Sonntag, Februar 28, 2021

Warum Frauen und trans Personen die Gendersprache ablehnen – News vom 28. Februar 2021

1. Der bekannte Leipziger Sexualwissenschaftler Professor Kurt Starke geht in der linken Wochenzeitung "Freitag" auf die Reaktionen einer von ihm verfassten Kritik an der Gendersprache ein.

Der Artikel ist in Gänze lesenswert, hier nur ein Auszug:

Und genau das sind die Frauen, die mit dem Gendern nichts am Hut haben und darin nichts Positives, nicht wirklich Verbesserndes sehen, Frauen die mich jetzt anrufen und mir sagen, dass ihnen all die Sternchen, Unterstriche, großen I, Doppelpunkte und ähnliche Künstlichkeiten zuwider sind, auf den Keks gehen oder einfach peinlich sind. Sie fühlten sich veralbert und bevormundet, und ihnen werde ungefragt etwas aufgedrückt, das sie gar nicht wollen. Ich nehme das ernst.

(…) Krasser noch sind die Reaktionen von Transpersonen. Noch am Erscheinungstag meines Artikels rief mich ein transidenter Mann in Sachen Sternchen* an. Ich hätte das ganz gut gesagt, aber vergessen, dass das Sternchen auch eine Aus- und Abgrenzung sei. Nicht jede Markierung sei harmlos, was man aus der deutschen Geschichte mit dem gelben Stern wissen müsste. Da erschrak ich richtig. Inzwischen habe ich von Fachleuten, die sich mit Transidenten auskennen, erfahren, dass diese das Sternchen vehement ablehnen: Ich bin ich und kein Sternchen, ich fühle mich als Mann (als Frau) und nicht als Sternchen. Die Sternchenform folgt eben nicht der Realität, nicht der Haltung der Betroffenen, sondern ist weit davon entfernt und gekünstelt.

(…) Viele Gendern-Aktivistinnen betonen, sie machten nur Vorschläge, sie wollten keinen Zwang. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Behörden, Betriebe, Vereine, Verlage verordnen das Gendern und Einzelpersonen von hohem Status auch. Eine Professorin schrieb: „Bei Hausarbeiten an der Uni verlange ich, dass die Studierenden gendern.“ Das habe sich trotz erheblicher Widerstände auch durchgesetzt. Was ist das? Eine Hausarbeit als unterwürfiges Bekenntnis? Die Durchsetzung der eigenen Ideologie kraft des Amtes?

Ein Journalist sagte mir: "Wenn ich einen Artikel über die grauenhafte Situation von weiblichen Arbeitskräften schreibe, habe ich die freie Wahl: Entweder ich gendere, und er wird gedruckt oder ich gendere nicht, dann wird er nicht gedruckt. Das Gendern wird zum entscheidenden Kriterium, nicht die Qualität des Artikels, und der beschriebene Zustand auch nicht."

(…) Die meisten Mails zu meinem Artikel habe ich von Frauen erhalten. Männer sind zurückhaltender und resignativer. Die Frauen zeigen sich erleichtert, dass "endlich mal einer" das sagt, was sie schon lange denken. Sie seien empört darüber, dass ihnen von irgendwelchen Leuten etwas aufgedrückt wird, was für sie albern und peinlich sei.




2. Horst Seehofer möchte frauenfeindliche Straftaten gesondert erfassen, berichtet "Die Zeit":

Zuletzt hatte sich das Bundesinnenministerium noch dagegen ausgesprochen. Nun aber sollen frauenfeindlich motivierte Taten in der Kriminalstatistik sichtbar werden.


Hier geht es weiter.

"Ich dachte Gleichberechtigung heisst das Ziel" wendet der erste Kommentator schüchtern ein, wird aber sofort mit einer Reihe von pfiffigen Erwiderungen wie "Bei Ihnen sollte das Ziel Nachdenken heissen" rundgemacht. Da ist dann bezeichnenderweise auch keiner der "Zeit"-Zensoren aktiv, die solche Kommentare, wenn sie aus dem antisexistischen Lager kommen, sonst gerne mit ""Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Polemik. Danke, die Redaktion" ersetzen.



3. Christian Schmidt kommentiert den FAZ-Artikel Wolfgang Thierses, der seinem vorgestern auf Genderama verlinkten Interview mit dem Deutschlandfunk zugrunde lag.

Viele Reaktionen auf Thierses Positionen waren nicht sehr erwachsen. Unterstützung erhält Thierse inzwischen von Gesine Schwan (SPD) in der Süddeutschen Zeitung (Bezahlschranke). Schwan kritisiert in ihrem Artikel

gegeneinander abgeschottete Communitys, also kollektive Identitäten, die mit ihrer feindseligen Abschottung nach außen über Feindbilder nur ihre jeweils eigene innere Zerrissenheit verdecken. Kollektive Identitäten oder identitäre Kollektive – egal ob sie sich als rechts oder links begreifen – verstehen andere nicht und: Sie wollen andere auch nicht verstehen. Sie wollen sich "fassungslos" über deren "Abartigkeit" empören. So wird die Auseinandersetzung durch moralische Verurteilung vergiftet und Verständigung unmöglich.


Das ist, nebenbei bemerkt, eine wunderbar prägnante Analyse des Umgangs mit Männerrechtlern, also Antimaskulismus.

(Mit "Antimaskulismus" werden auf Genderama Gegenbewegungen zu maskulistischen, emanzipatorischen Forderungen von Männern im Bereich der Geschlechterpolitik bezeichnet. Von Antimaskulismus lässt sich sprechen, wenn mit einem homogenen Feindbild gearbeitet wird und keine inhaltliche Auseinandersetzung mit maskulistischen Forderungen stattfindet. Antimaskulismus ist nicht gleichbedeutend mit jeder Form von Sexismus, baut aber auf dieser Form von Diskriminierung auf.)



4. Joe Bidens Alma Mater, der Universität von Delaware, wird die Diskriminierung von Männern vorgeworfen.



5. Der Psychologe Aman Siddiqi (Chicago) hat seine Dissertation online gestellt: "A Clinical Guide to Discussing Prejudice Against Men".



6. Off-topic: Ich lese gerade Sebastian Wessels Buch "Im Schatten guter Absichten", das sich nicht mit Gender- sondern mit Antirassismus-Politik beschäftigt und kann es sehr empfehlen.

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