Sonntag, Juni 19, 2016

Vermischtes vom 19. Juni 2016

Die Nachrichtenfülle war ausreichend; also gibt es heute doch Neues auf Genderama. :-)



1. Die International Business Times berichtet aus Indien über die Proteste von Väterrechtlern am internationalen Vatertag.



2. In einem Artikel von Melanie Amann und Ann-Katrin Müller in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL (nur im Anriss online) erklären die Autorinnen, warum sich entgegen Frauenministerin Schwesigs entsprechenden Versuchen der Fall Gina-Lisa Lohfinks nicht als Argument für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts unter der Parole "Nein heißt Nein" eignet. Das mag überraschen, nachdem in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien etliche Menschen förmlich ausgerastet sind vor Empörung über den Freispruch der Angeklagten – Menschen, die ihre Wut in der Regel aus einem Bruchteil der im Prozess vorgebrachten Indizien, einem einzigen im Internet kursierenden Videoclip, speisen. Melanie Amann und Ann-Katrin Müller erklären genauer, was hinter dem Freispruch steckt:

Als Kripobeamtin Claudia Rausch die elf Dateien begutachtet, sieht sie nicht den einen kurzen Clip, der später so viele Menschen wütend machen wird. Sie sieht elf Videos, teils mehrere Minuten lang, und kann darin "kein sichtbares Abwehrverhalten" von Lohfink, "bezogen auf die sexuellen Handlungen", erkennen – sehr wohl aber auf das Filmen. "Ihr seid krank", ruft Lohfink an einer Stelle in die Kamera. "Wie kann man nur die ganze Zeit filmen! Brauchst du Geld?" Die Polizistin findet, Lohfink "scheint genervt von dem Filmen und entzieht sich, indem sie das Zimmer verlässt". Dass die Männer sie aufgehalten hätten, steht nicht dort.

Rausch hat "aufgrund der regen verbalen Kommunikation aller Beteiligten nicht den Eindruck, … dass die Geschädigte bis zur Wehrlosigkeit sediert" war. Im Gegenteil: Lohfink "läuft durch die Wohnung, begibt sich vom Bett aufs Sofa und zum PC des Beschuldigten C., tanzt, singt und küsst sich, auch während des Geschlechtsverkehrs, mit den Beschuldigten." Auf Fotos sieht man, wie sie sich an die nackte Brust eines der Männer schmiegt. Auch der Toxikologe wird zu demselben Ergebnis wie Rausch kommen: "Anhand der Videoaufnahmen ergibt sich kein Anhalt für die Wirkung von Stoffen, die eine Vigilanzminderung auslösen (K.-o.-Tropfen)."


Wie Amann und Müller weiter ausführen, wird am Fall Lohfink jetzt die Debatte über die aktuelle Streitfrage aufgehängt:

Reicht es für eine Vergewaltigung, wenn das Opfer eindeutig Nein sagte? Oder soll der Rechtsstaat wie bisher Beweise verlangen, dass die Frau sich wehrte, mit Drohungen gefügig gemacht wurde oder dem Täter hilflos ausgeliefert war?


Der im Netz kursierende Ausschnitt scheine das Killerargument schlechthin für die Befürworter einer Strafrechtsverschärfung zu sein:

Es gab doch das Video, in dem sie „Nein, nein, nein!“ sagt, und doch kommen die Täter straffrei davon. Ob allerdings dieser kurze Clip die ganze Wahrheit zeigt, interessiert kaum jemanden. Auch die Frage, warum zwei Vergewaltiger Videos der Tatnacht, auf denen sie klar zu erkennen sind, verkaufen sollten, stellt niemand mehr.


Amann und Müller zitieren auch die feministischen Kurzschlüsse in dieser Debatte:

"Der Umgang mit dem Fall Gina-Lisa ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft", schreibt die bekannte Feministin Anne Wizorek. "Wie Justiz, Medien und Öffentlichkeit in diesem Fall agieren, ist nicht nur schockierend, es macht wütend." Das feministische "Missy Magazin" erklärt Lohfink zur "Heldin", in der aktuellen "Zeit" wird Staatsanwältin Gögge plötzlich zur "Dorfrichterin". Die Beamtin leide unter der Kritik an ihrer Entscheidung, sagen Berliner Staatsanwälte. Dabei gilt gerade Gögge als harte Verfolgerin von Sexualdelikten. Berlins Justizsenator Thomas Heilmann verteidigt seine Beamtin. "Der Eindruck, geschädigten Frauen würde von der Justiz nicht geholfen, ist falsch und fatal", sagt er. "Frau Lohfink taugt nicht als Kronzeugin."


Entgegen weiten Teilen der öffentlichen Debatte zeigt der Fall Lohfink in Wirklichkeit, warum die Parole "Nein heißt Nein" in die Irre führt. Man muss schon die Gesamtsituation betrachten und nicht ein einzelnes Wort.

In einem weiteren Artikel zu dieser Debatte unterstützt der aktuelle SPIEGEL die Fraktion, die eine Verschärfung des Sexualstrafrechts fordert. Immerhin zeigt dieser Artikel aber, dass die Gesellschaft über diese Frage "tief gespalten" ist und nicht die aufgeklärte Mehrheit gegen ein Trüppchen ewig gestriger Frauenhasser steht.



