Donnerstag, Januar 11, 2018

Deutsche Journalistinnen fallen über Catherine Deneuve her – News vom 11. Januar 2018

1. Wer von den deutschen Medien Meinungsvielfalt erwartet, lebt definitiv im falschen Jahrhundert. Die Empörung deutscher Journalistinnen über den offenen Brief, mit dem hundert französische Schauspielerinnen, Autorinnen und Akademikerinnen die MeToo-Sexualhysterie kritisieren, zieht sich durch praktisch sämtliche Leitmedien ob in Print, Radio oder TV bis hin zur "Tagesschau". Dabei wird schon in den Schlagzeilen Deneuve immer wieder für Anfeindungen herausgepickt, so als ob es sich um eine vereinzelte Irrläuferin handeln würde: Die "Filmdiva" sei in den fünfziger Jahren steckengeblieben, heißt es beispielsweise, sie beweise nur "ihre eigene Rückständigkeit". An anderer Stelle wird zwar das Kollektiv wahrgenommen, aber lediglich im verächtlichen Tonfall – etwa wenn Journalistinnen genüsslich Tweets zitieren, denen zufolge die "verinnerlichte Frauenfeindlichkeit" von Deneuve und Co., "ihre Gehirne unwiederbringlich zerstört" habe.

Es sei "viel Hass", der Deneuve da entgegen schlage, frohlockt Anna Rinderspacher in der Huffington Post, aber Deneuve habe "diese bösen Worte auch verdient". So sind sie, die deutschen Journalistinnen, die sich über Hate Speech kaum genug entrüsten können – solange sie nicht aus dem eigenen Lager stammt. Ist das wirklich die geschickteste Methode, um nachzuweisen, dass das mit dem "totalitären Meinungsklima" und den "Hexenjagden", von denen die Französinnen sprechen, kompletter Schwachsinn ist? Tatsächlich werden sie durch diesen Furor bestätigt.

Dabei tun die Journalistinnen regelmäßig so, als seien sie nur Sprachrohre dessen, was die Frauen von heute – im Gegensatz zu dem Fossil Deneuve – tatsächlich denken. Dass es komplett umgekehrt aussieht, erfährt man nur aus Wortmeldungen von Nicht-Journalisten wie dem Sexualwissenschaftler Kurt Starke, der Schauspielerin Nina Proll oder dem eigenen weiblichen Bekanntenkreis. Wer sein Weltbild nur aus den Leitmedien bezieht, müsste derzeit glauben, dass die MeToo-Kampagne ausschließlich von aus der Zeit gefallenen Schwachköpfen missbilligt wird. "Die Wirklichkeitspartikel, die Medien aus der realen Welt aufnehmen", erklärte zu solchen Spektakeln einmal der Politikwissenschaftler Thomas Meyer, "werden von ihnen intensiv bearbeitet und was dann dabei herauskommt, ist eine Neuinszenierung der Welt und hat mit der Realität oft nicht sehr viel zu tun."

Immerhin, auch aus der aktuellen Gruppenhysterie gibt es wenigstens zwei mutige Ausreißer. Der eine ist Thomas Klingenmaier, der in der "Stuttgarter Zeitung" folgendes schreibt:

Bevor die Vorsicht einsetzt, ist zunächst mal die Empörung da. Durch die sozialen Netzwerke laufen Meldungen, die das innere Wutflämmchen mit Sauerstoff versorgen: "Catherine Deneuve fordert Recht auf sexuelle Belästigung", steht da zum Beispiel. So kann man die Metoo-Debatte natürlich in den oberen Rängen der Facebook-Rangliste geteilter, mit Grimmfratzen-Smileys versehener Beiträge halten. Der kleine Schönheitsfehler dieses Adrenalindrüsendrills? Deneuve, die Grande Dame des französischen Kinos, hat das so nie gesagt, nicht sie und nicht die anderen 100 Frauen, die gerade einen offenen Brief unterzeichnet haben.


Die aktuell mal wieder angeschlagene Tonart, so Klingenmaier,

und die mit ihr einhergehende Vermischung, Vermengung und Verunklarung von Gewaltverbrechen, Mobbing, Rüpelhaftigkeit, Unbeholfenheit, Verklemmtheitsentgleisung und nicht besonders gut ankommendem Humor sind länger schon typisch für die Metoo-Bewegung. (...) Eine neue Qualität der Perspektivverzerrung mengt sich in die Attacken.


So werfe aktuell eine Schauspielerin dem Regisseur James Franco vor,

sie habe – wie vertraglich vorgesehen – Nacktszenen spielen müssen. Aber was sei ihr denn übrig geblieben, als den Vertrag zu unterschreiben, wo sie diesen Job doch gebraucht habe? Das sind nun wirklich komplett verdrehte Alice-im-Wunderland-Definitionen sexueller Belästigung. (...) Die Metoo-Debatte braucht also dringend mehr Ehrlichkeit, Augenmaß, Begriffsschärfe und Faktenbasis.


