Reaktionen auf Sebastian Eders Hit Piece in der Frankfurter Allgemeinen
Nach den Diskreditierungsversuchen in der Frankfurter Allgemeinen habe ich von vielen Lesern Solidarität und Unterstützung der unterschiedlichsten Form erhalten. Dafür danke ich euch allen zunächst einmal ganz herzlich!
Ich habe gestern einen Großteil des Tages verwendet, um eure Mails zu beantworten. Viele von euch haben begriffen, dass ich nur derjenige bin, an dem das Klischee des Männerrechtlers zwischen viel zu sachlichem Nerd und viel zu polterndem Radikalen aufgehängt wird und dass diese Darstellung uns alle treffen soll. Wenn diese Strategie nicht beabsichtigt wäre, könnte mein privater Lebensstil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung herzlich egal sein. Kein Mensch glaubt an ein Masseninteresse von FAZ-Lesern an der Frage "Wie sieht der Alltag von Arne Hoffmann aus?" Hier dient das Private politischen Zielen.
Nachdem der FAZ-Artikel von Lucas Schoppe zerpflückt wurde, gib es darauf mehrere weitere erwähnenswerte Reaktionen.
Zunächst einmal findet man einen neuen Blogbeitrag auf "Geschlechterallerlei", der die Selbstgerechtigkeit und Intoleranz dieser Form von Journalismus behandelt und ihr die Meinungsvielfalt des Internets entgegenstellt.
In der Kommentarspalten unter diesem Beitrag und auch bei Lucas Schoppe wird inzwischen eine Passage zitiert, worin mein ebenfalls für den FAZ-Artikel interviewter Pub-Quiz-Kumpel Patrick seine eigenen Erfahrungen mit Sebastian Eders Praktiken schildert: kurz und lesenswert.
Drei der Briefe, die mich gestern erreicht haben, möchte ich stellvertrtetend für die anderen zitieren.
So schreibt mir ein Leser:
Sehr geehrter Herr Hoffmann, ach was: lieber Arne,
man könnte es sich leicht machen und diesen Artikel Eders kopfschüttelnd als weiteren Beleg dafür abtun, dass Leute aus dieser ideologischen Ecke den zahlreichen wohlbegründeten Anliegen von Männern argumentativ rein gar nichts entgegenzusetzen haben. Es wird ein Glas Jauche in das Fass mit Rotwein gekippt und siehe da: alles eklig, alles ungenießbar, weg damit. Eder legt auf diese sattsam bekannte Masche nur noch eine Schippe drauf.
Jemanden in scheinbar lockerem Plauderton permanent zwischen den Zeilen zu beleidigen und als bemitleidenswerten Freak zu zeichnen, ist jedoch von einer Perfidie, die nur noch schwer zu ertragen ist. Immerhin ist die Irritation - und teils schiere Angst - über das Bröckeln der selbstverständlich gewordenen Deutungs- und Diskurshoheit immer deutlicher zu spüren. Dennoch bleibt hier ein Gefühl der Abscheu. Mit solchen Leuten möchte ich nicht diskutieren. Ich möchte ihnen nicht zuhören, nichts von ihnen lesen und sie nicht ansehen müssen. Natürlich führt das auch nicht weiter und schon bald bohren wir eben weiter an den dicken Brettern.
Ein anderer Leser schreibt mir:
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
als treuer Leser Ihres Blogs darf ich mich wohl zu jenen 400.000 Abtrünnigen zählen, die mit der herrschenden politischen Schwerpunktsetzung nicht einverstanden sind und sich eine stärkere und aufrichtige Beachtung männlicher Anliegen wünschen. Zudem stelle ich fest, dass die Lektüre Ihrer Kommentare zu einer gewissen Identifikation mit Ihnen als Mensch führt. Daher empfinde ich die persönlichen Abgriffe auf Sie als groben Fehltritt der FAZ, der wegen der niederträchtigen und rufmörderischen Qualitäten dieser Entgleisungen geradezu empört.
Wie viele feministische Autoren, Blogger und Schreihälse (bzw. jeweils *innen) führen keine feste Partnerschaft oder geben Tipps zum (auch amourösen) Umgang mit dem anderen Geschlecht? Wie viele haben finanzielle Probleme oder eine enge Bindung zu ihrer Primärfamilie? Welche Rolle spielt all das im Hinblick auf deren Möglichkeiten, sich an dieser Debatte beteiligen zu dürfen? Offenbar dürfen die das alles bzw. bleiben privatsphärisch geschützt.
So gesehen ist dieser Artikel ein wirklich abstoßender Fall eines primitiven, wenn auch seriös verkleideten Sexismus! Wenn es noch eines starken Grundes bedurft hätte, warum Sie Ihr Tun fortsetzen müssen, dann hat ihn dieser Beitrag eindrucksvoll zu liefern verstanden.
In diesem Sinne: nicht unterkriegen lassen.
Übrigens ist das einer der Gründe, warum ich meine Lebenssituation überhaupt so offen schildere: Genau dieses Offen-dazu-Stehen gehört dazu, wenn man Rollenfreiheit für Männer erkämpfen möchte. Wenn heute Typen wie Sebastian Eder über Männer herziehen, die im Alter von 48 Jahren als Single im Elternhaus leben, weil das der klassischen Männerrolle nicht entspricht, dann sind sie damit die exakten reaktionären Spiegelbilder derjenigen, die vor 100 Jahren über bestimmte Frauen als "Blaustrümpfe" gespottet haben, weil diese Frauen studiert und sich damit der klassischen Frauenrolle verweigert haben. Sich dagegen durchzusetzen gehört für Männer genauso zum Aufbrechen von Geschlechterzwängen wie ein Hausmann zu sein oder sich als Opfer sexueller oder häuslicher Gewalt zu outen.