3. Markus Theunert, in dessen Veröffentlichungen Männerrechtler bisher schlecht wegkamen, findet es inzwischen problematisch, dass in einem Fitnesstudio ein Tanktop-Verbot nur für Männer gilt. Prinzipiell eine erfreuliche Entwicklung, aber ich frage mich immer noch, wie man sich auf so einen Kleinscheiß beschränken und gravierende Menschenrechtsverletzungen kontinuierlich außen vor lassen kann.



4. Mit dem "Welt"-Artikel Der Mann, ein mörderischer Kindskopf liefert Eckhard Fuhr der Radikalfeministin Margarete Stokowski bei ihrer Hate Speech gegen Männer Unterstützung.

Nach dem sich Anzeichen dafür verdichten, dass der Mann, der in Orlando viele Homosexuelle umbrachte, selbst schwul war, sprechen wieder viele von "internalised homophobia": der Neigung mancher Schwuler, die gesellschaftlichen Abwertungen zu übernehmen und sich selbst für minderwertig zu halten. Vielleicht sollten wir endlich mal anfangen, über "internalised misandry" zu sprechen – den Hass mancher Männer auf ihr eigenes Geschlecht.



5. Apropos: Ich hatte in den vergangenen Tagen auch über das Massaker von Orlando geschrieben. Das lag daran, dass ich erst jetzt die dringende Bitte an weiße, heterosexuelle Cisgender entdeckt habe, das nicht zu tun. Anscheinend ist schon die pure Anwesenheit weißer Menschen problematisch bei einer Veranstaltung zum Betrauern der Toten.

Offenbar muss man inzwischen damit rechnen, dass es als homophober Akt gilt, wenn heterosexuelle Weiße wie ich ihre Bestürzung über das Massaker ausdrücken. Das mag bizarr erscheinen, aber wieso sollte in einer Welt, in der Männerrechtler mit Unterstützung der Leitmedien als radikal rechts dargestellt werden, nicht noch viel mehr auf den Kopf gestellt werden? (Ein anderes Beispiel: Erst vor ein paar Tagen habe ich in einem Artikel von Robert Claus den "Betreiber des Blogs www.allesevolution.wordpress.com" als "Menschen mit starken christlichen Bezügen" problematisiert gefunden. Öhm, ja. Und der Papst ist für Robert Claus vermutlich ein radikaler Atheist.) Für viele Social Justice Warriors ist oben unten, unten oben und links rechts.

Um Vorwürfen dieser Art zu entgehen, sollte Genderama also wohl besser auf die weitere Thematisierung von Orlando verzichten.



6. Alexandra Villarreal, eine Studentin der New Yorker Columbia-Universität, blickt zurück auf den Schaden, den das Matratzenmädel Emma Sulkowicz und ihre Unterstützerinnen angerichtet haben, wenn es um die Bekämpfung sexueller Gewalt geht:

It’s been roughly a year since Emma Sulkowicz, a.k.a. "mattress girl," graduated from Columbia University. While it’s unclear whether undergrads are any safer today, as a rising senior at Columbia, I can testify to the alarmism around sex on campus that has emerged as an unintended consequence of the recent activism.

(...) While Schwartz’s perspective must be taken into account, so must the concerns of her peers. Competing tensions that make men feel endangered and women silenced have created a climate that has actually quieted discourse about how to improve sexual assault prevention and enforced antagonisms that perpetuate gender-based misconduct instead of prohibiting it. Men are scared of women on campus now, and fear breeds anger and prejudice. Women are frustrated by men, which inspires a lack of desire to collaborate for solutions.

(...) Most men who are frightened of being falsely accused probably wouldn’t have perpetrated sexual assault in the first place. Meanwhile, 98 out of 100 accused rapists never serve a day in prison, and the activism from last year didn’t change that — nor did it enlighten the public about who victims are and how to help. Instead, it inspired impractical laws with unintended consequences, isolating potential allies and enforcing a new sexual stigma that’s essentially foreclosed productive dialogue about assault on college campuses and beyond.


Das wären exakt meine Einwände bei dieser Problematik. Leider ist alles, was einem solche Einwände einbringen, eine Anprangerung als "Frauenfeind" und eine Ausgrenzung aus der Debatte. Anne Wizorek und ihr Klüngel beispielsweise hätten sich leicht mit denjenigen Männern verbünden können, die selbst Opfer von Sexismus geworden waren oder anderweitige Bedenken vorbrachten. Daran bestand kein Interesse. Das Feindbild Mann hatte Vorrang gegenüber einer zielführenden Bekämpfung von Sexismus und sexueller Gewalt.



7. Der Harvard Political Review erklärt, warum so viele Menschen Milo Yiannopolous und Donald Trump mögen, obwohl beide extrem provokativ auftreten:

The rise of Yiannopoulos can help to explain the rise of Donald Trump. Both have attracted followers that feel silenced, ignored, and invalidated by the left. Both will continue to receive sympathy and exposure if their opponents continue to aggressively and instinctually dismiss their views. And perhaps both can be defeated — or at least weakened — through respectful and empathic discourse. More broadly, the story of Yiannopoulos is useful to understand today’s political climate. There is an ever-growing number of Americans — liberals and conservatives — who feel like their voices are not being heard. Americans are increasingly identifying with their party, race, gender, or sexuality — and are judging the quality of an argument on the identity of the speaker. A political system established to encourage discourse and compromise has succumbed to partisan bickering. In order to save it, we may need to confront those we most disagree with, listen empathically, and fight the urge to silence or invalidate them.

kostenloser Counter