Aber auch eine Journalistin will sich den Zornesausbrüchen ihrer Kolleginnen nicht anschließen. "Endlich sagt jemand die Wahrheit über MeToo" freut sich Kathrin Spoerr in der "Welt". Dort heißt es weiter:

Der Filmproduzent Harvey Weinstein hatte der Schauspielerin Ashley Judd indirekt angeboten: Rolle gegen Sex. Sie war nicht die Einzige. Es waren viele, vielleicht alle. Aber niemand, der den Deal eingegangen war, gab es zu.

Dann passierte der Irrsinn: Millionen Frauen der freiesten, aufgeklärtesten und fröhlichsten Länder der Welt schrieben auf Twitter, welche Übergriffe ihnen irgendwann passiert waren, Großes wie Kleines, alles galt gleich. Man gewann den Eindruck, im Westen könne keine Frau mehr mit einem Mann einen Fahrstuhl oder ein Besprechungszimmer betreten, ohne geschändet zu werden. Metoo war überall. Alle Männer waren Schweine, alle Frauen Opfer. Frauen erklärten der Welt, dass jedes Kompliment ein Übergriff sein kann. Männer erklärten sich anbiedernd zu Feministen oder zogen sich zurück. Wer differenzieren wollte, brach die als "Frauensolidarität" getarnte Meinungsdiktatur.

Nun endlich, nachdem Hollywood bei den Golden Globes sein Theater weitergespielt und mit dem Finger auf alle, nur nicht auf sich selbst gezeigt hat, sagt die große Catherine Deneuve: Stopp mit dem Unsinn!

Wie gut das tut.


"Teilen Sie die Meinung des Autors?" wird unter dem Artikel gefragt. Mit Stand von heute morgen um 9:00 Uhr sagen 941 Leser "ja" und 46 Leser "nein". Wer sich nur die journalistischen Beiträge zu dem offenen Brief von Deneuve & Co. durchliest, würde niemals auf den Gedanken kommen, dass das tatsächliche Meinungsbild in Wahrheit so aussieht.

Als gestern Abend die "Tagesthemen" über den offenen Brief der 100 Französinnen und die Reaktionen darauf berichteten, wurden unter Passanten ausschließlich Frauen nach ihrer Meinung gefragt. Von Männern, so hieß es in dem Beitrag, habe sich niemand dazu äußern wollen. Dass ein komplettes Geschlecht, die Hälfte der Bevölkerung, derart zum Schweigen gebracht worden ist, scheint für die Protagonisten und Mitläufer von MeToo vollkommen unproblematisch zu sein.



2. Frauenministerin Barley (SPD) droht Unternehmensvorständen mit der Frauenquote.



3. Der Florenzer Regisseur Leo Muscato hat ein neues Finale für Bizets Opernklassiker "Carmen" geschrieben, um ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen: Jetzt wird die Protagonisten zum Schluss des Stücks nicht mehr ermordet, sondern erschießt ihren Ex-Liebhaber Don José. Tote Männer sind schließlich unproblematisch.



4. James Damore steht nicht allein: Auch andere Männer im Technikbereich beklagen "umgekehrte Diskriminierung".



5. Nicht nur hierzulande, auch in Großbritannien steigt die Zahl der Obdachlosen. Inzwischen müssen sich dort immer mehr Männer prostituieren, um zu überleben.



6. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Im Tagesspiegel darf offenbar kein Artikel über Woody Allen mehr geschrieben werden, ohne zu erwähnen, dass Allen vor über 20 Jahren des Missbrauchs an seiner Adoptiv-Tochter Dylan bezichtigt wurde. So auch in der Kritik zu Allens aktuellem Film.

Konsequent nicht erwähnt wird, dass die Staatsanwaltschaft monatelang gegen Allen wegen Missbrauchs ermittelt hat und zu dem Schluss gekommen ist, KEINE Anklage zu erheben. Ebenso konsequent wird nicht erwähnt, dass zwei seiner Kinder ihn konsequent verteidigen und die damaligen Vorwürfe als "fabriziert" bezeichnen. Ist kein Geheimwissen, steht alles in der Wikipedia. Aber die Tagesspiegeljournalisten werfen anscheinend lieber mit Dreck: Es wird schon was hängenbleiben.


Abgesehen vom Weglassen solcher Informationen verwendet der "Tagesspiegel"-Artikel Formulierungen wie "Natürlich wäre es töricht, das Verhalten eines Regisseurs an dessen Werk zu messen". (Gemeint ist: "Natürlich wäre es töricht, das Werk eines Regisseurs an dessen Verhalten zu messen".) Solche Sätze erwecken den Eindruck, als wären Vorwürfe und Tatsachen so ziemlich dasselbe. Der wichtige Grundsatz, dass jemand als unschuldig zu gelten hat, bis ihm Schuld nachgewiesen wurde, geht in derartiger Rhetorik verloren.

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