Was Genderforscher über Selbstmordattentäter denken – News vom 24. November 2018
1. In der "Frankfurter Allgemeinen" fand sich dieser Tage ein Artikel der liberalen Feministin Judith Basad, der leider in einer legal verlinkbaren Fassung nur im Anriss online steht. Problemlos verlinkbar ist allerdings eine Zusammenfassung in der Presseschau des Deutschlandfunks:
Zum Schluss vom Herz zum Genital und wieder zurück zur Hirnlosigkeit: Einigen Gender-Instituten falle es schwer, Genitalverstümmelungen zu verurteilen, schreibt Judith Basad in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Journalistin hat wissenschaftliche Texte aus dem Bereich der Geschlechter- und Postkolonialismusforschung analysiert. Spätestens nach der Lektüre dieses Artikels hält man diese Forscher nicht für Wissenschaftler, sondern für Sektenmitglieder.
Einerseits werde das Patriarchat als herrschend und verwerflich angesehen, andererseits der ganze Westen, schreibt Basad. Das könne gefährliche Folgen haben. "Denn so werden moralische Grundsätze wie die Ablehnung von Gewalt, Terrorismus oder Verstümmelung außer Kraft gesetzt und eine antiwestliche Agenda in den Wissenschaften etabliert", erläutert die Journalistin. Da aber die Kolonialmächte, also das Böse an sich, die Genitalverstümmelung kritisiert haben, erscheint sie einigen Wissenschaftlern sogar als schützenswertes Kulturgut. Selbst islamistischer Terror werde gegen den Westen verteidigt.
Das habe auch die Geschlechterforscherin Claudia Brunner in ihrer Doktorarbeit getan: "In 'Wissensobjekt Selbstmordattentat' werden nicht etwa die Anschläge der Hamas, des IS oder der Taliban verurteilt, sondern Bilder von Selbstmordattentätern, die auf Covern der westlichen Fachliteratur zu sehen sind", gibt Basad in ihrem FAZ-Artikel die Gedanken der Wissenschaftlerin wieder. "Der Selbstmordattentäter an sich, so Brunner, sei ebenfalls nur eine Erfindung einer 'okzidentalistischen Selbstvergewisserung', die durch die 'koloniale Expansion europäischer Staaten' und durch das 'kapitalistische Weltsystem' gelenkt würden."
Kommentar der Journalistin: "Derartige Verschwörungstheorien stellen keineswegs einen wissenschaftlichen Ausrutscher innerhalb der Gender Studies dar. Denn Claudia Brunner wurde für ihre Arbeit mit dem Caroline-von-Humboldt-Preis für Nachwuchswissenschaftlerinnen ausgezeichnet – einem der höchstdotierten Wissenschaftspreise in Deutschland."
2. Der "Focus" stellt sich der ansonsten flächendeckenden Medienkampagne der letzten Tage entgegen, die häusliche Gewalt weitgehend auf Gewalt gegen Frauen reduziert: "Missbraucht von zwei Frauen: Mann erzählt, wie er Opfer von häuslicher Gewalt wurde". Statt eigene Recherche in den wenigen bestehenden deutschen Männerhäusern oder bei maskulistischen NGOs zu betreiben, übernahm der FOCUS allerdings einen Fall aus einer US-Zeitschrift.
3. Die geschlechterpolitische NGO Agens hat einen Appell gegen die Stigmatisierung von Männern in der Gewaltdebatte veröffentlicht und lädt alle Leser dazu ein, ihn zu unterzeichnen. (Ich bin mir sicher, auch meine Unterschrift wird demnächst dort angezeigt.)
3. Die geschlechterpolitische NGO MANNdat setzt sich mit dem befremdlichen Journalismus von Julian Dörr auseinander, einem Mitarbeiter der "Süddeutschen Zeitung".
4. Zwei verliebte 18jährige wurden in einer Berliner Straßenbahn körperlich angegriffen.
5. Für die australischen Grünen ist die Unterstützung durch weibliche Wähler zusammengebrochen, nachdem die Partei eine Reihe von Skandalen im Zusammenhang mit Frauenfeindlichkeit und sexueller Gewalt ereilte. Jill Hennessy, Gesundheitsministerin des australischen Bundesstaates Victoria, warf den Grünen ein "toxisches kulturelles Problem" vor, "wenn es um Frauen geht".
