Dienstag, April 20, 2021

Nach Morddrohungen: Erfinder von Hygiene-Handschuhen für Frauen betteln um Verzeihung

Ich könnte mal wieder einen eigenen Langtext schreiben …

Diesen beginne ich mit einem vier Tage alten Artikel, um die Hintergründe einer aktuellen Entwicklung darzulegen:

Eugen Raimkulow und André Ritterswürden hatten nur Gutes im Sinn, als sie die "Pinky Gloves" bei der Gründershow "Die Höhle der Löwen" präsentierten. Mit dem pinken Einweghandschuh wollten sich die selbsternannten Frauenversteher dem wichtigen Thema Menstruation widmen. Sie entwickelten ihn zur "praktischen und vor allem hygienischen Entsorgung von Damenhygieneartikeln".


In Fällen, in denen Frauen keine Gelegenheit haben, beispielsweise auf Festivals oder in fremden Haushalten, ihre Tampons und Binden "hygienisch" zu entnehmen und zu entsorgen, könnten sie die "Pinky Gloves" benutzen, um die Hygieneartikel anzufassen und darin blickdicht einzuwickeln.

"Mit 'Pinky' wollen wir das Leben der Frauen einfacher machen", warben Raimkulow und Ritterswürden für ihr Produkt. Damit stelle die Entsorgung von Tampons kein Hindernis mehr für die flexible Freizeitgestaltung dar, betonten sie. "Wir als Männer sind zwar nicht direkt davon betroffen, trotzdem ist das Problem sehr wichtig, deshalb haben wir eine Lösung entwickelt", erklärten sie. Der Handschuh sei gedacht zur "praktischen und vor allem hygienischen Entsorgung von Damenhygieneartikeln, sauber, auslaufsicher und geruchsneutral".


Statt Dankbarkeit oder zumindest Respekt ernteten die beiden allerdings einen aggressiven Shitstorm:

In einem Instagram-Beitrag meldete sich die Autorin Franka Frei zu Wort. Sie kritisierte die Produktidee und besonders die Präsentation der Gründer scharf: "Kann doch nicht sein, dass zwei Typen Geld damit machen, indem sie Menstruierenden einreden, ein weiteres absurdes Produkt zu brauchen, um die Periode, die ja so unfassbar ekelhaft ist, bestmöglich zu vertuschen." Das Produkt sei für sie überflüssig und ökologisch verwerflich und trage zur Stigmatisierung der Menstruation bei.

Freis Posting stieß auf breite Zustimmung und wurde auf Instagram innerhalb von 19 Stunden über 33.000-mal favorisiert und in etlichen Storys anderer Nutzerinnen und Nutzer geteilt. (…) "Ich bin geschockt, wie unnötig, umweltfeindlich und sexistisch dieses Produkt ist", schreibt eine Nutzerin in einem Kommentar, der über 15.260 "Gefällt mir"-Angaben erhielt.


In dem Beitrag "Pinkygloves: Zwei Typen, ein Handschuh" stieg auch das feministische Magazin "Pink stinks" in diesen Shitstorm ein:

Diese Handschuhe sind sexistisch, diskriminierend, betreiben Menstruations-Shaming und werden von Nicht-Betroffenen entwickelt und beworben. Kurzum, wir brauchen diese Handschuhe nicht, niemand hat darauf gewartet und wir finden die Situation ziemlich nervig. Können Männer bitte endlich aufhören über Dinge zu diskutieren oder sie zu "erfinden", von denen sie keine Ahnung haben?


Das heißt im Umkehrschluss, dass auch keine Frauen an der Entwicklung von Produkten beteiligt werden dürfen, die für Männer gedacht sind?

"Pinkygloves: Geht's noch?" empörte sich auch das Magazin "Woman":

Wir alle fragen uns: Ernsthaft jetzt? Das muss Satire sein. Bitte, bitte lass das Satire sein!


In dem Artikel heißt es immerhin begütigend:

Wenn man dem Ganzen etwas Positives abgewinnen will: Es sind zwei Männer, die sich selbstbewusst und offen mit dem Thema Periode auseinandersetzen.


Bitte? Wollte nicht "Pink stinks" eben erst untersagen, dass "Männer über Dinge diskutieren, von denen sie keine Ahnung haben"?

