Claudia Roth fordert feministische Außenpolitik und Überwindung des Patriarchats – News vom 10. November 2018
1. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth fordert eine Außenpolitik, die sich an feministischen Idealen orientiert. So müsse die Quote von nur 13 Prozent weiblichen Botschafterinnen für die Bundesrepublik überwunden werden, und die Bundesregierung müsse Frauenorganisationen in Entwicklungsländern fördern. Zudem solle das Außenministerium in allen Debatten und Verhandlungsprozessen jegliche Entscheidung darauf prüfen, welche Konsequenzen diese für Frauen und Mädchen haben. Roth sieht eine "Überwindung des weltweiten Patriarchats" als Auftrag der Bundesregierung.
Das Blog Geschlechterallerlei kommentiert.
2. Inzwischen heißt es, dass es sich bei den rechten Titeln, wegen denen Margarete Stokowski ihre Lesung in der linksliberalen Münchner Buchhandlung Lehmkuhl absagte, um drei (in Zahlen: 3) Schriften aus dem Antaios-Verlag handelt. Das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels kommentiert:
Muss man (...) die Bücher von Antaios & Co. zum Verkauf anbieten? Kann man die nicht auch in einer Bibliothek entleihen? Oder gehören die nicht sowieso in den Giftschrank? Das wäre die Antwort eines autoritären Systems. Eine offene Diskussion über Rechts erfordert mehr, auch um den Preis intellektueller und moralischer Zumutungen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Wahlkampfkostenerstattung für rechte Parteien, die den Staat ablehnen.
Was die offene Gesellschaft zudem gefährdet, ist eine Unkultur der Absage, die symptomatisch ist für eine Armut der Argumente. Künstler, die befürchten, nicht im richtigen Umfeld aufzutreten, weil ein anderer Künstler auftritt, der etwa mit Israel sympathisiert, boykottieren Festivals. Und Margarete Stokowski sagt ab, weil hier ein Linksliberaler – unter dem Rubrum "Neue Rechte, altes Denken" – Bücher rechter Autoren anbietet. Die Furcht, vermeintlich verstrahlten Boden zu betreten, wiegt bei ihr offenbar schwerer als der Verlust der offenen Aussprache. Ohne diese gleitet eine Gesellschaft jedoch in die "Aktion" ab; wie man weiß, eine Sackgasse, die in Gewalt endet.
Als ich lese, dass über die Präsenz von drei Titeln des Antaios-Verlages in einer Münchner Buchhandlung deutschlandweit diskutiert wird, denke ich mir: "Man muss Kubi echt dafür gratulieren, dass jetzt linke Feministinnen Reklame für seine Bücher machen", entscheide mich dann aber, das nicht zu schreiben, weil solche "Glückwünsche" außerhalb des sarkastischen Kontexts zitiert werden könnten, in den sie gehören. Stattdessen recherchiere ich ein wenig weiter und stelle fest, dass der Bayrische Rundfunk schon auf denselben Gedanken gekommen ist wie ich:
Hierzulande (...) besorgt das Geschäft der bei Antaios verlegten Neuen Rechten eine zerstrittene Linke, die nicht weiß, wie umgehen mit den Publikationen von Götz Kubitschek et alii. Froh um jede Form von Aufmerksamkeit, twitterte gestern Nachmittag der österreichische Identitäre Martin Lichtmesz, er "sage ... mal Danke an Frl. Stokowski für die Werbung, nun ist Antaios wieder in aller Munde, ganz ohne dass wir 'provozieren' mussten". (...) Am Donnerstag veröffentlicht gar "Die Zeit" ein Pro & Contra in der Causa.
(...) Vermutlich ist der Autorin, die sich zur Absage ihrer Lesung entschloss, nicht bekannt gewesen, dass schon die Reihung der Titel – wenige Schriften der Neuen Rechten Buchdeckel an Buchdeckel mit weitaus mehr kritischen Auseinandersetzungen mit dieser Neuen Rechten – den Gedanken absurd erscheinen lässt, dass man dort blauäugig eine Art Feldtornister-Lektüre für den Kampf der Rechtsextremen vorrätig hält. Indes, diese sehr begrenzte Anzahl von rechtspopulistischen, rechtsextremen Buch-Titeln hat Margarete Stokowski dazu bewogen, zu sagen, dass sie in diesem Umfeld nicht lesen möchte. Das ist ihr gutes Recht, wirft aber Fragen auf: Müssen Bücher das haben, was der – gelinde gesagt – politisch höchst unsichere Kantonist Gottfried Benn auf die Formel "moralischer Sex-Appeal" gebracht hat? Müssen sie also moralisch und politisch einwandfrei sein?
Das machte es schwierig, Werke von Knut Hamsun, Peter Handke oder Louis-Ferdinand Céline in Buchhandlungen anzubieten. Werke der Weltliteratur, deren Verfasser dummerweise in politicis Wirrköpfe waren und sind. Soll man deswegen deren Bücher aus dem Sortiment entfernen oder zur Bückware machen, nach der an der Kasse eigens gefragt werden muss? Das derzeit zu beobachtende Book-shaming und Bookseller-blaming sitzt dem Irrtum auf, man könne die Realität retuschieren, die Wirklichkeit aussperren, draußen vor der sich bei Lehmkuhl automatisch öffnenden und schließenden Tür.
3. Nach den Zwischenwahlen in den USA stehen dort die weißen Frauen als "Verräterinnen" mehr denn je im medialen Sperrfeuer: hier ein paar Beispiele. Es gibt auch schon das erste Buch zu diesem Thema. Gegen weiße Frauen scheint sich dieselbe Welle der dauerhaften politischen Beschämung aufzubauen, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten gegen Männer erlebt haben.
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