Die Welt: "Die Frauenwut auf Männer führt zum Stillstand" – News vom 18. April 2019
1. Ralf Bönt hat in der "Welt" einen Beitrag zum Stand der Geschlechterdebatte veröffentlicht (Paywall). Ein Auszug daraus:
Im Bemühen um mehr Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern laufen wir derzeit Gefahr, in einen Stellungskrieg zu geraten, der statt mehr Bewegung immer mehr Blockade erzeugt. (...) Schon Hillary Clintons Niederlage war da exemplarisch, als im Wahlkampf ein Zitat von ihr durchs Internet ging, in dem sie Frauen als die ersten Opfer eines Krieges benannte, denn "sie verlieren ihre Männer, Väter und Söhne im Kampf". Diese Grobheit stand für einen einseitigen Blick, den Clinton endgültig bei ihrem ersten Auftritt nach der Wahl verriet. Die Zukunft, sagte sie da polarisierend, sei weiblich. Danach sieht es aber nun so wenig aus, dass man in Deutschland den Parteien das Geschlecht der Kandidaten in den eigentlich freien Wahlen vorzuschreiben beginnt.
(...) Frauen (...) müssen jetzt beginnen, sich für die Interessen der anderen zu interessieren, jene der Männer, das längst prekäre Geschlecht. Einen anderen Weg zur Macht gibt es in der Demokratie zum Glück nicht. (...) In den Kolumnen der Magazine und Debatten in den Netzwerken stehen [aber] nicht Frauen mit Selbstbewusstsein im Vordergrund, sondern jene mit Wut, vor allem auf Männer.
Statt die Wut nun zu überwinden und in der Gegenwart anzukommen, wollen sie ganz gewiss ganz allein über Abtreibungen entscheiden und mehr Hilfe für Alleinerziehende. Als wäre es revolutionär, wenn die Frau für das Kind zuständig ist. Die junge Feministin Teresa Bücker denkt, genau wie ihre katholische Gegnerin Birgit Kelle, in keiner Frage an einen Vater. Entspannung ist nicht in Sicht.
Und die Männer stehen auch nicht auf. Sie hören lieber auf den kanadischen Psychologen Jordan B. Peterson, der mit einem antizivilisatorischen Furor das Patriarchat in der Natur begründet sieht, als habe es nie eine Moderne gegeben. Peterson erklärt gern die irrsinnigste Aggression noch mit der Werbung des Mannes um die Frau.
Und als sei sie aus Spiegelneuronen gemacht, spricht Margarete Stokowski dem Mann jegliche Gefühle ab. Es ist klassisch patriarchal, wenn sie schreibt, sein äußeres Genital habe weniger Nervengeflecht als ihres. So organisiert man Stillstand.
2. Obwohl Margarete Stokowski auf Spiegel-Online 40 klare Anweisungen gibt, was ein Mann alles tun muss, um die hohe Ehre zu erhalten, als Feminist zu gelten, stößt sie dabei auf viel Kritik. Das Blog Apokolokynthose antwortet Stokowski.
Ich habe ja kurz überlegt, ob ich selbst eine parodistische Liste mit 40 Vorbedingungen erstellen sollte, bevor jemand sich als Maskulist bezeichnen darf, aber wieder davon abgekommen, weil irgendjemand diesen Quatsch garantiert ernst nehmen würde.
3. Alessandro Strumia, der Physiker, der bei CERN rausgeflogen ist, weil er belegen konnte, dass die geringe Zahl an Physikerinnen keiner sexistischen Diskriminierung zu verschulden ist, hat einen rückblickenden Artikel zu seinen Erfahrungen veröffentlicht. Auch hiervon ein Auszug:
Warum lädt man keine Experten für Geschlechterunterschiede im MINT-Bereich nicht zu Konferenzen über das Geschlecht in der Physik ein? Warum stellen Aktivistinnen, die behaupten, die Sache der Frauen in MINT-Bereichen voranzutreiben, diese Fächer fälschlich als von Diskriminierung durchdrungen dar, einschließlich weit verbreiteter sexueller Belästigung, obwohl es unwahrscheinlich ist, dass dadurch mehr Frauen von diesen Fächern angezogen werden? Warum werden wissenschaftliche Erkenntnisse wie die meiner Kollegen und mir als "diskreditiert" bezeichnet, während wissenschaftliche Zeitschriften in den Genderstudien Sokal-ähnliche Jux-Artikel veröffentlichen? Warum wollen einige Wissenschaftler die wissenschaftliche Forschung über kognitive Unterschiede verbieten? Warum ist es so gefährlich, über diese Themen zu sprechen?
