FDP: Männer für die Frauenquote, Frauen dagegen – News vom 20. Oktober 2018
1. Wie DER SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet (der Artikel steht leider nur im Anriss online), erwärmen sich immer mehr FDP-Männer für die Frauenquote, während die FDP-Frauen beharrlich dagegen sind.
Der Artikel von Timo Lehmann basht als erstes die FDP in von den Leitmedien gewohnter Weise als "Herrenclub", der vor allem "digitale Exzentriker" anziehe. Um die geringe Zahl von Frauen insbesondere unter den Neuzugängen bei der Parteimitgliedschaft anzugehen, sei FDP-Chef Lindner inzwischen für eine Frauenquote offen.
Der stellvertretende Fraktionschef Michael Theurer hält sogar "eine Quotierung bei der Vorstandswahl" für denkbar. "Ich kann mir auch vorstellen, dass die Freien Demokraten künftig mit einer Doppelspitze bei Wahlen antreten", sagt er. "Wir sollten die Diskussion über die Quote ohne Vorbehalte führen", sagt der Abgeordnete Konstantin Kuhle.
Gegenwind erhält diese populistische Erwägung indes von den FDP-Frauen, die sich entschieden gegen eine geschlechtsbezogene Diskriminierung aussprechen:
In der Parteispitze will sie nur die stellvertretende Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann nicht ausschließen, die Vorstandsmitglieder Nicola Beer und Katja Suding sind dagegen. "Ich will nicht im Bundestag sitzen, nur weil ich eine Frau bin", sagt die Abgeordnete Katharina Willkomm. Und ihre Fraktionskollegin Britta Katharina Dassler findet: "Starke Frauen setzen sich auch so durch; mit der Quote wird die Leistung erfolgreicher Frauen abgewertet." Nicht einmal Ria Schröder, die Vorsitzende der Jungen Liberalen, kann der Quote etwas abgewinnen: "Ich bin für Chancengerechtigkeit, eine Frauenquote lehne ich ab."
Statt einer Quote fordert Katja Suding familienfreundlichere Strukturen, also etwa kürzere Sitzungen und weniger Arbeit an Wochenenden. Notfalls müsse man Frauen zur Kampfkandidatur ermuntern. Nicht einmal die parteinahen Liberalen Frauen (zu denen als ergänzendes Gegenstück unlängst die Liberalen Männer gegründet wurden), die auf dem Parteitag in Rostock 2011 eine Frauenquote gefordert hatten, wollen heute noch etwas von diesem Vorschlag wissen.
Tatsächlich führt eine Frauenquote keineswegs immer zu dem erhofften Resultat. Während etwa die Grünen, die eine 50-Prozent-Frauenquote einhalten, auch überdurchschnittlich viele weibliche Wähler für sich gewinnen konnten, hatte die Quote bei der Linkspartei nicht denselben Effekt.
Lindners momentaner Ansatz, so DER SPIEGEL, bestehe in stärkeren Kontakten zu den Liberalen Frauen, zu denen sein Amtsvorgänger Westerwelle immer höfliche Distanz gehalten habe. Man kann nur hoffen, dass dabei die Liberalen Männer nicht vernachlässigt bleiben.
2.
Männer werden nach wie vor selten Kindergartenpädagogen. Wohl auch, weil ihnen nach wie vor großes Misstrauen entgegengebracht wird. Michael Kammerer ist einer von ihnen.
Der Standard stellt Kammerer und seinen Umgang mit sexistischen Verdächtigungen vor.
3. Kritikern der Beschneidung von Jungen und Männern wird oft entgegengehalten, dass sie einen aussichtslosen Kampf führten, wenn man bedenke, dass sogar in den USA der bei weitem überwiegende Teil aller Männer beschnitten sei. Nun gibt es allerdings eine interessante Entwicklung in einem anderen Staat der westlichen Welt: In Australien ist im Verlauf der letzten Jahrzehnte die Zahl der beschnittenen Männer von 80 auf 20 Prozent zurückgegangen.
