Donnerstag, Juni 09, 2016

"Kulturzeit" (3sat) berichtet über den Maskulismus

Immer wieder werde ich gefragt, wie es zu erklären sei, dass die Diskriminierungen und Notlagen von Mitgliedern des männlichen Teils der Bevölkerung selten erwähnt werden und auch über die Männerrechtsbewegung kaum und wenn doch, dann nur diffamierend berichtet wird. Einige Gründe dafür sind schon hinreichend zur Sprache gekommen: etwa dass sich feministische Ideologinnen mit ihren Netzwerken massiv in den Leitmedien eingegraben haben und dass sie darüber hinaus von einem kollektiven Unbewussten profitieren, das Leidenserfahrungen und Benachteiligungen von Jungen und Männern ausblendet.

Einen zentralen andereren Grund bezeichnet der US-amerikanische Politikwissenschaftler W. Lance Bennett als "Indexing".

Uwe Krügers Sachbuch Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen (Verlag C.-H. Beck 2016) definiert dieses "Indexing" folgendermaßen:

Die großen Medien (...) tendieren dazu, die Spanne der Meinungen und Argumente in der offiziellen politischen Debatte, also in Parlament und Regierung anzuzeigen, zu "indexieren". Dies treffe nicht nur auf Nachrichten und Berichte zu, sondern sogar auf Kommentare, in denen die Journalisten ihre eigene Haltung darlegen, denn Journalisten wichtiger Medien suchten meist Rückendeckung aus dem Establishment. (...) Anders lautende Stimmen aus der Zivilgesellschaft schaffen es nur dann in die Leitmedien, wenn ihre Meinungen und Ideen ohnehin schon in Eliten-Kreisen kursieren (zum Beispiel, wenn sich noch kein Angehöriger der politischen Elite traut, sie offen auszusprechen), oder in einem negativen, delegitimierenden Kontext, etwa in Berichten über Proteste, Gesetzesbrüche und Gewalt.


Oder indem man, wie es die Süddeutsche Zeitung mit dem Beitrag von Simon Hurtz gemacht hat, über die Männerrechtsbewegung nur berichtet, indem man einen Großteil des Artikels einem Pöbler überlässt, der sich vor allem in Beschimpfungen äußert (und der dem Eindruck einiger Leser nach eine erdachte Kunstfigur darstellt).

Uwe Krüger äußert in seinem Buch eine Vermutung, warum Leitmedien auf diese Weise vorgehen:

Der journalistische Hintergedanken ist offenbar, jenen Akteuren den meisten Platz einzuräumen, die den mutmaßlich größten Einfluss auf das künftige Geschehen haben – die anderen erscheinen den Berichterstattern ebenso wie den politischen Entscheidern offenbar irrelevant. Eine Regel, die freilich den ohnehin Mächtigen noch weiter in die Hände spielt und die Ohnmächtigen noch weiter marginalisiert – und die den Journalisten nebenbei gute Beziehungen zu den Entscheidern sichert.


Dieser Unwille macht es einer jungen, noch schwachen Bürgerrechtsbewegung derzeit also schwer. Uwe Krüger führt näher aus, wohin diese Einseitigkeit der Leitmedien führt:

Das eine ist problemlos sagtbar im öffentlichen Raum und entspricht dem Common Sense; mit dem anderen schwimmt man gegen den Strom und geht das Risiko ein, sich zu isolieren. Wer eine schon oft geäußerte Mehrheitsmeinung hinter sich weiß und allgemein anerkannte Glaubenssätze teilt, befindet sich in einer "Niedrigkostensituation" und muss sich wenig Sorgen um seine Reputation machen. Er kann offensiv agieren, ihm steht eine breite Palette etablierter Argumente und bekannter Phrasen zur Verfügung. Wer dagegen eine Minderheitenposition vertritt, ist in einer "Hochkostensituation": Er muss seine Argumentation sorgsam aufbauen, Einwände vorwegnehmen, sich defensiv vortasten, um möglichst wenige Zuhörer gegen sich aufzubringen und möglichst viele zu überzeugen. Misslingt sein Bemühen, kann er als "Ketzer" sozial sanktioniert werden – und die Feinde mögen ihn zum Aussätzigen abstempeln (...).


Obwohl man sich genau diesen Gefahren aussetzt, wenn man für die Männerbewegung das Gesicht in die Kamera hält, unterziehe ich mich dieser Herausforderung nach wie vor gerne – trotz allen Absonderlichkeiten, die einem dabei in der Medienwelt begegnen.

Aktuell war ich Ansprechpartner für einen sechs Minuten langen Beitrag zum Thema Maskulismus" von 3sat-"Kulturzeit", der heute Abend ausgestrahlt wurde und hier in der Mediathek des Senders bereits online steht.

