Dienstag, September 27, 2016

Vermischtes am 27. September 2016

1. Der Youtuber Till Engel stellt die Männerrechtsbewegung und ihre Anliegen vor. Ein starkes Video. Till Engel ist selbst kein Männerrechtler, ließ sich aber offenkundig von den Argumenten und Belegen eines maskulistischen Bloggers überzeugen.



2. Inzwischen liegen die Reaktionen der Bundestagsparteien auf die Sexismusvorwürfe von Jenna Behrends vor. Ein Auszug:

SPD-Vizechef Ralf Stegner fordert eine umfassende Auseinandersetzung mit sexistischem Verhalten in Politik und Gesellschaft. (...) Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) verurteilt Sexismus im Alltag und am Arbeitsplatz. Sexistische Sprüche und sogenannte Herrenwitze seien "nicht nur altmodisch, sondern völlig inakzeptabel", sagte Schwesig.

(...) Die Vize-Chefin der Linkspartei, Caren Lay, bringt einen Verhaltenskodex ins Spiel. "Ein Leitfaden kann Unbelehrbaren helfen, sich in einer gleichberechtigten Gesellschaft zurechtzufinden", sagte Lay dem Handelsblatt. Sexismus sei eine leider immer noch existierende "Waffe der Männer im Kampf um Posten, Macht und Einfluss, gegen die nur eine Strategie in Frage kommt: Null Toleranz". Die "sicherste Bank gegen Sexismus" sei und bleibe jedoch die Quote, so Lay.


Weil Sexismus in unserer Gesellschaft bekanntlich ein Tabuthema ist, muss sich natürlich auch die deutsche Bundesregierung äußern, wenn irgendwo ein Mann eine Frau als "süße Maus" beschimpft:

"Da, wo Frauen in unserer Gesellschaft noch immer herabgewürdigt werden als Frauen, da trifft das auf eine ganz klare Haltung, ablehnende Haltung durch die Bundesregierung", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.


Zu den Unbelehrbaren, die bislang leitfadenlos im Stich gelassen werden, gehört hingegen die Bundestagsabgeordnete Katrin Albsteiger (CSU). Sie beklagt ein Zeitalter des "Empörialismus":

Viele Einzelfälle, die uns als "Sexismus" präsentiert werden, halte ich hier schlicht für falsch abgelegt. Diagnose: kein Sexismus. Das meiste, was in diesem Zusammenhang ins Feld geführt wird, könnte man unter den Stichworten "unpassende Bemerkungen", "missglückte Komplimente" oder auch "schlechtes Benehmen" verbuchen.

So auch die im aktuellen Fall aufgeführten Beispiele. Unpassende Wortwahl oder eine Herrenwitzpointe sind für sich eben nicht sexistisch. Eine "große süße Maus" würde ich als geflopptes Kompliment sehen, nicht als Sexismus. Anders: Sobald ein Parteimitglied bei einer Wahl zu Vorstandsposten aber systematisch den Frauen die Stimme verweigert und aufgrund ihres Geschlechts nur Männer wählt, sehr wohl, weil es Auswirkungen auf die soziale Stellung von Frauen hat. Davon ist hier aber nicht die Rede.

Die Sprachpolizisten sind indes vor allem daran interessiert, prinzipiell alle verbalen Fehltritte unter "Sexismus" zu subsumieren. Warum? Weil sie auf diesem Gebiet die Deutungshoheit haben. Solange es sich nur um Kommunikationsprobleme oder Gossensprache (F-Wort) handelt, könnte man noch den allgemeinen Sprachverfall beklagen. Handelt es sich aber um "Sexismus", ist der Teil des politischen Spektrums zuständig, der so gerne die Empörungsmaschinerie bedient – los geht der "Aufschrei".

Wir sind im Zeitalter des Empörialismus – in dem einem mittels blitzartiger, großflächiger Aufregung bei Untergrabung argumentativer Tiefe eine Agenda aufgezwungen wird. Aus individuellen Kommunikationspannen eines Politikers wird dann ein "gesellschaftliches Phänomen", gerne auch ein "politisches Phänomen", konstruiert. Ich meine: Unpassende Bemerkungen kommen innerhalb und außerhalb der Politik vor, aber nur in der Politik bekommt man die ganze Breitseite der Empörung ab – da ist er wieder, der "Tugendfuror", den unser Staatsoberhaupt schon einmal angesprochen hat.