4. Im stark feministisch geprägten US-Magazin "Slate" schildert Tori Truscheit eindrucksvoll, wie schwer man es als Männerhasserin in unserer Gesellschaft nach wie vor habe:
Nach den Kavanaugh-Anhörungen gab eine Lesbenfreundin in den Zwanzigern bekannt, dass sie, offen gesagt, keine Männer mag. Ich drückte den Like-Button superschnell, fühlte mich heimlichtuerisch und irgendwie schuldig deswegen. Meine Freundin kam durch die gleichen radikalen Schwulen- und Trans-Kreise, in denen ich unterwegs war, und mit diesem Klick fühlte ich mich erleichtert, eine offensichtliche Wahrheit anzuerkennen: Die meisten Männer behandeln Frauen wie etwas weniger Menschliches, ob zufällig oder absichtlich, und das bedeutet, dass es schwer ist, sie zu mögen.
Ich hatte kürzlich die Männer gescannt, die an meinen Arbeitsplatz kamen, und mich gefragt, welche Geschichte von sexuellen Übergriffen sie wohl haben. Ist er ein Vergewaltiger? Was ist mit ihm dort? Wo befindet er sich er auf der Widerlingskala? Es war ein alter Impuls, der in Kraft getreten war, als die Nation darüber diskutierte, wie viele ihrer Männer, Brüder und Söhne Täter waren, da jede dritte amerikanische Frau in ihrem Leben sexuelle Gewalt erlebt. Republikaner bestanden darauf, dass Männer diejenigen waren, die Angst haben sollten, während Frauen die täglichen, erschütternden Wege erzählten, die wir in unserem Leben einschlagen, um Angriffe zu vermeiden. Meine "aufgeweckten" männlichen Kollegen machten #MeToo-Witze, als ob das Ganze ein lustiges Schauspiel wäre. Es war genug, um mich dazu zu bringen, nicht mehr mit Männern zu reden.
Und doch, in meinem Kopf, brüllte der #NotAllMen-Chor. Was ist mit dem Vater von zwei Kindern, der all meine wütenden Tweets mag? Oder der Typ, der mit zu viel Essen im Krankenhaus auftauchte, als meine Partnerin in den Wehen lag? Oder meine Freunde, die Trans-Männer sind?
Das Patriarchat geht so tief, dass ich die Gefühle hypothetischer Männer sofort verteidige, sogar vor mir selbst. Ich bin eine verheiratete Lesbe, so weit davon entfernt, die Zustimmung eines Mannes zu benötigen, wie es eine Frau schaffen kann, und ich fühle ihn immer noch: den langsamen giftigen Tropfen der kulturellen Konditionierung, der mir sagt, Männer an erste Stelle zu rücken. Meine Vorstellungskraft – das Ding, das uns aus dem amerikanischen Faschismus herausholen könnte – ist in einer alten feministischen Schleife gefangen, denn ich wurde trainiert, dass das Schlimmste, was ich sein kann, eine menschenhassende Lesbe ist. Aber es ist an der Zeit, sich der latenten Homophobie in dieser Beleidigung und unserer Angst zu stellen, dass Wut uns zu homosexuell erscheinen lässt. Denn Wut, nicht Angst, ist genau das Gefühl, das heutzutage gebraucht wird.
(...) Praktisch betrachtet haben wir immer noch männliche Chefs und Vermieter und Kunden und Bürgermeister und Redakteure (hi!), die in unserem eigentlichen Leben Macht haben, auch wenn wir nicht jede Nacht zu einem Mann auf der Couch nach Hause kommen, und es ist schwer, unsere Ressentiments öffentlich zum Ausdruck zu bringen, damit nicht einige von ihnen diese Macht gegen uns nutzen. Aber das bedeutet, dass "Männerhasserin" eine Beleidigung bleibt, vor der wir Angst haben. Wir haben "Hexe" und "Homo" und "Lesbe" zurückerobert, aber wir können dieses letzte, schlimmste Stereotyp vor uns selbst nicht akzeptieren. Offen gesagt, verdienen Männer nicht so viel Sympathie, und die wenigen, die es tun, wissen das. Aber selbst wenn Männer Frauen töten, die sie täglich in Frage stellen, haben diejenigen von uns, die am wenigsten in das Patriarchat investieren, Angst zu sagen, was wir wirklich von ihnen halten.
