Vermischtes vom 8. Oktober 2016
Obwohl ich für jede Presseschau, jeden Medienspiegel hier auf Genderama einfach nur diejenigen tagesaktuellen News zusammenstelle, die ich persönlich spannend und erwähnenswert finde, kommt es immer wieder vor, dass sich ein zufälliges Leitthema ergibt, das den meisten verlinkten Beiträgen zugrunde liegt. Manchmal geht es um Falschbeschuldigungen unterschiedlichster Art, manchmal um Kritik an bestimmten Aspekten des Feminismus und so weiter. Ich bin immer wieder selbst überrascht, wenn eine solche Struktur entsteht, ohne dass ich steuernd selbst dafür sorge. (An anderen Tagen ist die Nachrichtenlage dann wieder Kraut und Rüben, und es fällt mir manchmal schwer von einem Thema zu einem komplett anderen überzuleiten.) Heute kristallisiert sich das Thema "Männerpolitik im Umbruch/Aufbruch" heraus. Es scheint einen immer stärkeren Drang zu geben, bestehende Polarisierungen und gegenseitige Abschottungen zu überwinden sowie bisher nur von Minderheiten behandelten Themen wie Männerpolitik und Männerdiskriminierung dem Mainstream näher zu bringen. Aber natürlich sind dort die Beharrungskräfte weiterhin groß.
1. Franzjörg Krieg, einer von Deutschlands führenden Väterrechtlern, blickt in einem aktuellen Beitrag auf die jüngsten männerpolitischen Entwicklungen zurück. Ich gehe davon aus, dass es in seinem Sinne ist, wenn ich seinen Beitrag hier im Volltext übernehme:
Seit dem von mir organisierten Vernetzungskongress 2013 in Karlsruhe gab es eine stürmische Entwicklung, die Mut macht und unsere lange erfolglos andauernden Bemühungen auch endlich als fruchtbar erkenntlich macht.
Immer wieder hat die Diskussion in den Männergruppierungen aber von verschiedenen Polen aus den Geruch der ideologisch und/oder emotional bedingten Einäugigkeit.
Der 1. Genderkongress 2015 in Nürnberg hat polarisiert und Fronten geschaffen. Die erfolgreiche Durchführung dieses Kongresses hat die anfänglichen Befürchtungen aber zerstreut und positive Ansätze erkennbar gemacht. Inzwischen sind wir dabei, die durch politisch gesteuerte Kreise entstandenen Kollateralschäden zu beheben.
Fakt ist, dass wir Männer Jahrzehnte von Tatlosigkeit nachzuarbeiten haben. Wir haben zugelassen, dass Frauen – auch eng fokussierte Männerhasserinnen – den Weg in die Politik gefunden haben und aus Steuergeldern seit Jahrzehnten finanziert werden. Die Frauen haben Organisationen gegründet, die offen gegen Männer vorgehen, allein egozentrisch orientiert sind – und trotzdem von unseren Steuern leben.
Wir haben zugelassen, dass in "Autonomen" Frauenhäusern rechtsfreie Räume entstanden sind. Wir haben zugesehen, als "Frauen für Frauen" aus unseren Steuergeldern bezahlt wurden. Wir haben immer noch zugesehen, als unzählige solcher Organisationen in ihrer Vernetzung in die Geschehnisse um Trennung und Scheidung eingebrochen sind und wir haben erst angefangen zu protestieren, als es schon viel zu spät war und wir die Folgen dieser Untätigkeit am eigenen Leib zu spüren bekamen.
ALLE Anstrengungen verschiedenster Personen, Gruppierungen und Organisationen, die versuchen, dagegen ein Gewicht zu schaffen, sind wichtig.
Beim ersten VÄTERKONGRESS 2008 haben wir noch vehement eine Vertretung der Männer zwischen 18 und 65 im BMaaM (Bundesministerium für alles außer Männer zwischen 18 und 65) gefordert. Und das kam dann auch. Aber natürlich unter dem Diktat der längst fett eingesessenen Frauen mit allen ihren Seilschaften auf allen Ebenen bis hoch in die Parlamente und Ministerien. Im Bundestag sitzen auch Fachanwältinnen für Familienrecht, die wir aus vielen Verfahren als Väter-Jägerinnen kennen. Solche Personen steuern von oben aus und machen die Politik lenkbar – in ihrem Sinn.
