Frankfurter Allgemeine beklagt mutlose Politiker beim Geschlechterthema – News vom 26. Juni 2017
1. Genau heute vor einem Jahr hatte ich mein vierstündiges Interview mit einer taz-Journalistin im Wiesbadener "Mathilda". Ein aus diesem Interview entstandener Artikel ist bis heute nicht erschienen.
2. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung veröffentlichte gestern auf Seite 47 (Feuilleton) einen Beitrag des Männerrechtlers Ralf Bönt. In dem Artikel, der leider nicht online steht, erklärt Bönt, dass er als Linksliberaler inzwischen nicht mehr wisse, wen er wählen solle. Bönt bemängelt ein Fehlen von Politikern, die "schmerzhafte Debatten riskieren", beispielsweise wenn es um das Verhältnis von Familie und Arbeit gehe. Während sich das Leben von Frau und Mann vollkommen neu ordne, bleibe "unser Gespräch darüber jämmerlich":
Es ist stecken geblieben in einem dekadenalten Mantra von tätschelnder Frauenquote und dem Gender Pay Gap. Wir schaffen es bis heute nicht, Quoten in den Erziehungsberufen zu diskutieren oder einen Gender Jail Gap, einen Gender Suicide Gap, geschweige denn die Mutter aller Gendergaps, den Gender Life Expectancy Gap. Auch hier nimmt niemand mehr sein Gegenüber als Mensch war, sondern nur als Teil einer bestimmten Gruppe. Wie tief wir in der gegenseitigen Verachtung bereits gefallen sind, wurde offenbar, als Malerstar Daniel Richter kürzlich bei einer Leseveranstaltung in Berlin das Manifest zur Vernichtung der Männer vorlas, dass oberdumme, volksverhetzende Pamphlet, mit dem Valerie Solanas ihren Mordversuch an Andy Warhol begründete. Richter bemerkte dazu: Das sei ein sehr wichtiger Test für ihn, er lese ihn einmal im Jahr. Niemand protestierte. Genau wie niemand protestierte, als Hillary Clinton nach ihrer Niederlage sagte, die Zukunft sei weiblich. Hat ein ich noch nie jemand gesagt, die Zukunft sei weiß, sowjetisch oder arisch?
Mir erschließt sich nicht ganz, warum Bönt von "gegenseitiger" Verachtung spricht, wenn gegen Männer gerichtete offen faschistische Texte ungehemmt beworben werden. (Solanas erklärt Männer zu genetischen Fehlern, die vergast werden sollten.) Vergleichbare Bestseller mit Frauen als Zielscheibe gibt es nicht.
3. Was ist eigentlich von Katarina Barley (SPD) zu halten, die Manuela Schwesig ins Amt der Frauenministerin gefolgt ist? Der Blogger Gunnar Kunz hat sich Barley und ihre Positionen genauer angeschaut.
4. Mit der Frage, "warum Frauen weniger Hass im Netz verbreiten als Männer" beschäftigt sich Lisa Altmeier auf den Seiten des Magazins "jetzt" der "Süddeutschen Zeitung". Belege für die Behauptung, die dieser Frage zugrunde liegt, hat Altmeier freilich keine außer ihrer eigenen sexistischen Perspektive, weshalb sie notgedrungen bei Spekulationen landet wie, dieses Ungleichgewicht im "Hass" könne daran liegen, dass Frauen weniger Freizeit hätten (nämlich eine Stunde pro Woche, die folgt man dieser kruden Logik, von Männern zu Hasskommentaren genutzt wird). Schaut man sich statt des subjektiven Eindrucks einer Feministin tatsächlich vorliegende Studien an, ist natürlich schon die Unterstellung, von der Altmeiers Artikel ausgeht, falsch: Tatsächlich werden Männer online häufiger angegangen als Frauen, und in sozialen Medien wie Twitter stammt die Hälfte der frauenfeindlichen Belästigungen von Frauen selbst. Warum trotzdem immer wieder von einem Übermaß an Aggression bei Männern die Rede ist, wäre eine eigene Analyse wert.