(...) Es ist an der Zeit, die Frauenfeindlichkeit aus dem eigenen Kopf heraus zu bekommen, denn wenn wir es nicht tun, überlassen wir denen, die uns kontrollieren wollen, einen mächtigen Raum für den Zorn der Frauen. Wir können wütende Lesben sein, wenn wir wollen, auch wenn das bedeutet, dass wir diesen Begriff für uns selbst akzeptieren.
Um eines klarzustellen: Ich meine nicht, dass wir lesbische separatistische Räume schaffen sollten. Es gibt zu viel schmerzhafte, transphobische Geschichte bei dieser Idee, um sich überhaupt damit zu beschäftigen. (...) Was ich stattdessen meine, ist die Rückforderung eines Satzes, der es uns ermöglicht, uns ernsthafter vom Patriarchat zu trennen. Männer müssen lernen, wie es sich anfühlt, wenn wir aufhören, sie zu schützen, und wir müssen aufhören, nach männlicher Zustimmung zu suchen. Wir müssen nennen, wer in diesem Land Gewalt gegen Cis- und Trans-Frauen verübt: Es sind weiße Männer, mit den weißen Frauen, die in das Patriarchat investiert haben, als Komplizinnen. Wir müssen die letzte dieser uns selbst zensierenden Stimmen beruhigen. Etwas Größeres als den Widerstand neu zu erfinden, erfordert, dass wir diese Angst vor der männlichen Zustimmung überwinden. Sobald wir das getan haben, können wir eine Quelle massiver, radikaler Macht sein, und heterosexuelle Frauen täten gut daran, unserem Beispiel zu folgen.
5. Leserinnenbrief der Woche in der Washington Post an die Kummerkasten-Tante "Carolyn":
Liebe Carolyn: Ich habe eine Tochter, und einige andere Mütter von Töchtern und ich haben angefangen, uns jede Woche zu einer bestimmten Zeit auf einem Spielplatz zu treffen. Vor kurzem brachte eine Mutter eines Jungen ihren Sohn auf den Spielplatz, als wir dort waren. Ich fragte sie (nett, dachte ich), ob es ihr was ausmachen würde, zu gehen, weil wir wollten, dass es eine reine Mädchenzeit ist. Sie weigerte sich und schien verärgert über mich zu sein.
Falls sie zurückkommt: Gibt es einen besseren Weg, wie ich sie erreichen kann? Dies war eine so schöne Zeit für Mütter und Töchter, und einen Jungen dabei zu haben, würde die Dinge natürlich verändern. Wir leben in einer Welt, in der Jungen alles bekommen und Mädchen mit den Krümeln zurückgelassen werden, und ich hätte gedacht, dass diese Mutter das erkennen würde, aber sie scheint zu denken, dass ihr Sohn berechtigt ist, in diese reine Mädchenzeit hinein zu platzen. Ich weiß, dass ich sie nicht legal von einem öffentlichen Park abhalten kann, aber kann ich irgendwie an ihren guten Willen appellieren?
Immerhin muss man "Carolyn" zubilligen, dass sie dieser feministischen Mutter angemessen Bescheid stößt.
6. Im Commentary Magazine fasst Christine Rosen das politische Klima zusammen, das die Geschlechterdebatte in den USA inzwischen beherrscht:
Ein Jahr nach Beginn der #MeToo-Bewegung wird von Männern erwartet, dass sie als "Verbündete" #BelieveWomen und #BelieveSurvivors zur Seite stehen und sich oder andere Männer nicht gegen beweisfreie Anschuldigungen oder sogar extreme Ausdrucksformen von Männerhass verteidigen. Sie sollen definitiv nicht tun, was Kavanaugh getan hat: eine vollwertige und wütende Gegenrede zu den gegen sie erhobenen Anklagen einlegen.