Insofern (und auch weil ich mir diese Einstellung in meinem Engagement für sexuelle Minderheiten angeeignet habe), erscheint es mir richtig, auf entsprechende Fragen gerade nicht zu mauern, auch wenn ich mit meinen Antworten vorgeführt werden soll. Wie viele von euch erkannt haben, tue ich nichts, was unanständig wäre und deshalb verborgen bleiben muss.
Schon von daher war die starke Solidarität der Männerszene nach Sebastian Eders Schmähartikel nicht nur für mich persönlich wichtig. Denn diese Solidarität zeigt, dass unsere Szene bei weitem nicht so reaktionär und geschlechterrollenfixiert ist, wie ihr viele Außenstehende unterstellen – die damit nur ihre eigene Haltung auf uns projizieren.
Und wenn ein FAZ-Autor tatsächlich glaubt, im Jahr 2017 noch jemanden damit vorführen zu können, weil er neben vielen anderen Büchern zur Sexualität auch eines zum Thema Selbstbefriedigung geschrieben hat, dann ist das ebenfalls bemerkenswert. Selbst ein Buch mit dem ulkigen Titel "Onanieren für Profis" habe ich nicht ausschließlich zum Spaß geschrieben, sondern um genau solche Einstellungen herauszukitzeln und zu enttarnen. Wer in einer männerpolitischen Debatte als erstes mit einem spöttischen Hinweis auf dieses Buch ankommt, entlarvt die argumentutive Schwäche seiner Position sofort. Hier weiß man dann wirklich, dass sich der Versuch einer ernsthaften Auseinandersetzung nicht lohnt, weil er vom Gesprächspartner nicht gewollt ist.
Einen weiteren Leser beschäftigt es vor allem, wie verzerrend der Artikel mein Buch "Plädoyer für eine linke Männerpolitik" zitiert (was Lucas Schoppe ja gestern aufgeschlüsselt hatte):
Leider kann die Möglichkeit, dass so etwas passiert, nie ausgeschlossen werden, wenn man an die Öffentlichkeit geht und Kontakt zu Vertretern der Medien sucht. Aber der Verzicht darauf, dies zu versuchen, würde verringerte Erfolgschancen für die Sache bedeuten, denn manchmal funktioniert es ja auch. Man weiß es nur leider nicht vorher.
Es war auf jeden Fall richtig, dass du es versucht hast, und es ist richtig, es weiter zu versuchen.
"Plädoyer für eine linke Männerpolitik" ist hinsichtlich seiner wissenschaftlichen, politischen und ethischen Ausrichtung nicht angreifbar.
Mit dieser Formulierung ist nicht gemeint, dass jeder Leser zwangsläufig mit allem übereinstimmen müsste, sondern dass kein Leser, egal wie hoch seine Übereinstimmungsrate ist, rational begründet bestreiten kann, dass es ein Buch ist, dass sich darum bemüht, gemachte Behauptungen wissenschaftlich zu belegen, dass das Buch auf einem humanistischem moralischen Fundament beruht sowie aus einer linken politischen Perspektive verfasst ist.
Die Gegenseite hat also diskurspragmatisch betrachtet nur drei Möglichkeiten:
1.) das Buch ignorieren und zu versuchen, es totzuschweigen
2.) auf die persönliche Ebene zu gehen und zu versuchen, den Autor anzugreifen und zu diskreditieren
3.) einzelne Formulierungen zu entkontextualisieren und öffentlich falsch darzustellen (und zu hoffen, dass niemand nachliest, was da wirklich steht).
Die beiden letztgenannten Diskursstrategien werden in dem Artikel nun auf dich angewendet. Das geschieht aber natürlich, weil die Qualität des Buches (sowie deiner anderen männerrechtlichen Bücher) sehr hoch ist. Jede halbwegs offene und sachliche Auseinandersetzung damit könnte nur zu dem Ergebnis führen, dir in vielem Recht geben zu müssen oder die Inhalte zumindest als interessant, lesenswert und diskussionswürdig zu empfehlen. Was sollen unsere Gegner also tun? Sie haben ja in dieser Hinsicht gar keine andere Möglichkeit, als fiese Strategien anzuwenden, wie du sie gerade leider erlebt hast.
Das ist sehr ärgerlich – trotzdem aber natürlich immer noch besser als das, was Andersdenkende und Oppositionelle in prämodernen, autoritären und totalitären Gesellschaften nicht selten als Reaktionen auf ihre Arbeit erleben müssen.
Leider sind solche Abwehrreaktionen, wie du sie gerade erlebst, schwer vermeidbar, wenn man es mit einem politischer Gegner mit entsprechender politischer Macht und Diskursmacht zu tun hat, wie sie der heute in westlichen Gesellschaften vorherrschende Feminismus zur Zeit besitzt. Eine Abwehrreaktion dieser Art kommt oft, wenn der Gegner sich bereits durch eine Zunahme und Ausbreitung von fundierter Kritik in seiner hegemonialen Stellung bedroht sieht. In strategischer Perspektive ist dies also wahrscheinlich ein Symptom dafür, dass es mit der Sache vorangeht – so ärgerlich ein solches Erlebnis auch für denjenigen von uns ist, der es dann abkriegt.
Jedenfalls bist du in historischer Perspektive in bester Gesellschaft: Alle "Anführer" emanzipatorischer sozialer Bewegungen in der Geschichte haben krasse Verleumdungen durch ihre Gegner erlebt. Was aus subjektiver, persönlicher Perspektive eine sehr unangenehme Erfahrung ist, das gehört in historischer und soziologischer Perspektive zu den leider unvermeidbaren Abläufen jeder emanzipatorischen sozialen Bewegung, die irgendwann Erfolg hatte.
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