herausgeberin eines feministischen Magazins wisse "aus Geschichte und Hirnforschung": "Vor der Gewalt kommt immer die Sprache", diese sei also alles andere als – wie von Weiler proklamiert – unschuldig.


Wäre ich Gast dieser Talkrunde gewesen, hätte ich in aller Höflichkeit darauf hingewiesen, dass dieselbe Stefanie Lohaus unbekümmert Statements veröffentlicht wie "Der einzige sinnvolle Twittertrend momentan: #MenAreTrash" und dass in dem von ihr herausgegebenen Missy-Magazin entsprechende Texte erscheinen. Ich hätte auch deutlich gemacht, dass ich gegen die Zensur solcher Texte bin, weil ich nämlich gerne wüsste, mit wem ich es bei meinem Gesprächspartner zu tun habe. Das hätte auch gleich eine völlig andere Gesprächsbasis in dieser Runde gegeben – so von Müll zu Mensch.

Vermutlich ist genau das einer der Gründe, warum mich die Redaktionen von Talkshows erst gar nicht einladen. Ich würde das schönste Framing kaputtmachen.



5. Lucas Schoppe beschäftigt sich in seinem aktuellen Beitrag "Für Gerechtigkeit die Klappe halten" mit dem Dossier "Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer". Ein Auszug:

Meine Mutter war eine ganze Weile ebenso aktiv in der SPD wie mein Vater. Wir haben noch einen alten Wahlkampfflyer der SPD, der weithin verteilt worden war und der ganz daraus bestand, dass sie neben einem seitenfüllenden Foto von ihr erzählt, warum sie SPD wählt. In den Siebziger Jahren wollte sie dann frauenpolitisch in der SPD arbeiten und ging zu Treffen der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen.

Sie wird heute immer noch wütend, wenn sie von dem erzählt, was sie da erlebte. Die offene Verachtung für Männer, der demonstrative Ekel vor ihnen, ständige "Männer-sind-Schweine"-Sprüche – aus ihrer Sicht war die Atmosphäre so primitiv und aggressiv, dass sie nach wenigen Treffen niemals wieder dabei war.

Sie baute dann stattdessen mit ein paar Freundinnen eine ökumenische Frauenarbeit der katholischen und evangelischen Kirche auf. Dabei ging es ihnen um eine Zusammenarbeit über Grenzen zwischen den Kirchen hinweg, aber auch darum, Frauen – wie wir das heute ausdrücken würden – in der Kirche "sichtbarer zu machen".

Denn neben aller marientechnischen Verehrung für die Frau als Idee sollten real existierende Frauen gerade in unserer katholischen Kirche die Klappe halten und nicht weiter auffallen, und der knallreaktionäre Papst Johannes Paul II. erklärte, dass Frauen in der Nähe des Altars nichts zu suchen hätten.

Natürlich war den Frauen klar, dass sie sich in der Kirche mit konservativen oder herablassenden Pastoren auseinandersetzen mussten. Trotzdem fand meine Mutter für ihre frauenpolitische Arbeit selbst noch in der katholischen Kirche einen größeren Spielraum als in der SPD. Sie hat sich ihr Leben lang als Linke verstanden – aber der Hass auf Männer, den sie in sozialdemokratischen Frauengruppen erlebte, empörte sie.

Diese Empörung hat gute Gründe. Meine Eltern sind beide unter Bedingungen begrenzter Ressourcen aufgewachsen, und das sind nun einmal Bedingungen, in denen Menschen auf die Kooperation miteinander angewiesen sind. Einen Geschlechterkampf zu inszenieren müssen sich Menschen überhaupt erst einmal leisten können – und er passt eigentlich überhaupt nicht in ein sozialdemokratisches Milieu.

Wie sehr sich aber die Ressentiments gehalten haben, die meine Mutter schon vor Jahrzehnten aus der Parteiarbeit hinaus trieben, wie umfassend sie mittlerweile institutionalisiert und zur unhinterfragten Selbstverständlichkeit geworden sind – das zeigt sich ausgerechnet am Dossier "Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer", das gerade vom SPD-geführten Frauen- und Familienministerium herausgegeben worden ist.

(…) Ein wenig irritierend ist es (…) schon, dass ein Bundesministerium über die Hälfte der Bevölkerung so ressentimentgeladen daherredet wie die AfD über Ausländer: Diese Leute würden überall bevorzugt, ohne dass sie etwas dafür tun müssten – andere ehrlich arbeitende Menschen würden dafür benachteiligt – sie wären gewalttätig und unzivilisiert und könnten sich nichtmal richtig verständigen.

(…) Das zeigt nebenbei auch, wie falsch der konservative Vorwurf ist, Gleichstellungspolitik würde eine – gar "sozialistische" – Gleichmacherei betreiben. Tatsächlich reproduziert diese Politik beständig eben die Geschlechterklischees, die abzubauen sie vorgibt.

In der SPD aber ist darüber schon lange keine Diskussion mehr möglich: In dieser sterbenskranken Partei gibt es schon viel zu lange viel zu viele Menschen, die zuverlässig im falschen Moment die Klappe halten.

(…) Obwohl jedoch "fast zwei Drittel aller Gewaltopfer männlich" sind (…), gibt es fast keine Gewaltschutzeinrichtungen für Männer. Die Kurzfassung des Dossiers stellt dazu ungerührt fest, dass männliche Gewalterfahrungen "besonders sorgfältig" zu thematisieren wären "– auch um zu verhindern, dass dies als Relativierung der Gewalterfahrungen von Frauen wahrgenommen wird." (…)

Mit derselben Argumentation war bei den Grünen schon vor Jahrzehnten verhindert worden, die sexuelle Gewalt gegen Jungen im Umfeld der Partei offen zu thematisieren: Damit würden nämlich "wieder (…) die Jungen/Männer in den Vordergrund" rücken. Würden rechte Politiker ähnlich fordern, dass die Opfererfahrungen von Ausländern nur "besonders vorsichtig" thematisiert werden sollten, um die Opfererfahrungen von Deutschen nicht zu relativieren – dann würden wir die Ressentiments und das Hierarchiedenken hinter dieser Forderung wohl kaum übersehen.


Schoppes Analyse von Markus Theunerts Dossier, das vom Bundesforum Männer als "direktes Resultat unserer eigenen politischen Arbeit" gefeiert wird, ist in Gänze lesenswert und wird bereits munter kommentiert.

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