So befand die Aktivistinnengruppe TimesUp auf Twitter, als sie Kavanaughs Rückzug forderte: "Das Blatt hat sich gewendet. Dieses Kapitel in unserem Geschichtsbuch wird nicht die Geschichte von Männern sein, die Männern glauben, das sind alte Nachrichten. Es wird die Geschichte einer Lawine von Frauen sein, die Wahrheiten sagten und unsere Macht ergriffen haben."
Auch gewählte Politiker griffen in die unterste Schublade. Der direkteste von ihnen war Hawaiis Senatorin Mazie Hirono, die Reportern sagte: "Ich möchte nur den Männern dieses Landes sagen: Halt einfach die Klappe und unterstützt uns. Tut zur Abwechslung mal das Richtige. ... Frauen wie Dr. Ford, die tapfer nach außen treten, müssen nicht nur angehört werden, sondern ihnen muss auch geglaubt werden. Man muss ihnen glauben." Hirono argumentierte später im Fernsehen, dass die Unschuldsvermutung in Kavanaughs Fall wegen seiner konservativen Rechtsphilosophie nicht wirklich zutraf.
Emma Rosenblum (Mutter von zwei Jungen) quälte sich in "Elle" mit der Frage "Wann werden gute Jungen zu schlechten Männern" - anscheinend unter der Annahme, dass die meisten das tun. "Ich sehe jemanden wie Brett Kavanaugh - stotternd, leugnend, privilegiert, wütend - und ich frage mich, wie ich meine Babys zur Güte führen kann, anstatt zum Missbrauch, zur Dankbarkeit statt zum Nehmen, Nehmen, Nehmen, Nehmen." Sie fuhr fort, zu spekulieren, dass Kavanaughs eigene Mutter seinen Anklägerinnen glauben könnte.
Die Rhetorik, die Kavanaughs Bestätigung umgab, extrem zu nennen, wäre eine Untertreibung. Betrachten Sie einen Artikel der pensionierten Geschichtsprofessorin Victoria Brown in der Washington Post, in dem sie sich sarkastisch bei "guten Männern" dafür bedankt, dass sie "uns nicht vergewaltigt haben" und erklärt, dass wir uns inmitten eines "Geschlechterkriegs" befinden. Sie erklärt, dass sie, nachdem ihr (offensichtlich lang leidender) Mann etwas Harmloses getan hat, das ihren Zorn auslöste, "verkündete, dass ich alle Männer hasse und wünschte, alle Männer wären tot". Sie wütet weiter gegen "die erbärmliche Impotenz des Plans netter Männer, das Wrack wieder aufzubauen, indem sie Frauen zuhören" und sagt, dass Frauen, die mit ihr nicht einverstanden sind, "in der tiefsten Verleugnung gefangen sind". Für Brown haben Männer offensichtlich keinen Platz im nationalen Gespräch und kein Recht, privat mit ihren Frauen, Schwestern, Müttern und Töchtern zu sprechen, bis sie Browns Forderungen nachkommen. "Gute Männer haben nicht ein einziges Mal ihre eigene Massenbewegung organisiert, um sich und ihre Söhne zu ändern oder das niederträchtige, belästigende und prügelnde Ding anzugreifen, das als männliche Kultur durchgeht", schreibt sie. "Nicht ein einziges Mal. Bastarde."
Kavanaugh wurde bestätigt und sitzt jetzt im Obersten Gerichtshof, aber der Tenor der Debatte um den Prozess, der ihn dorthin brachte, enthüllte, dass der kulturelle Mainstream nun zwei Schlüsselideen über Männer, die einst an den radikalen feministischen Rand verbannt waren, vollständig angenommen hat:
1) Männlichkeit selbst ist eine Krankheit, die einer Behandlung oder Beseitigung bedarf.
2) Die Männlichkeit selbst hat eine "Vergewaltigungskultur" und ein gewalttätiges Patriarchat hervorgebracht, das vor nichts Halt macht, um die Macht zu erhalten.
Die breite Akzeptanz dieser Ideen wird schwerwiegende, langfristige Folgen für das Land haben.
