Freitag, Oktober 02, 2020

Cancle Culture, Fridays-for-Future-Aussteiger, männliches Schlafdefizit – News vom 2. Oktober 2020

1. In der Neuen Zürcher Zeitung setzt sich Thomas Ribi mit der Cancle Culture auseinander. Ein Auszug:

Ganz leicht kann man sich so ein widerspruchsfreies Weltbild zimmern. Wenn da nur nicht die anderen wären. Die, die meinen, anders denken zu müssen. Falsch eben. Das ist bedauerlich – und verlangt nach entschlossenem Handeln. Wer die Welt nicht so sieht, wie man sie sehen muss, hat sich auf etwas gefasst zu machen, besonders wenn es um Reizthemen wie Feminismus, Migrationspolitik oder den Klimawandel geht. Nicht dass er auf Kritik und offene Opposition stossen würde. Nicht dass man versuchen würde, ihn mit Argumenten vom Gegenteil zu überzeugen. Wer da, wo es weh tut, vom politischen Mainstream abweicht, verdient nach Ansicht der Gralshüter des Richtigen im Grunde nicht einmal Widerspruch. Man stellt ihn in die Schmuddelecke. Weil das, was er vertritt, ewiggestrig ist. Dumm, gefährlich.

Dass es in politischen und gesellschaftlichen Fragen keine unangreifbaren Wahrheiten gibt, sondern nur das stetige Ringen um Positionen, will man nicht wahrhaben. Was falsch ist, ist falsch und muss nicht diskutiert, sondern abgedrängt werden. Ob es um Corona, Flüchtlinge oder Genderfragen geht. Was die eigenen Denkgewohnheiten infrage stellt, was irritiert, provoziert, wird nicht bekämpft, sondern aus der Diskussion verbannt. Wenn möglich zu Tode geschwiegen. Toleranz? Selbstverständlich, aber nur so lange, als niemand die Unverschämtheit besitzt, sie herauszufordern. Debatte? Immer, aber bitte nur da, wo man sich in guter Gesellschaft weiss: unter Gleichgesinnten.




2. Leichte Anzeichen von Tauwetter bei den Öffentlich-Rechtlichen? Puls, ein Programm des Bayrischen Rundfunks, hat vorgestern eine mehr als viertelstündige Reportage über männliche Opfer häuslicher Gewalt online gestellt.



3. "Die Klimabewegung braucht weniger Arzttöchter und mehr LKW-Fahrer" erklärt der Fridays-for-Future-Aussteiger Clemens Traub. Interessant, wie hier soziale Schichten gegendert werden.



4. In Frankreich wurde jetzt der Vaterschafts-Urlaub verdoppelt.



5. Ein aktueller Beitrag der Universität Chicago beschäftigt sich mit dem Schlafdefizit von uns Männern. Er fällt zwar wieder in das Raster, dass Männer an ihren Problemen selbst schuld sind (während die Probleme von Frauen "systemischer Unterdrückung" zu verschulden sind), aber ich finde ihn trotzdem erwähnenswert. Wenn man gegen Ende des Artikels statt von "toxischer Männlichkeit" von Rollenzwängen zu Lasten von Männern gesprochen hätte, wäre das ein durchaus vernünftiger Beitrag geworden.

In den Vereinigten Staaten schläft der durchschnittliche Amerikaner weniger als das vom Center for Disease Control empfohlene Minimum von sieben Stunden Schlaf pro Nacht, und fast die Hälfte der Amerikaner berichtet über negative Folgen von unzureichendem Schlaf. Dieses Problem scheint vor allem bei Männern vorzukommen, die berichten, im Durchschnitt deutlich weniger Schlaf zu bekommen als Frauen.

Eine kulturelle Komplikation ist die Vorstellung, dass weniger als die empfohlene Schlafmenge zu bekommen etwas Positives über eine Person signalisiert. Beispielsweise hat sich US-Präsident Donald Trump damit gebrüstet, weniger als vier Stunden Schlaf pro Nacht zu bekommen, und schmälert regelmäßig seinen politischen Gegner Joe Biden als "Sleepy Joe".

"Das Stereotyp der schlafentzogenen Männlichkeit", ein neues Papier im Journal der Association for Consumer Research, untersucht ein mögliches Stereotyp, das Schlaf und Männlichkeit miteinander verbindet, sowie die zugrunde liegenden Mechanismen und die sozialen Auswirkungen.

Die Autoren Nathan B. Warren und Troy H. Campbell führten 12 Experimente mit 2.564 amerikanischen Teilnehmern durch, um zu zeigen, dass es ein Stereotyp von Männlichkeit mit Schlafmangel gibt. In einem Experiment wurden die Teilnehmer gebeten, sich vorzustellen, wie ein Mann ein Bett einkauft. Dann fragte ein Verkäufer den Mann: "Wie viel schlafen Sie normalerweise?" Die Ergebnisse stellten fest, dass die mittlere Männlichkeitsbewertung für Teilnehmer mit viel Schlafproblemen signifikant niedriger war als die mittlere Männlichkeitsbewertung für Teilnehmer mit wenig Schlafproblemen.

In einem anderen Experiment wurden die Teilnehmer gebeten, einem männlichen Charakter verschiedene Attribute zuzuschreiben, die entweder einem "sehr maskulinen und männlichen" Mann oder einem "nicht sehr maskulinen und nicht sehr männlichen" Mann zugeordnet wurden. Teilnehmer im maskulinen Zustand beschrieben ihren Charakter, der 33 Minuten weniger Schlaf pro Nacht hatte als die Charaktere, die im nicht maskulinen Zustand beschrieben wurden. Ein abschließendes Experiment zeigte, dass sich Teilnehmer, die sich vorstellten, mehr als der Durchschnitt zu schlafen, signifikant weniger männlich fühlten als Teilnehmer, die sich vorstellten, weniger als der Durchschnitt zu schlafen.

Insgesamt ergaben die Experimente, dass Männer, die weniger schlafen, von der Gesellschaft als männlicher angesehen und positiver beurteilt werden. Bei der Wahrnehmung von Frauen wurden nicht durchgängig die gleichen Muster beobachtet.

"Die soziale Natur des Stereotyps der unter Schlafmangel leidenden Männlichkeit verstärkt Männer, die weniger schlafen, positiv, auch wenn weniger Schlaf zu erheblichen psychischen und physischen Gesundheitsproblemen beiträgt", schreiben die Autoren. Dies kann besonders nachteilig sein, weil Männer häufig eine deutlich negativere Einstellung gegenüber der Inanspruchnahme psychologischer Hilfe haben.

"Leider können die Probleme, die durch das Stereotyp der unter Schlafmangel leidenden Männlichkeit entstehen, über den Einzelnen hinaus und in die Gesellschaft hineinreichen, da Männer, die weniger schlafen, als aggressiver und gewalttätiger empfunden werden". Dies ist ein Beispiel für die restriktiven und toxischen Eigenschaften von Männlichkeit, "die für die Gesundheit der Männer und die Gesellschaft im Allgemeinen schädlich sein können".

Die positive Seite dieser Forschung, so die Autoren, ist, dass "in dem Maße, wie die Gesellschaft weiterhin traditionelle Definitionen von Männlichkeit in Frage stellt, die Einstellung zum Schlaf möglicherweise positiver wird und alle Menschen mehr Nächte voll gesunden Schlafes genießen könnten".


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