5. Komplett anders gearbeitet als dieser und knappe hundert Prozent aller anderen Artikel über die armen Frauen und darunter vor allem die armen Feministinnen, die ständig Männerhass abbekämen, ist ein aktueller Beitrag von Dennis Sand in der "Welt". Er löst sich verblüffend stark von der gängigen Propaganda, um stattdessen nüchtern zu betrachten, was tatsächlich der Fall ist. Ein Auszug:
Und dann macht Suzie Grime noch Videos, die den Titel #Männerhass tragen, in denen sie sich sehr doll über weiße, heterosexuelle Männer aufregt, die ganz viele Dinge besser nicht tun oder sagen sollten, weil sie eben weiß und heterosexuell und männlich sind. (...) Suzie Grime sagt, dass sie gehasst wird, weil sie eine Feministin oder ein Gutmensch ist, und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass es wirklich einige sehr dumme Menschen gibt, die Suzie Grime dafür hassen, dass sie eine Feministin oder ein Gutmensch ist.
Ein anderer Teil aber kritisiert Suzie Grime nicht dafür, dass sie Feministin ist, sondern dafür, dass sie in ihren Videos mit Argumenten arbeitet, die ihre Thesen zwar stützen, aber keine echten Argumente sind. So werden Studien nur ausschnittsweise zitiert, es wird mit Übertreibungen und Überzeichnungen gearbeitet, und die Argumentationsketten sind auch nicht immer ganz stichhaltig. Es gibt Videos und Kommentare, die sich sehr sachlich damit auseinandersetzen.
"Und von wem kommen all diese Videos und Kommentare?", fragt Suzie auf der Tincon-Bühne und rührt sowohl die tatsächlichen Beleidigungen, wie auch die sachliche Kritik zusammen und zeigt dann in ihrer Präsentation unter anderem ein Bild von dem kleinen Ralph aus den "Simpsons", der eine Hakenkreuzfahne in der Hand trägt und sagt: "Ich will nur helfen." Die Nazis also.
Dieser Artikel ist ein echtes Novum in den Leitmedien. Normalerweise wird dort eins zu eins das feministische Narrativ übernommen, dem zufolge Männer halt scheiße sind, und wenn irgendjemand die These kritisiert, dass Männer halt scheiße sind, er damit also eine Feministin (synonym für "Liebe, Respekt und Toleranz") kritisiert, das beweise, dass er ein frauenhassender Nazi ist. Und jetzt kommt so ein Dennis Sand daher und sagt keck:
Vielleicht ist das, was Menschen wie Suzie Grime als Hass empfinden, auch manchmal einfach nur eine andere Meinung.
Die noch zudem in der Regel wesentlich besser belegt ist. Denn genau das ist der Grund, weshalb Feministinnen von der Sach- auf die persönliche Ebene wechseln und Leute, die Widerworte leisten, als Nazis porträtieren müssen: eine Herabsetzung, die mit Hass selbstverständlich überhaupt nichts zu tun hat ...
Einer der Kommentare unter dem Artikel, er stammt von einer "Barbara W.", lautet übrigens:
Die "Spurensuche" im Netz hätte durchaus gründlicher ausfallen können. Es fehlt der Hinweis darauf, wie die GEZ-alimentierte Frau Grime in zahlreichen Antwortvideos auf Youtube argumentativ zerlegt wird. Einfach mal beim Doktorant, Sally oder der Vulgären Analyse reinschauen. Es lohnt sich.
6. Das Blog NetReaper berichtet über ein ausgesprochen aufschlussreiches Experiment im Zusammenhang mit "Manspreading".
7. Studenten, die an der Universität Florida eine Veranstaltung planen, sollen jetzt das "emotionale Risiko" angeben, das mit dieser Veranstaltung verbunden ist – beispielsweise weil ihr Thema "sensibel" sei und heftige Reaktionen und Kontroversen auslösen könnte. Emily Jashinsky kommentiert:
Controversy over campus events featuring conservative speakers rocked higher education last year and it's easy to imagine this process is designed to justify greater university control over lectures and events with the potential to irritate progressive campus activists. It's also easy to imagine the requested assessment of "emotional risk" comes in response to the concerns of a generation of college students who claim to be impacted psychologically by ideas with which they disagree and believe they should be sheltered from them.