Wenn SPD-Frauen in einer Anhörung zum Wechselmodell im Familienausschuss des Bundestages sich demonstrativ parallel mit anderen Themen gegen-beschäftigen und sich dabei amüsieren, sind das nur kleine Zeichen der herrschenden Verhältnisse.
Und wir müssen auch erkennen, dass es nicht allein den Frauen zu schulden ist, dass Schwule politisch mehr Einfluss haben als Väter nach einer Trennung.
Da haben die Frauenversteher und Schwulenvertreter im BFM (Bundesforum Männer) durchaus ihren Anteil.
Dass das BFM überhaupt eingerichtet wurde, ist schon ein Erfolg. Dass es profeministisch gesteuert ist, liegt in der Natur der Sache. Ob damit die Weiterentwicklung gebremst und Männerbedarfe unsichtbar gemacht werden, darüber kann man lange streiten.
Sicher ist, dass die Entwicklung weiter geht. Und dass wir dabei immer politiknäher agieren, zeigt den Fortschritt.
Was wir noch leisten müssen, ist die Vernetzung und Wertschätzung ALLER Initiativen, die für die Sache arbeiten, untereinander: MANNdat, agens, IG-JMV, BFM …
Die SPD (FES) hat mit ihrer politischen Aktion unter Einsatz von Gesterkamp und Rosenbrock erfolgreich einen Keil in die Bemühungen um das Erkennen von Männerbedarfen getrieben und hat die Ausgrenzung von MANNdat und agens politisch opportun gemacht.
Das müssen wir endlich hinter uns lassen.
Dabei sind Empfindsamkeiten vieler in allen Männerorganisationen kontraproduktiv.
Wichtig ist, dass die Grenzen zwischen uns immer durchlässiger werden und dass alles in eine Richtung geht: Hin zum Erkennbarwerden und zur politischen Akzeptanz der Bedarfe von Männern, auch wenn sie Väter sind.
Da wünsche ich mir manchmal etwas mehr Weitsicht.
2. Der ehemalige MANNdat-Vorsitzende Dr. Bruno Köhler hat Markus Meiers Buch Lernen und Geschlecht heute in einem internationalen Journal für Pädagogik veröffentlicht und gelangt dort zu dem Fazit: "Das Buch hat das Potenzial, ein kritisches Standardwerk zum Thema geschlechterspezifischer Pädagogik zu werden."
3. Nachdem Genderama in den letzten Jahren mehrfach über die in der internationalen Mediendebatte verschwiegenen männlichen Opfer der islamistischen Terrororganisation Boko Haram berichtet hatte, widmet sich jetzt auch die Berliner "taz" diesem Thema in dem Artikel "Sag mir, wo die Männer sind": "Niemand fragt, wo die Männer sind; vor allem jene im Alter zwischen 14 und 35 Jahren", zitiert die taz-Autorin Katrin Gänsler den Nigeria-Experten der Menschenrechtsorganisation Amnesty International: "Darauf wollen wir eine Antwort haben." Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geht davon aus, dass zahlreiche Jungen und Männer erschossen wurden.
Eine Kritik des Andreas-Kemper-Lagers daran, dass die "taz" hier offenkundig rechtsradikale Opfer-Diskurse der maskulistischen Bewegung übernimmt, liegt noch nicht vor.
4. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann bittet nach starker Kritik um Verzeihung für seine Formulierung "So ist und bleibt die klassische Ehe die bevorzugte Lebensform der meisten Menschen – und das ist auch gut so." Die Ehe für Alle bleibe sein politisches Ziel. Kritiker hatten Kretschmann vorgeworfen, mit dieser Äußerung die rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben zu unterminieren und die reaktionäre Ideologie von Familien erster und zweiter Klasse zu stärken. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte, die Partei trete "weiterhin für eine vielfältige Familienpolitik" ein. "Damit jeder leben und lieben kann, wie er oder sie will."
5. Gegen die Yahoo-Geschäftsführerin Marissa Mayer wurde eine Klage wegen der Diskriminierung von Männern eingereicht. Christian Schmidt lädt ein zur Diskussion.