Bin ich selber auch schon Ziel eines missglückten Kompliments geworden? Sicher. War ich auch schon mal Opfer von Sexismus? Sicher nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es am besten ist, unpassenden Bemerkungen mit einer flotten Antwort zu begegnen und gut ist es.


Christian Schmidt durchleuchtet den Fall Jenna Behrends heute noch einmal gründlich.



3. Nach Sexismus-Vorwürfen muss eine Trierer Künstlerin ihre Bilder abhängen. Sie reagiert so:

Mana Binz hat zwar ihre Bilder abgehängt, ist über den Vorfall allerdings besorgt. "Verbotene Bilder haben immer ein Geschmäckle. Immer, wenn Bilder verboten wurden, waren das Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche. Man muss da schon – wehret den Anfängen – vorsichtig sein. Auch wenn ich das gerne als ein bisschen lächerlich abtäte. Aber es ist immer das erste wirklich ernst zu nehmende Signal, dass die Freiheit auch gefährdet ist."


Dieser Gedankengang täte auch der Debatte um das von Heiko Maas (SPD) geforderte Verbot "sexistischer" Reklame gut.



4. Übers Wochende gab es einen Sturm im Wasserglas über einen Satire-Antrag der Flensburger Linken, in dem diese Partei angeblich forderte, auch Begriffe wie "Papierkorb" und "Briefkopf" durchzugendern ("der/die Briefkopf/köpfin"). Recht schnell entpuppte sich das dann doch als Scherz. Dieser hinterlässt jedoch einigen Unmut: Bei mir bekannten Männerrechtlern, weil es immer schwerer wird, im Genderlager Satire und Ernsthaftigkeit auseinanderzuhalten, bei mir bekannten Linken, weil sie ihre Partei nicht als Juxpartei verstehen und weil es sie stört, wenn satirische Texte über lange Jahre hinweg als angeblich ernsthafte Forderungen durchs Internet geistern, und vom Bildblog wegen eines fragwürdigen Umgangs mit dieser (verunglückten) Satire.



5. Anne Wizoreks Blog "kleiner drei" plädiert für das Gendern mit Doppelpunkt:

Ich las: "Du gehörst zu den glücklichen Gewinner:innen einer Kaufoption". Riesige Freude erfüllte mich. Aber nicht nur das. Beim zweiten Lesen irritierte mich die Art und Weise wie dort gegendert wurde. Da war kein Sternchen mehr, kein Unterstrich, kein Binnen-I, sondern ein Doppelpunkt. Wie perfekt! Denn anders als der Unterstrich oder das Gendersternchen zieht er das Wort nicht so weit auseinander und schließt, anders als das Binnen-I, trotzdem alle Identitäten mit ein: Leser:innen, Sieger:innen, Kraftfahrzeugführer:innen – seht ihr, wie schön das aussieht?


Etwas später lästert die Bloggerin über den offenbar typischen "Alte-weiße-Männer-Zynismus". Toll, dass Feministinnen so engagiert die Herabsetzung verschiedener sozialer Gruppen bekämpfen und endlich eine Gesellschaft begründen, in der sich wirklich niemand mehr ausgegrenzt fühlen muss! Im weiteren Verlauf des Artikels beantwortet Lann Hornscheidt als ideale:r Gesprächspartner:in ein paar Fragen.



6. Finnlands öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt Yle zufolge, scheint Finnland unter den Flüchtlingen Frauen zu bevorzugen:

Finland's Immigration Service has given siblings different asylum decisions, despite their situations being very similar. Yle has investigated cases where the sister has been granted asylum but the brother refused — because Finnish authorities believe internal displacement is easier for men than women.




7. Off-topic: Ich habe mir heute Nacht die hitzige Debatte zwischen Clinton und Trump angeschaut und stimme der Mehrheitsmeinung zu: Clinton hat sich als deutlich überlegen präsentiert. Noch sehr viel klarer wird die Diskrepanz zwischen den beiden, wenn man sich die Zeit für einen Faktencheck der von Trump aufgestellten Behauptungen nimmt (siehe etwa hier und hier.) Ich kann bekanntlich keinen der beiden Kandidaten gut leiden, aber dass Trump sich kontinuierlich Dinge offenbar schlicht ausdenkt, die er dann mit theatralischer Selbstsicherheit vorträgt, nervt schon extrem.

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