Sonntag, Juni 28, 2020

Bundeszentrale für politische Bildung attackiert Männerrechtsbewegung – News vom 28. Juni 2020

1.
Die Frau als Wurzel allen gesellschaftlichen und persönlichen Übels – das ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Antifeministen, Männerrechtler und andere Frauenhasser im Internet verständigen können.


Derartiger Unfug wird nicht auf einer anonymen Website radikaler Ideologen verbreitet. Sondern als Teil der Reihe "Rechtsextreme Rückzugsräume" von der Bundeszentrale für politische Bildung, einer Behörde des Innenministeriums.

Dass dort so etwas veröffentlicht werden kann, ist eine doppelte Katastrophe. Zunächst einmal aus offensichtlichen Gründen: weil Menschen- und Bürgerrechtler als rechtsextreme Frauenhasser verleumdet und Unkundige gegen sie aufgehetzt werden.

Die Botschaft, die hier vom deutschen Innenministerium verbreitet wird, ist klar:

Sie möchten sich gegen sexuelle und häusliche Gewalt an Jungen und Männern engagieren? Dann werden Sie von rechtsextremem Frauenhass angetrieben.

Sie möchten untersuchen, warum weit überwiegend Männer von Obdachlosigkeit und Selbsttötungen betroffen sind und Abhilfe dagegen schaffen? Der Grund dafür kann nur eines sein: rechtsextremer Frauenhass.

Sie suchen nach Lösungen für die "Jungenkrise" an unseren Schulen und fordern die Verantwortlichen auf, hier endlich tätig zu werden? Klare Sache: Das kann nur daran liegen, dass für Sie Frauen "Wurzel allen gesellschaftlichen und persönlichen Übels" sind. Andernfalls würden Sie auf solche Ideen ja unmöglich kommen.

Derartige Veröffentlichungen sind aber auch eine Katastrophe, weil viele Menschen dank des Internets längst wissen, was Männerrechtler sind und wofür sie sich tatsächlich engagieren. Zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht die Bundeszentrale für politische Bildung einen Beitrag, der ein bizarres Zerrbild dieeser Bewegung zeichnet und zugleich zeigt, dass man dort die zentralen maskulistischen Blogs und die Bücher der Männerbewegung entweder nicht kennt oder ihren tatsächlichen Inhalt ignoriert. Beispielsweise sind geschlechterpolitische Titel, an denen Männerrechtler und Feministinnen zusammenarbeiten mit der irren These, für Männerrechtler wären Frauen die Wurzel allen Übels, unvereinbar. Es gibt kein maskulistisches Gegenstück zu beliebten Hashtags wie #MenAreTrash. Zwar kann jeder Verschwörungstheoretiker alles ignorieren, was ihm bei seinem Gedankengebäude nicht in den Kram passt. Aber wie gut ist es für eine Gesellschaft, wenn sich eine staatliche Instanz mit dem Titel "Bundeszentrale für politische Bildung" auf dieses Niveau begibt, so dass man ihre Botschaften von denen von Verschwörungstheoretikern nicht mehr unterscheiden kann? Das ist für eine Institution, die selbst "digitale Desinformation" anprangert, ein Schuss ins eigene Knie.

Seit fast vier Jahren ist man hierzulande fassungslos, dass seit der Wahl Donald Trumps die US-Regierung von radikalen Ideologen beeinflusst wird und von ihnen ihre Politik mitbestimmen lässt. Umso befremdlicher ist es, wenn hierzulande Ähnliches geschieht. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat entschieden, sich von Seriosität und Verlässlichkeit zu verabschieden, um sich stattdessen der Sicht eines extremen Lagers zuzuneigen. Dass damit auch ihre tatsächlich seriösen Beiträge ins Zwielicht geraten, nimmt man offenbar billigend in Kauf.

Hört man den Podcast, den die zitierte Passage bewirbt, wird der Hintergrund dieser Propaganda deutlicher. Seine Logik ist so aufgebaut: Es wird eine sogenannte "Manosphere" im Internet konstruiert, die aus Pick-up-Artists, Incels, MGTOW ("Men Going Their Own Way") und Männerrechtlern besteht. In allen vier Gruppen finde man auch Rechtsradikale oder Frauenhasser. Für alle vier Gruppen ist der Feminismus als Erlösungs-Ideologie unzureichend. Also sind Männerrechtler rechtsextreme Frauenhasser. Das dazu befragte DISSENS-Mitglied Andreas Hechler (Näheres zu DISSENS siehe hier) behauptet in dem Podcast weiter: "So wie in den USA spielt auch in der Bundesrepublik die viel zu wenig beachtete Männerrechtsbewegung eine zentrale Rolle dafür, dass die neue Rechte und die AfD Erfolg haben." Belegt wird diese kühne Behauptung mit keiner Silbe, und was nicht in diese bizarre Logik passt bleibt ignoriert. Das Sprechen über Männer als Opfer stelle, so Hechler, eine "Einstiegsdroge" für rechte Weltbilder dar.