(...) Das "Redstockings Manifest" von 1969, eine einflussreiche Abhandlung einer Gruppe radikaler Feministinnen, stellte folgende Behauptung auf: "Alle Männer erhalten wirtschaftliche, sexuelle und psychologische Vorteile durch die männliche Vorherrschaft. Alle Männer haben Frauen unterdrückt." Diese "Tatsache" rechtfertigte eine Reihe von radikalen Handlungen zugunsten von Frauen. "Wir müssen uns nicht selbst ändern, sondern die Männer", heißt es im Manifest. Sie sollten "ihre männlichen Privilegien aufgeben und die Befreiung der Frauen im Interesse unserer Menschlichkeit und ihrer eigenen unterstützen".
Dieses Dokument, das heute fast ein halbes Jahrhundert alt ist, ist überraschend relevant für die Debatte, die über Kavanaughs Nominierung entbrannte. "Die verleumderischste Ausflucht von allen ist, dass Frauen Männer unterdrücken können", bemerkt das Manifest und verweist auf "die Tendenz der Männer, jede legitime Herausforderung ihres Privilegs als Verfolgung zu betrachten". Was die Grundlage der Beschwerden von Frauen betrifft, so liest sich das Manifest wie ein früher Entwurf von #BelieveAllWomens Umarmung von Gefühlen statt Fakten: "Wir betrachten unsere persönliche Erfahrung und unsere Gefühle bei dieser Erfahrung als Grundlage für eine Analyse unserer gemeinsamen Situation. Wir können uns nicht auf bestehende Ideologien verlassen, da sie alle Produkte einer männlichen Herrschaftskultur sind. Wir hinterfragen jede Verallgemeinerung und akzeptieren keine, die nicht durch unsere Erfahrung bestätigt sind. ... Im Kampf für unsere Befreiung werden wir immer auf der Seite der Frauen gegen ihre Unterdrücker stehen."
Eine solche Rhetorik blieb in den Jahrzehnten nach der Veröffentlichung des Manifests der Redstockings weitgehend außerhalb der nationalen Debatte. Und als es anfing, sich einzuschleichen (besonders an Hochschulen), blieb es nicht unangefochten - vor allem nicht von Gelehrten wie Christina Hoff Sommers, deren Buch "The War Against Boys" aus dem Jahr 2000 die vielen Nachteile solcher allgemeinen Verallgemeinerungen feststellte. Aber in den letzten Jahren, mit metastasierenden Behauptungen wie es gebe eine wachsende "Vergewaltigungskultur" auf dem College-Campus, und mit der Wiederbelebung von Fragen nach einem ordentlichen Verfahren und Wahrheitsansprüchen von Frauen, wenn es um Anschuldigungen wegen Übergriffen geht, ist es in einigen Kreisen nicht nur akzeptabel, sondern sogar notwendig geworden, in pauschalen Verallgemeinerungen über Männer auf eine Weise zu sprechen, die nie toleriert würde, wenn man über Frauen spricht.
(...) Die Fragen, worauf Männer Anspruch haben und welchen Platz Männlichkeit in der zeitgenössischen Kultur hat, beschäftigen auch die Kritiker auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Fehlende traditionelle Rituale, um Jungen zu helfen, Männer zu werden (und unter dem Niedergang der zivilisierenden, stabilisierenden Institutionen wie traditioneller Dating-Kultur und Ehe), sind junge Männer ganz besonders ins Schwimmen gekommen, so lautet das Argument. Pop-Philosophen wie Jordan Peterson haben sich bemüht, die Lücke zu schließen und ihre Vorschläge zur Versöhnung der Männlichkeit in einem feministischen Zeitalter vorzulegen.
Ihr Rat ist bis zu einem gewissen Grad nützlich (stehe aufrecht, mache dein Bett, höre auf, dich in Selbstmitleid und Videospielen zu suhlen) und seine große Popularität spricht für den Hunger nach Führung, den so viele Männer haben. Aber wie wir während der Kavanaugh-Anhörungen gesehen haben, scheitern diese quasi philosophischen Bemühungen, eine respektable Männlichkeit zu schaffen, angesichts eines explosiven Angriffs wegen angeblicher Vergewaltigung, wenn die Gefühle-vor-Fakten-Einstellung die öffentliche Meinung und sogar die Verfahren vieler Institutionen (vom Silicon Valley bis zum Senat) beherrscht.