6. Das Wall Street Journal berichtet über die neueste Forschung zum "Gender Pay Gap", der geschlechtsspezifischen Lohnlücke:
Progressive behaupten, dass der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen durch Sexismus verursacht wird, den die Regierung beheben muss. Aber eine neue Studie liefert überzeugende Beweise dafür, dass die Entscheidungen und Prioritäten der Frauen einen Großteil der Unterschiede ausmachen.
Die Studie untersuchte Daten der Massachusetts Bay Transportation Authority, weil es sich um einen Gewerkschaftsbetrieb mit einheitlichen Stundenlöhnen handelt, in dem Männer und Frauen die gleichen Regeln befolgen und die gleichen Vorteile genießen. Die Beförderung der Arbeitnehmer erfolgt nach dem Dienstalter und nicht nach der Leistung. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer desselben Dienstalters haben die gleichen Möglichkeiten bei der Planung, den Routen, dem Urlaub und den Überstunden. Unter solch strengen Arbeitsregeln hätte selbst ein sexistischer Chef oder Manager wenig Möglichkeiten, Männern eine Vorzugsbehandlung zu gewähren.
Doch selbst in der Verkehrsbehörde verdienten weibliche Bahn- und Busunternehmer weniger als Männer. Um zu erklären warum, untersuchten die Harvard-Volkswirte Valentin Bolotnyy und Natalia Emanuel Zeitkarten und Zeitpläne von 2011 bis 2017, wobei auch Geschlecht, Alter, Einstellungsdatum und Amtszeit berücksichtigt wurden sowie ob ein Mitarbeiter verheiratet war oder unterhaltsberechtigte Personen hatte.
Sie fanden heraus, dass männliche Bahn- und Busunternehmen rund 83% mehr Überstunden leisten als ihre weiblichen Kollegen und doppelt so häufig eine kurzfristige Überstundenverschiebung akzeptieren. Etwa doppelt so viele Frauen wie Männer haben nie Überstunden gemacht. Die Agentur zahlt anderthalb Stunden für Überstunden, so dass diese Entscheidungen einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis haben.
Auch männliche Bus- und Bahnbetreiber nahmen jedes Jahr 48% weniger unbezahlte Stunden nach dem Family Medical Leave Act frei. Weibliche Mitarbeiter wählten eher weniger profitable Routen, wenn sie dafür weniger Nächte, Wochenenden und Feiertage arbeiten mussten.
Die Elternschaft verstärkte den Unterschied in den Prioritäten für männliche und weibliche Mitarbeiter. Mehr als kinderlose Kollegen wollten Väter das zusätzliche Geld aus Überstunden und Mütter mehr Freizeit. Diese Entscheidungen waren bei Alleinerziehenden ausgeprägter. Unverheiratete Mütter nahmen 59% weniger Überstunden in letzter Minute als unverheiratete Väter.
Bolotnyy und Emanuel kommen zu dem Schluss, dass "Frauen, insbesondere alleinstehende Frauen mit Kindern, sowohl Zeit als auch die Fähigkeit, ungeplante Arbeit zu vermeiden, viel mehr schätzen als Männer". Die Studie untersucht nicht, ob diese Entscheidungen durch persönliche Präferenzen oder Notwendigkeit motiviert sind, aber selbst in einem hochgradig gerechten Arbeitsplatz wie der Agentur in Massachusetts machten "diese Unterschiede bei den Entscheidungen" den "Kern der Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern aus, die wir beobachten".
7. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir zu dem gestern auf Genderama verlinkten Focus-Artikel über das Leiden eines Trennungsopfers:
Sicher hast du [darin] den Link "Dieser Text erschien ursprünglich in der NZZ" [gesehen]. Folgt man diesem, gehts erst richtig los mit den Horror-Stories. Erste Geschichte: "Vater für 24 Stunden".
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