Die Antwort, denke ich, ist die, die ich in meinem Vortrag vorgeschlagen habe, als ich erwartete, dass sie mich in Schwierigkeiten bringen würde. Zu behaupten, dass einige geschlechtsspezifische Ungleichgewichte in Bereichen wie der Physik nicht auf Diskriminierung zurückzuführen sind, ist wie wenn man ein Sozialwissenschaftler in der Sowjetunion gewesen wäre und behauptet hätte, dass einige Klassenunterschiede nicht auf Diskriminierung zurückzuführen sind. In der Tat haben die Dampfplauderer der Identitätspolitik im gegenwärtigen kulturellen und politischen Klima bestimmte Dinge unheilbar gemacht. Eine Ideologie, die alles auf einen Machtkampf zwischen verschiedenen Identitätsgruppen reduziert, erzeugt unnötige Fragmentierung und Feindseligkeit. Vernunft und Objektivität, einst das Fundament der Wissenschaft, werden inzwischen häufig als Werkzeuge der systemischen Unterdrückung abgetan. Wissenschaft, die der dominanten politischen Erzählung widerspricht, wird angegriffen, insbesondere alles, was mit dem Geschlecht zu tun hat. Wissenschaftliche Daten über das Geschlecht, wie die, die ich gefunden habe, gelten als "beleidigend", wenn sie Überzeugungen in Frage stellen, die als heilig angesehen werden. Ich habe diese Überzeugungen selbst einmal geteilt, und als Larry Summers seinen Job in Harvard verlor, war ich zufrieden. Aber die Daten haben mich gezwungen, meine Meinung zu ändern. Sicher ist es das, was ein guter Wissenschaftler tun sollte?
Trotz aller Beweise für das Gegenteil klammern sich einige Menschen, selbst Wissenschaftler, an eine Weltanschauung, die ihren Anhängern ein moralisch überlegenes Gefühl gibt. Es ist derselbe Fehler, den die Kirche vor Jahrhunderten gemacht hat, als Denker der Aufklärung Zweifel an heiligen religiösen Überzeugungen aufkommen ließen. In den letzten Jahrzehnten wurden viele soziale Barrieren beseitigt: Einige Unterschiede, die eindeutig auf Diskriminierungen zurückzuführen sind, sind verschwunden, während andere bestehen bleiben. Versuche, die verbleibenden Unterschiede auf sexuelle Diskriminierung zurückzuführen, führen zur Erfindung zweifelhafter Konzepte wie unsichtbare unbewusste Vorurteile, Mikroaggressionen, Nanoaggressionen, Picoaggressionen usw. Die Wissenschaft sollte ein Ort sein, an dem schwierige Themen sinnvoll diskutiert werden, aber die wissenschaftliche Forschung über gruppenpsychologische Unterschiede wird heute von denen, die entschlossen sind, ihre ideologischen Positionen zu verteidigen, abgelehnt und angegriffen. Aber je mehr heterodoxe Denker in der Wissenschaft geächtet werden, desto mehr Glaubwürdigkeit wird sie verlieren.
(...) Vielleicht kann eine Institution, die unterschiedliche Standpunkte begrüßt, einen Workshop über die Unterrepräsentation von Frauen im MINT-Bereich veranstalten, zu dem echte Experten eingeladen werden und frei mit Aktivisten diskutieren können. Aber ich bin nicht optimistisch. Einige Kollegen, die mir geschrieben haben, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen, wagten es nicht, mit ihrem Namen zu unterschreiben. (...) Andere Kollegen befürchten, dass sie dem Rentenalter nicht nahe genug sind, um eine kritische Äußerung zu riskieren. Bei einem kürzlich an der Sydney University durchgeführten Seminar über Gender und MINT betonte jemand die Relevanz individueller wissenschaftlicher Qualität bei Einstellungsentscheidungen, tat dies jedoch in einem anonymen Beitrag. Kritiker der Genderpolitik in der Wissenschaft verstecken sich zunehmend unter dem Deckmantel der Anonymität, um berufliche Konsequenzen zu vermeiden. (...) Meine Erwartung ist, dass die derzeit herrschende politische Bewegung in etwa einem Jahrzehnt verblassen wird. Wir können nur hoffen.
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