Sie sind auch keine effektive Antwort auf den wütenden Ton unserer Stammespolitik. TimesUp ist nicht nur eine aufwändige Branding-Kampagne, sondern auch eine treffende Beschreibung eines Schwadrons feministischer Frauen, die glauben, lange genug gewartet und nach den Regeln der Männer gespielt zu haben - und jetzt sei es an der Zeit, wütend zu werden und sich in einigen Fällen zu rächen. Mit anderen Worten: Frauen sind wütend, Männer sollten zur Seite treten. Trumps Wahl war der letzte Tropfen. Er verkörperte alles, was sie hassen, und doch gelang es ihm, Hillary Clinton zu besiegen. "Über die Bedrohung durch eine potenzielle Anführerin hat die brutale Männlichkeit gewonnen", schreibt Rebecca Traister in ihrem neuen Buch "Good and Mad".
Im Gegensatz zu den Wutausbrüchen von Kavanaugh ist diese Art von Wut jedoch gerecht. "Der Zorn der Frauen fördert die Kreativität und treibt Innovationen in der Politik und im sozialen Wandel an, und das hat er immer", argumentiert Traister. "Wir müssen unsere eigene Wut als gültig, als rational und nicht als das anerkennen, was man uns sagt: hässlich, hysterisch, marginal, lächerlich."
Die Anklage gegen andere Frauen ist ebenfalls ein Bestandteil des rechtschaffenen Zorns. Traister ruft weiße Frauen auf, die nicht-feministische "Politiken und Parteien unterstützen, die den wirtschaftlichen und politischen Status der Männer, von denen sie abhängen, schützen": eine weiteren Wiederholung des abgehalfterten Klischees vom falschen weiblichen Bewusstsein. "White Women, Come Get Your People", lautete die Schlagzeile eines Artikels der demokratischen Beraterin Alexis Grenell in der New York Times, offenbar weil 53 Prozent der weißen Frauen für Trump stimmten (der Kavanaugh nominierte) und jeder mit einer Gebärmutter, der es wagen würde, Kavanaugh zu unterstützen, als "Geschlechterverräterin" gilt. Grenell ist selbst eine weiße Frau, aber weil sie progressiv ist und Trump hasst, wird sie nicht durch die angeblichen Sünden dieser Gruppe befleckt. Dies ist auch der Grund, warum Senator Susan Collins eine "Vergewaltigungsverteidigerin" genannt wurde, als sie ihre Stimme abgab, um Kavanaugh zu bestätigen.
Die Wut der Frauen wird auch geltend gemacht, um die Ablehnung traditioneller Methoden der Faktenerfassung und -verifizierung zu rechtfertigen; eine Anklage genügt, und die Annahme lautet, dass alle Frauen anderen Frauen glauben werden. "Heute war jede Frau in Amerika Dr. Christine Blasey Fords Mitzeugin", sagte ein Tweet von TimesUp. "Wir glauben dir. Wir sind bei dir. #BelieveSurvivors." In einer öffentlichen Erklärung, in der gefordert wurde, dass Kavanaugh seine Nominierung zurückzieht, verstärkte die Organisation ihre Idee, dass eine Anschuldigung als Beweis für die männliche Verworfenheit angesehen werden sollte: "Ein Mann, dem mehrere Fälle sexueller Gewalt vorgeworfen werden, darf auf Jahrzehnte keine Entscheidungsbefugnis über das Leben amerikanischer Frauen haben."
(...) Aber etwas Unerwartetes geschah auf dem Weg zum Rufmord an Kavanaugh: Er verteidigte sich selbst und wurde von anderen verteidigt, darunter auch von vielen Frauen. Wo Feministinnen wollten, dass sich Frauen auf dem Sitz Christine Blasey Ford sehen, sahen viele stattdessen ihre Söhne oder Ehemänner oder Brüder auf dem Stuhl sitzen, auf dem Kavanaugh saß.
Und das hätten sie tun sollen, und das sollten sie immer noch. Denn was die Kavanaugh-Nominierung tat, war, die Transformation von Geschlechternormen für eine breitere Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Seit einigen Jahren gilt an vielen Hochschulen Sex als strafbares Vergehen, das bei jungen Männern zu einer Exmatrikulierung führen kann, ohne dass es zuvor etwas gab, das entfernt einem ordentlichen Prozess ähnelte.
Denken Sie daran, wie die Logik der Unschuldsvermutung bereits gründlich verzerrt wurde. Die feministische Website Jezebel nutzte eine "Untersuchung" der Datinggewohnheiten eines progressiven männlichen Reporters, um zu argumentieren, dass die nächste Arena für den Kampf die sogenannten Grauzonen seien. Julianne Escobedo Shepherd schreibt dort: "Die öffentliche Sympathie für diese Männer und der Wunsch nach ihrer Erlösung ist eine deprimierende, aber vertraute Wiederholung dessen, was wir schon immer gewusst haben: dass mutmaßliche Täter in allen Kontexten standardmäßig für unschuldig gehalten werden, bis ihre Schuld bewiesen ist".
Stattdessen, so argumentiert sie, sollten wir uns von der Vorstellung der feministischen Philosophin Kate Manne von "dem Sex, den er sich nimmt" leiten lassen, was sie als "dem Gesetz zufolge keine Vergewaltigung oder sexuellen Übergriff" beschreibt. "Es wird nicht von einem Richter und einer Jury geprüft. Es entspricht nicht den gesetzlichen Definitionen von sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung. Seine Grenzen, formlos und sich verlagernd, behandeln Zustimmung als etwas, das extrahiert werden muss, und verwandeln Sex in eine Ware, die genommen und nicht frei ausgetauscht werden kann. Selten kann dieser Sex explizit als Nötigung bezeichnet werden, weil er sich unter einer legalistischen Definition von sexueller Gewalt verbirgt und die Zustimmung als binär, ein einfaches 'ja' oder 'nein' behandelt."
Dies ist die Logik, die zu dem orwellschen Satz "Sprich deine Wahrheit" geführt hat, und die Annahme, dass persönliches, kraftvolles, emotionales Zeugnis einer beweisbaren Tatsache gleichkommt.
Was radikale feministische Theoretikerinnen seit langem argumentieren - dass es aufgrund des Patriarchats keine wahre Zustimmung gibt und dass alle Frauen potenzielle Opfer von Männern sind -, hat volle Blüte erreicht.
(...) Es gibt ein Sprichwort der radikalen feministischen Dichterin Audre Lorde, auf das sich linke Aktivistinnen oft berufen, wenn sie versuchen, Normbruch und Veränderung mit allen notwendigen Mitteln zu rechtfertigen: "Die Werkzeuge des Meisters werden niemals das Haus des Meisters demontieren." Diese Logik steckt hinter den Angriffen der progressiven Linken auf das Wahlkollegium, den Senat und jetzt den Obersten Gerichtshof als illegitime Institutionen. Es ist diese Logik, die behauptet, dass der Angeklagte sich nicht verteidigen darf, weil einige Männer Vergewaltiger sind, oder dass es in Ordnung ist, die verheerendsten Anklagen ohne Beweise zu erheben, weil "es nur ein Vorstellungsgespräch ist", nicht ein Strafverfahren. Es ist diese Logik, die kurzfristige Siege einfahren könnte, aber auf Kosten der langfristigen Zivilität und Gerechtigkeit.
Die #MeToo-Bewegung hat die schrecklichen Missbräuche vieler Männer ans Licht gebracht, und sie hat längst überfällige und entscheidende Gespräche über Zustimmung und Macht ausgelöst. Und während es wahr ist, dass nicht alle radikalen Ideen, die zum Mainstream werden, schädlich sind, ist es nicht wahr, dass alle radikalen Ideen den Bogen der Geschichte hin zum Fortschritt beugen. Es wäre eine Schande, wenn eine Bewegung, die das Potenzial hat, einige zutiefst beunruhigende und hartnäckige Aspekte der menschlichen Natur zu untersuchen, stattdessen Männerhass und die Gier nach Macht umarmen würde. Diese Schande ist da.
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