Viele andere Medien stiegen in die Debatte ein. "Die beiden müssten jetzt sagen: Wir waren die Dümmsten der Dummen", fordert ein "Marketing-Experte" von den Handschuh-Erfindern in der Schweriner Volkszeitung. Eine RTL-Mitarbeiterin bezeichnet sich als "wütend und fassungslos". Der öffentlich-rechtliche SWR, ausgewogen wie immer, nennt die Handschuhe ein "gutes Beispiel für patriarchales Design". Und das Magazin "Sinneswandel" empörte sich über eine "pinkfragile Männlichkeit". Das Leben für Frauen muss wirklich kaum zu ertragen sein in einer Gesellschaft wie unserer, in der Frauen ständig von Psychopathen unterdrückt werden, wie die "pinky gloves" nun wirklich eindeutig belegen …

In grauer Vorzeit hätte man nun gesagt: Wenn du mit einem Produkt nichts anfangen kannst, dann kauf es halt nicht. Das wäre allerdings eine liberale Einstellung. Und eine solche Einstellung geht gar nicht im Zeitalter der Cancel Culture. Gestern nämlich führte die Wut über das Produkt zu folgender Erklärung der Handschuh-Erfinder auf Facebook:

Wir hören auf mit #pinkygloves

Die Pinky Gloves Gründer Eugen und André hatten nicht vor jemanden zu diskreditieren oder einen natürlichen Prozess zu tabuisieren. Die Entwicklung des Produktes und die Kommunikation dazu war nicht durchdacht. Menschen machen Fehler - Und mit Fehlern muss man umgehen, man muss daraus lernen und man sollte auch die Chance bekommen, an Fehlern zu arbeiten.

Gemeinsam mit den Gründern haben wir uns dazu entschieden, dass die Pinky Gloves vom Markt genommen werden und haben hierfür entsprechend alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet. Wir stellen sämtliche Einkaufs- und Vertriebsaktivitäten ein.

Wir entschuldigen uns bei allen, deren Gefühle und Emotionen verletzt wurden. Wir können nachvollziehen, dass sehr viele darüber verärgert sind. Wir begrüßen nach wie vor, dass eine wichtige Debatte angestoßen wurde, wo die sachliche und konstruktive Debattenkultur hoffentlich wieder die Oberhand gewinnt.

Als Unternehmer, Investor und vor allem als Mensch finde ich es wichtig, dass man auch Fehler machen darf, denn eine Fehlerkultur und Kritikfähigkeit sind der Grundpfeiler einer jeden gesunden Gesellschaft.

Was mich nachhaltig sehr schockiert und traurig stimmt, ist die Tatsache, dass André, Eugen und ihre Angehörigen einer massiven Welle an Hass, Mobbing und Gewaltandrohungen, bis hin zu Morddrohungen, ausgesetzt sind. Das verurteile ich zutiefst und es gibt KEINE Entschuldigung dafür. BITTE HÖRT AUF DAMIT!


Zu einem solchen Hilferuf kam es ausgerechnet kurz nachdem der Deutsche Bundestag ein Gesetz gegen Hass und Hetze im Netz erlassen hatte, das vom SPIEGEL mit einer Titelgeschichte vorbereitet wurde, die allein Frauen als Zielscheiben dieses Online-Hasses zeigte. Bundesjustizministerin Lambrecht (SPD) hatte diesen Sexismus gerne aufgegriffen: "Die Hetze ist sehr oft rechtsextremistisch, rassistisch und frauenfeindlich. Es ist eine ernste Bedrohung unserer demokratischen Gesellschaft, wenn Menschen (…) mundtot gemacht werden, weil sie sich politisch oder wissenschaftlich äußern oder gesellschaftlich engagieren."

Wie beruhigend, dass der Hass gegen die Handschuh-Erfinder aus dem Lager der selbsterklärten "Guten" erfolgte und deshalb nicht weiter ernst zu nehmen ist.

Er wird auch tatsächlich nicht ernst genommen. Beispielsweise könnte man Artikel erwarten, die diese Hassausbrüche wegen eines Hygiene-Handschuhs problematisieren. Oder Selbstkritik von den Handschuh-Hassern, die erschreckt zugeben, in ihrer Wut grotesk überzogen und dadurch solche Morddrohungen vorbereitet zu haben.

Ich habe solche Artikel und Statements bei meiner Recherche nicht gefunden. Es scheint der Eindruck vorzuherrschen, zwei frauenhassende Sexisten seien bei ihrem Treiben gestoppt worden und das gehe schon ganz in Ordnung so.

Nur einige Wortmeldungen auf Twitter beziehen eine Gegenposition. Dort heißt es zum Beispiel:

Menschen, deren größtes Hobby es ist von fragiler Männlichkeit zu faseln, lassen sich von einem beschissenen pinken Handschuh so zu Tode triggern, dass sie zwei Männer + deren Familien mit Hass überschütten und bedrohen. Läuft in Deutschland.


Ein anderer Twitter-Nutzer schreibt:

Erinnert mich an dunkle Zeiten. Mit Gewalt und Einschüchterung fängt es an. In einem zivilisierten Land dürfte es sowas nicht geben und wenn doch müsste es einen Aufschrei geben und Unterstützung für die Betroffenen. Stattdessen passiert das Gegenteil.