Was meines Erachtens sofort ins Auge fällt, ist die übliche Spannung zwischen meinem ernsthaften Interview mit Rebecca Ramlow und dessen Rahmung durch Ausschnitte, die das Thema ins Lächerliche zu ziehen versuchen. Hier wird jetzt ganz offen mit einer negativ gestalteten Kunstfigur namens "Manfred" gearbeitet, die für Maskulisten stehen soll. Ebenso stark ist die Diskrepanz zwischen dem, was ich im Interview erkläre, und der Abwertung des Maskulismus aus der "Emma", das die Moderatorin nach dem Beitrag zitieren musste und die nicht mehr Teil des online gestellten Sendebeitrags ist. (Schwarzer disqualifizierte den Maskulismus ab, weil er den "kleinen Unterschied" zwischen Männern und Frauen zu sehr betone, während ich im Interview erkläre, dass wir genau diese durch den Feminismus eingeführte "Apartheid" überwinden möchten.)

Derartige Erfahrungen sind für mich alles andere als neu: Als ich 2001 (oder 2002?) der ARD-Sendung "Polylux" ein Interview zu diesem Thema gegeben hatte, wurde zum Thema "männliche Opfer häuslicher Gewalt" eine Szene gegengeschnitten, bei der eine Frau einen Mann mit einer an ein Seil gebundene Bratpfanne durch den Park jagte, sowie eine Szene des Films "Magnolia", in der Tom Cruise "Ich hasse alle Fotzen!" in die Kamera brüllt. Mit Monika Ebeling etwa sprang zum Beispiel die "heute show" des ZDF kaum anders um.

Man darf hier von unseren Leitmedien einfach nicht zu viel erwarten. Zumal das Geschilderte ja auch kein Phänomen ist, das allein die Männerrechtsbewegung mit ihren Anliegen trifft beziehungsweise getroffen hat. Auch die Schwulenbewegung etwa musste da durch. Zum selben Zeitpunkt, als schwule Männer, wie man heute zugibt, "im Kernbestand ihrer Menschenwürde verletzt" wurden, waren schwule Männer in den Leitmedien lediglich als Witzfiguren vorgesehen. Trotzdem haben sie sich letzten Endes durchgesetzt.

Drei weitere Anmerkungen:

- Zunächst war das Interview mit mir tatsächlich im Frauenmuseum Wiesbadens vorgesehen und dort auch zugesagt worden. Die Zusage wurde wieder zurückgezogen, als die Redaktion den Verantwortlichen mitteilte, dass ich der Interviewpartner sein würde.

- Der ins Bild gesetzte Kontrast zwischen mir als Verkörperung des abgewrackten Mannes, woran ich ja auch gezielt mitgewirkt habe, und der schicken, blasierten Feministin wirkt, wenn man sich das fertige Ergebnis anschaut, vielleicht etwas sehr holzhammerartig.

- Von all den vor allem durch Pöbeleien auffallenden Leuten der Männerszene, die im Netz große Töne spucken und so tun, als ob sie vor Kraft kaum laufen könnten, war offenbar niemand für ein Interview bereit.

Das Positive dieses Beitrags: Die Anliegen der Männerrechtsbewegung sind im Fernsehen erwähnt worden. Auf seiner Website kommt auch "Kulturzeit" nicht darum herum, von einer "boomenden maskulistischen Bewegung" zu sprechen – ignorieren und übergehen funktioniert nicht mehr. Zwei Bücher von mir, Genderama sowie die Plakataktion der australischen Männerrechtler wurden ausreichend prominent präsentiert, und das, was ich selbst sage, wurde nicht sinnentstellend präsentiert. Zuletzt dürfte vielen Zuschauern die starke Diskrepanz zwischen dem Inhalt des Interviews mit mir und seiner befremdlichen Rahmung durch eine Reihe von Behauptungen über Männerrechtler nicht entgangen sein.

Abschließend zitiere ich noch einmal Uwe Krüger:

Nur scheint genau das das Wesen des Mainstreams in einer demokratischen Mediengesellschaft zu sein: dass kritische Perspektiven und abweichende Meinung durchaus einmal vorkommen, aber keinen Einfluss auf die Folgeberichterstattung und die von Tag zu Tag fortgesetzte Erzählung der Geschehnisse in den Hauptnachrichtensendungen und großen Zeitungen haben.


Dieses ausgesprochen beharrliche und selten selbstkritisch reflektierte Narrativ der Leitmedien kann nur durch ebenso konsequente Beharrlichkeit derjenigen Menschen überwunden werden, die in diesem Narrativ entweder stigmatisiert werden oder gar nicht erst vorkommen.

Wer möchte, kann mich dabei gerne durch eine Spende unterstützen. Kennwort diesmal: "Neue Schuhe für Arne". An alle Spender der letzten Wochen geht mein herzlicher Dank!

Nachtrag: Überraschend schnell hat mich gerade die Mail einer gewissen "Anne" erreicht, die offenbar nicht über das Reflektionsvermögen verfügt, das ich bei vielen Zuschauern der Sendung erwarte. Sie schreibt mir:

Der Machowahn hat die Welt Jahrtausende lang in Kriege gestürzt! Gott bewahre mich davor! Da sie sich seit 70 Jahren nicht mehr gegenseitig erschießen dürfen, um sich dann gegenseitig Orden dafür zu verleihen, erschießen sich immer mehr Männer selbst. Den Männern fehlt ein neuer Krieg, auf den ich verzichten kann.


Schön, dass das auch einmal gesagt wurde.

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