"Was können wir dagegen tun?" Hechler empfiehlt, die Themen ernst zu nehmen, also natürlich nicht die tatsächlichen politischen Anliegen der Männerrechtler, sondern "Sexismus und Online-Communities". Wichtig wäre darüber hinaus, ein "De-Platforming, also Sexisten ihre Plattform zu entziehen", "Monitoring" (also Überwachung) zu betreiben sowie "repressiv zu handeln", denn es handele sich um "Terrorismus". Sich auf Diskussionen einzulassen, ergänzt die Schweizer Genderforscherin Franziska Schutzbach, sei jedenfalls nicht sinnvoll. Man habe es schließlich oft mit einem Gegenüber zu tun, der ein geschlossenes Weltbild besitze, und außerdem müsse man die eigenen Ressourcen und Energien schonen. Nur wenn man es mit einem Gesprächspartner zu tun bekommt, der lediglich "uninformiert", aber offen dafür ist "dazuzulernen", sei eine Diskussion vorstellbar.

Die Schlüsselfrage, wenn man diesen Podcast analysieren möchte, lautet: Wer hat in unserer Gesellschaft die Macht zu sprechen? Bei geschlechterpolitischen Fragen handelt es sich, wie man sieht, allein um das Genderlager, das eine einseitige Sicht auf die Geschlechterpolitik vertritt. Die maskulistische Bewegung, die mit dem Ziel einer ganzheitlicheren Debatte auch Diskriminierungen und soziale Problemlagen von Männern zum Thema machen möchte, wird hingegen Opfer von struktureller Diskriminierung. Es scheiterte nicht nur Lucas Schoppes Versuch, bei der Bundeszentrale ein wenig mehr Ausgewogenheit zu erreichen. Mehr noch: Selbst wenn Männerrechtler auf so scharfe Weise angegangen werden wie in diesem Fall, wird ihnen nicht das Recht auf Gegenrede zugestanden, sondern sie müssen sich ihre Diffamierung gefallen lassen. Über die tatsächlichen Anliegen und Themen der Männerrechtsbewegung wird schon überhaupt nicht gesprochen. Ziel dieses Podcasts ist, dass es auch dabei bleibt – auch wenn man dazu eine ähnliche Dämonisierung betreiben muss, wie es ein aktuelles Wahlkampfvideo Donald Trumps tut, das die Demokratische Partei mit vergleichbaren Methoden als Hort des Bösen darstellt: Gewaltausbrüche und Äußerungen demokratischer Politiker werden auf perfide Weise zusammengerührt, bis sogar Joe Biden als Kopf einer gemeingefährlichen Terrorbewegung erscheint.

So geschieht es auch in dem vorgestellten Podcast: Menschen, die den Incels zugerechnet werden, begehen Massenmorde > die Incels äußern sich im Internet > Männer, die sich online äußern, werden als "Manosphere" zusammengefasst > zu dieser "Manosphere" gehören auch Menschen, die für die politischen Anliegen von Männern eintreten > also müssen diese Männerrechtler als Agenten des Terrors "repressiv behandelt" werden und dürfen keine Plattform erhalten. (Nach derselben kruden Logik hätten Feministinnen nie eine Plattform erhalten dürfen.) Damit Männerrechtler keine Gelegenheit erhalten, dieses Feindbild zu korrigieren, habe man sich am besten gar nicht mit ihnen zu unterhalten und wenn doch dann lediglich mit den uninformierten unter ihnen und niemals auf Augenhöhe. Die politische Debatte, zentrales Merkmal einer liberalen Demokratie, darf nicht stattfinden, sondern muss unterbunden werden. So argumentieren Menschen, die ahnen, dass sie eine solche offene Debatte verlieren würden.

Serviert wird diese Botschaft vom deutschen Inneministerium. Strukturelle Diskriminierung wird zugleich betrieben und für notwendig erklärt. Man muss die Repression gar nicht erst einfordern; sie findet längst schon statt.



2. In dem Artikel "Das 'Problemtier' Junger Mann braucht unsere Hilfe" beschäftigt sich die Frankfurter Rundschau mit den gewalttätigen Ausschreitungen in Stuttgart:

Warum immer wieder Männer zwischen 15 und 25? Das ist die nächste unbequeme Frage. Es ist kein Geheimnis, dass Männer in diesem Alter die gefährlichste Gruppe darstellen – für ihre Umgebung, aber auch für sich selbst.


Die Fragen, die der Artikel stellt ("Was in unserer Gesellschaft führt dazu, dass Gewalt für bestimmte Jugendliche sinnstiftend wirkt?") sind nicht unvernünftig; seine Rhetorik allerdings schon. Weder sind Jungen und Männer im Alter zwischen 15 und 25 Jahren pauschal potentielle Gewalttäter (fast 100 Prozent von ihnen sind friedlich), noch ist das Wort "Problemtier" in irgendeiner Weise angemessen. Wenn Männerrechtler junge Frauen als "Problemtiere" bezeichnen würden, wäre eine Polemik wie die der Bundesstelle für politische Aufklärung halbwegs nachvollziehbar. Allerdings ist dieses Denken Männerrechtlern fremd. