Freitag, April 20, 2018

"Das ist die Talibanisierung unserer Lebenswirklichkeit" – News vom 20. April 2018

1. Zu den Menschen außerhalb der journalistischen Filterbubble, die den herrschenden Feminismus kritisieren, stößt jetzt auch der Maler Neo Rauch. Im Interview mit dem "Handelsblatt" erklärte er:

Als jemand der (...) in der DDR aufgewachsen ist, spielte der Feminismus für mich natürlich überhaupt keine Rolle. Die Frauen waren in der DDR gleichberechtigt. Sie haben das Gleiche verdient wie die Männer und sie waren in jeder Hinsicht sehr selbstbewusst, auch in erotischer. Sie meldeten ihre Bedürfnisse ganz ungefiltert an. Und dann brach die Wende über uns herein und es veränderte sich sehr viel im Miteinander der Geschlechter. Das nimmt jetzt Fahrt auf in einer Art und Weise, der ich nicht immer ganz folgen kann. Auch nicht folgen will. Diese Übersensibilität, die jetzt Raum greift, die oftmals über das Ziel hinausschießt …

Handelsblatt: ... wenn zum Beispiel in Berlin das Gedicht "Avenidas" von einer Hauswand entfernt wird, weil es angeblich frauenfeindlich ist?

Rauch: Grauenvoll! Das ist eine Talibanisierung unserer Lebenswirklichkeit, die einem vorauseilenden Gehorsam entspricht, den ich nur verabscheuen kann. Ich schlage vor, anstelle der "Avenidas" folgende Zeilen von Bertolt Brecht anzubringen: "... oh wenn Ihr wüßtet, wie ich leide, seh ich eine schöne Frau, die den Steiß in gelber Seide schwenkt im Abendhimmelblau". Immerhin ein linker Autor, schon mal gut!


Diesen vorauseilenden Gehorsam, so Rauch und seine ebenfalls intervewte Partnerin Rosa Loy, kenne man aus der DDR sehr gut, auch wenn es dort kein Verbrechen gewesen sei, der Schönheit der Frau eine Huldigung darzubringen.

Großformatige Werbeplakate mit spärlich bekleideten Frauen empfindet Rauch weniger frauen- als männerverachtend: "Man wird auf das Stadium eines Straßenköters heruntergestuft, wird auf seine Reflexstruktur reduziert." Auf eine Frage zur "männerdominierten" Kunstbranche erwidert Rauch:

Es ist ja nicht so, dass nur die Männer die Bösewichte sind. Es gibt mitunter auch in unserer Branche Frauen, vor denen man die Frauen eigentlich in Schutz nehmen sollte. Rosa, wir haben das schon oft erlebt, dass gerade du von Frauen ausgegrenzt wurdest, von Galeristinnen oder von Jurorinnen. Es waren fast immer die Frauen, die sich gegen dich verschworen haben.




2. "Die Genderisierung im Sprachgebrauch nervt" befindet Sophie Rauch in einem Leitartikel des Hamburger "Abendblatts".



3. Der Chefredakteur Jens Clasen betreibt auf Twitter "Virtue Signalling", indem er sich als besonders frauenfreundlicher Mann präsentiert, der sogar die Straßenseite wechsele, wenn vor ihm eine Frau jogge. Dafür wird er inzwischen reihenweise verarscht.



4. Das Magazin "Neon" war eine der ersten Zeitschriften, die Männerrechtler als Deppen darstellte. Jetzt wird das Heft wegen einer katastrophal niedrigen Auflage eingestellt. Hätte man die Menschen außerhalb der journalistischen Filterbubble vielleicht doch etwas ernster nehmen sollen?



5. In einem Artikel darüber, wie er als Hausmann scheiterte, berichtet Oliver Füglister vom Argwohn von Müttern und wie ihn seine Frau nicht mehr als männlich-begehrenswert wahrnehmen konnte. ("Sie wünschte sich einen Mann, der 'voll und ganz im Leben' steht (...), auf den sie 'stolz' zeigen könne.")

Bemerkenswert sind in dem Beitrag Zeilen wie "Ich war privilegiert: Meine Frau finanzierte alles". Wenn Frauen sich in dieser privilegierten Situationen befinden, werden sie von Feministinnen wie Betty Friedan mit Häftlingen von Konzentrationslagern verglichen, und die deutsche Feministin Bascha Mika fabuliert: "Wir sind Geiseln, die gelernt haben, ihre Geiselnehmer zu lieben." Es ist immer weider erstaunlich, wie identische Lebenssituationen mal als enormes Glück und mal als unsägliches Verbrechen dargestellt werden, je nachdem ob ein Mann oder eine Frau davon betroffen ist.



6. Die Nachrichtenagentur Associated Press widmet sich den männlichen Opfern sexueller Übergriffe, die von der MeToo-Kampagne weitgehend ignoriert wurden:

Für einige männliche Opfer von sexuellen Übergriffen und Missbrauch, kann sich #MeToo mehr wie #WhatAboutMe anfühlen?

Sie bewundern die Frauen, die über traumatische Erfahrungen als Opfer von Übergriffen und Belästigungen sprechen, und fragen sich, ob Männer mit ähnlichen Narben jemals ein vergleichbares Maß an öffentlicher Empathie und Verständnis erhalten werden.

"Weil die Bewegung ausschließlich mit Frauen begann, fördert sie meine Einsamkeit als ehemaliges Opfer", sagte Chris Brown, Musikprofessor an der University of Minnesota. Er gehörte zu mehreren Männern, die im Dezember den berühmten Dirigenten James Levine beschuldigten, sie vor einigen Jahrzehnten als Teenager missbraucht zu haben, was zu Levines kürzlicher Entlassung durch die Metropolitan Opera Company führte.

"Männer gelten historisch gesehen als die Bösen", erklärte Brown und verwies auf die öffentliche Meinung. "Wenn einige Männer Frauen missbrauchen, dann sind wir alle Missbraucher ... also verdienen wir es, dass wir selbst missbraucht werden."

Browns Gefühl der Distanz zur #MeToo-Bewegung wird von anderen missbrauchten Männern geteilt - einige von ihnen haben einen #MenToo-Hashtag auf Twitter benutzt.

"Wir sind nie willkommen bei der Parade", sagte Andrew Schmutzer, Professor für Bibelstudien am Moody Bible Institute in Chicago, der über Missbrauch als Teenager geschrieben hat.

"Als männlicher Überlebender bist du immer eine Ergänzung", sagte er. "Du bist nie das Hauptthema einer Unterhaltung."

(....) Der New Yorker Psychoanalytiker Richard Gartner, ein Mitbegründer von MaleSurvivor, sagt, es gebe ein gesteigertes öffentliches Bewusstsein für den sexuellen Missbrauch von Männern in der Kindheit als Folge der großen Aufmerksamkeit für Skandale innerhalb der römisch-katholischen Kirche und an der Penn State University, wo Jerry Sandusky ein Assistenztrainer war, bevor er 2012 wegen sexuellen Missbrauchs von zehn Jungen verurteilt wurde. (...) Die Skandale der katholischen Kirche und des Penn State verstärkten die weit verbreitete Auffassung, dass der sexuelle Missbrauch des Kindes überwiegend von Männern begangen wird, aber Gartner sagte, dass der Missbrauch von Frau zu Mann "nicht so selten ist, wie man denkt".

Laut einer groß angelegten Studie, die 2005 von Forschern der Federal Centers for Disease Control and Prevention veröffentlicht wurde, machten weibliche Täter 40 Prozent des sexuellen Missbrauchs von Jungen aus. Die Studie ergab, dass sowohl Männer als auch Frauen, die als Kinder missbraucht wurden, doppelt so häufig wie andere Menschen später im Leben Selbstmord begehen.

(....) Joan Cook, die Yale Professorin, sagte, sie sei begeistert von der Größe der #MeToo Bewegung, aber frustriert im Namen der misshandelten Männer, die "nicht unter dem Zelt eingeschlossen zu sein scheinen".

"Frauen haben so lange darauf gewartet, dass sie ihr Recht bekommen, also gibt es vielleicht eine Haltung von: 'Nimm mir nicht meine Stimme weg'", sagte Cook. "Aber es ist kein Wettbewerb. Auch Männer haben lange gewartet, und sie sollten nicht warten müssen. Sie sollten jetzt gehört werden."

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