Aber es sind ja auch nur "die Bösen", die einen solchen Aufschrei fordern, etwa Feminismuskritiker und Liberale. Und über die darf selbst der übelste Dreck ausgekippt werden, während das die Leitmedien entweder verschweigen oder sogar noch begeistert einsteigen.

Dass es übrigens gar keinen einhelligen Frauen-Unmut über die Hygiene-Handschuhe gab, sondern der Hass nur wieder von einem bestimmten, inzwischen in den Leitmedien bestens verankertem politischen Lager ausging, zeigen die Wortmeldungen von Frauen unter der Kapitulationserklärung der Handschuh-Erfinder. So schreibt dort Bettina Pause:

Ich fand es super, dass die Periode so "normal" thematisiert wurde. Ich fand die Jungs erfrischend und ehrlich. Allerdings ist/war Pinky in meinen Augen nicht zeitgemäß durch den wenig umweltfreundlichen Aspekt des Wegwerfens. Ich wünsche den Jungs alles Gute. Endlich mal Männer, die unseren Alltag und die damit verbundenen Schwierigkeiten verstehen wollten. Chapeau!


Natürlich wird Bettina Pause sofort von einer Simone Berlin gemaßregelt, die poltert "sexistischer und frauenfeindlicher geht es 2021 wohl kaum". Aber auch Sarah Hofmann befindet (und erhält über 1220 Likes für):

Wow. Soweit sind wir also gekommen! Glückwunsch an alle, die an der Mobbing Misere mitgewirkt haben! Man kann Dinge toll oder scheiße finden, aber man sollte nie eine gewisse Grenze überschreiten!


Sandra Mecke schreibt:

Ich finde die Idee super. Ich bin dienstags direkt los nach Netto und habe es mir gekauft. Finde es schade, dass es so kommen musste, weil zwei tolle Jungs so eine Idee hatten. Nur weil viele nicht damit klar kommen das es auch mal intimer wird, müssen diese jetzt ihre Idee weg schmeißen und alles aufgeben. Das geht gar nicht.


Christiane Hoffmann befindet:

Für mich völlig unverständlich, wie man sich wegen eines Produktes so aufführen kann und sich persönlich so angegriffen fühlen kann. Ich fand die Idee super und bin über die Reaktion mancher Damen wirklich sehr verwundert.


Sandra Wilhelm meint:

Tut mir leid für die Jungs! Fand die Idee gar nicht so schlecht und habe mich durch das Produkt weder diskriminiert gefühlt, noch mich zum Schämen verleitet gefühlt. Tolle Jungs. Kann nicht verstehen wie die Gründer dermaßen beschimpft wurden in den Medien.


Michelle Hellwig schreibt:

Wirklich schade, dass ihr diese Entscheidung getroffen habt! Ich hätte mir das Produkt auf jeden Fall mehrfach gekauft und in der Drogerie gewünscht. Empfand die Idee als wirklich gut. Dieser übereifrige Feminismus hat hier eine gute Idee zunichte gemacht. Gegebenenfalls hätte man das Produkt auch umbenennen oder eine andere Farbwahl treffen können, damit sich einige Personengruppen nicht angegriffen fühlen.


Martina Hinz berichtet:

Das ist echt schockierend! Und mir tun die Gründer total leid. Fand die Idee und das Produkt an sich echt super. Sobald man aber dieses Produkt positiv bei den anderen Beiträgen erwähnt hat, wurde man direkt unverschämt und respektlos von "Gegnerinnen" runtergeputzt. Mich hat das wütend und traurig zugleich gemacht. Wo bitte ist das freundliche Miteinander geblieben? Wenn man etwas nicht gut findet, kann man das doch sachlich mitteilen ohne jemanden zu beleidigen.


Und so geht es schier endlos mit ähnlichen Kommentaren weiter, die ihr euch selbst durchlesen könnt, wenn ihr mögt. Es ist bezeichnend, dass solche Wortmeldungen ebensowenig in den Leitmedien stattfinden wie Artikel über die zunehmend bedenkliche Radikalisierung des feministischen Milieus, die sich hier überdeutlich gezeigt hat. In diesem Zusammenhang könnte man tatsächlich mal von der Unterdrückung von Frauenstimmen sprechen – aber das geht ebenfalls in Ordnung, weil es sich offenbar um die "falschen Frauen" mit der "falschen Meinung" handelt. Womöglich ist es sogar die Mehrheit, aber das ist unerheblich, denn diese Frauen sind eben nicht "woke" und damit irrelevant.

Das Schlusswort für diese Kontroverse um angebliches "Menstruations-Shaming" gebührt Adrian:

Fragile Weiblichkeit.

Man stelle sich vor, wir Männer wären derartige Heulsusen und würde uns darüber beschweren, dass die Gesellschaft noch immer unser geheiligtes Sperma mit Ekel betrachtet und von uns verlangt, dieses in Taschentücher eingewickelt im Klo zu entsorgen. Schändlich!




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