6. Zur New Yorker Premiere der Männerechtler-Dokumentation "The Red Pill" von Cassie Jaye liegen derzeit noch keine Texte vor, die sich für eine Verlinkung auf Genderama anböten, sondern lediglich ein hübsches Foto der Gaststars, die den Film vorstellen. Neben Cassie Jaye sieht man unter anderem Paul Elam, den Begründer der männerpolitischen Website A Voice for Men, sowie die kanadische Feminismuskritikerin Karen Straughan auf der Bühne. Der Herr ganz rechts im Bild ist der Männerrechtler-Hasser Michael Kimmel, der mit seinen Polemiken gegen diese neue soziale Bewegung auch Teil der Debatte ist und deshalb ebenfalls von den Filmproduzenten eingeladen wurde.
Die linksalternative New Yorker Zeitung "Village Voice", in der bereits ein Vorab-Verriss von Cassie Jayes Dokumentation erschienen war, verweigerte das (bezahlte) Abdrucken einer Anzeige, die auf den Film hinweist. Daher inserierte das Filmteam stattdessen in der New York Times.
7. Die Medienplattform allthink.com hat ein Interview mit einem nordamerikanischen Universitätsprofessor veröffentlicht, der anonym bleiben möchte. Er berichtet über die Entwicklungen, die im akademischen Bereich in der jüngsten Vergangenheit stattgefunden hat:
Instead of talking about History, Philosophy, and Sociology, we started learning about Women's Studies, Black Studies, Gender Studies, X, Y, Z Studies as opposed to learning methods. This took place from around 1990–2010. So if you were born after the late 80's or later you grew up with certain expectations - expectations like what we see now with "Safe Spaces" and attacks on Free Speech and the idea that "my feelings trump your ability to inquire about anything." This wasn't the case in the 80's University atmosphere and even the early 90's to a degree. But now it's sufficiently common that the small minority of vocal voices drown out everyone. In 2015 it became so extreme that the silent majority throughout the world finally said: "we can't take this anymore."
(...) In 2013, the first Facebook pages came online that seemed to question the proverbial "Social Justice Warrior" narrative. Initially they seemed to be in the lunatic fringe. Then in 2014 they gathered attention so people started saying, "Oh, there's crazies and they're bad people." Which is precisely what they said about Martin Luther King - that he was a bad person - that Gandhi was a bad person; that Harvey Milk who campaigned for gay rights was a bad person; the woman who fought for the vote were bad people.
Obviously one wants equal rights for everyone. But when one person says they don't like the majority narrative they get called "the crazies" instead of dealing with their arguments. In 2013 the Anti-Social Justice Warrior and the Anti-PC group were under the radar screen. In 2014 they were ON the radar screen and got called the "crazies". In 2015 they didn't go away - because the beauty of the internet is that you can't make people go away. Arguments keep coming like the barbarians at the gates.
And the only solution on social media is to delete comments - which Social Justice Warriors and Feminists have started to do. Because when you say, "All men are potential rapists," and you find out women rape, too; when you say, "Men do domestic violence," and you find out Lesbians have the highest rates of domestic violence, this is what happens.
People started producing data and questioning the mainstream narrative. And the media started say: "Let's not have this anymore." That's where we are now. The people asking the questions have not stopped doing it and now we have the proverbial "emperor has no clothes." Typically, it's kids and disenfranchised people who are saying they don't buy what the powers that be are selling.
I would truly say it's equivalent to Stonewall for the Gay Rights movement, I equate it to the fall of the Berlin Wall - for real - I equate it to the Arab Spring but bigger. I would actually argue that what's happened in 2014 is bigger than the Arab Spring.
8. Tristan Rosenkranz äußerte mir gegenüber leichten Unmut darüber, dass ich Ende September versäumt habe, auf die Netzwerktagung des Männerberatungsnetzwerks hinzuweisen, zu der Vertreter von teils sehr unterschiedlicher Organisationen wie z.B. dem Bundesforum Männer, dem Schweizer Männerhaus Zwüschehalt, Mogis und MANNdat zusammengekommen sind. Da dieser Hinweis heute ohnehin gut in die Gesamtthematik passt, hole ich ihn hiermit gerne nach.
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