Speakers like Christina Hoff Sommers -- who dares to challenge the feminist misinformation on, for instance, campus rape statistics -- are subject to censorship efforts by students who claim to made unsafe by her lectures.
8. In einem Video der australischen Armee berichten Soldaten über ihre Erfahrungen als Opfer häuslicher Gewalt. Es ist insofern ein maskulistisches Video, als es in erfreulich nicht-sexistischer Weise Opfer ohne Ansehen des Geschlechts zu Wort kommen lässt:
Another soldier, also in uniform, describes verbal and physical abuse inflicted by his wife resulting in "blunt force trauma".
"Punching me in the back of the head while I wasn't looking, elbow me to the face," the male soldier says while recounting his personal story.
Vielleicht sind es solche kleinen Schritte, mit denen eine maskulistische Transformation unserer Gesellschaft ganz allmählich stattfinden wird – auch wenn Deutschland dabei leider das Schlusslicht spielt.
9. Die Post.Einer meiner Leser macht mich auf einen Beitrag bei Hadmut Danisch aufmerksam, in dem es mit Bezug auf Berichterstattung im "Focus" um eine auch von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) unterstützte Kampagne gegen Handy-Nutzung am Steuer geht. Danisch schreibt dazu:
Das Thema ist gut und richtig, Handy-Nutzung am Steuer ist ein ganz ernsthaftes Problem.
Aber sie zeigen ein Kampagnenvideo, in dem ein dusseliger Mann mit Handy mit einer hübschen Frau flirtet und die geht dann an der Ampel hin und scheuert ihm eine.
Mal von dem derben Geschlechtertheater (ich habe mal drauf geachtet, in Berlin habe ich sehr viel mehr Frauen am Steuer mit Handy als Männer gesehen) abgesehen, sowas ist Körperverletzung. Man kann nicht einfach im Straßenverkehr oder wo auch immer jedem, der einem nicht gefällt, eine runterhauen. Und wenn jemand seine Auseinandersetzungen im Straßenverkehr mit körperlicher Gewalt auslebt, ist das nach gängiger Rechtsprechung normalerweise ein Grund für den Entzug des Führerscheins auf Lebenszeit wegen charakterlicher Uneignung zur Führung eines Kraftfahrzeugs.
Muss man einem Alexander Dobrindt dann nicht auch die charakterliche Uneignung zum Führen eines Ministeriums unterstellen?
Wie kann das angehen, dass die Bundesregierung (vermutlich sogar mit Steuergeldern) Gewalt im Straßenverkehr (und völlig eindeutig auch sexualisierte Gewalt, denn genau darauf läuft das Video ja hinaus) fördert und als gut und richtig hinstellt?
Mein Leser merkt dazu an:
Ich sehe die große Gefahr darin, dass Gewalt gegen Männer bzw. allgemein Gewalt in Form von Selbstjustiz gutgeheißen wird.
Und dann stelle ich mir jetzt die Sachlage in vertauschten Rollen vor: Frau fährt mit Handy, Mann steigt aus und scheuert ihr eine!
Den medialen Aufschrei kann man(n) sich gut vorstellen. Vor allem, wenn dies dann auch noch von staatlicher Seite unterstützt würde.
Ich bin gespannt, ob außer dem Focus andere Medien auch berichten (von Focus halte ich persönlich nicht viel), zumal es bei Focus auch nur um die Kampagne geht, aber nicht um die Gewaltanwendung.
Der Focus-Artikel Sebastian Viehmanns ist mit der Behauptung überschrieben, der geschlagene Autofahrer habe die Gewalthandlung "absolut verdient". Auch diese Schlagzeile wäre bei umgekehrt verteilten Geschlechtern in dem Werbespot undenkbar gewesen. Viel mehr braucht man nicht zu wissen, wenn man ahnen möchte, warum männliche Gewaltopfer bis heute derart wenig Schutz und Unterstützung erhalten.
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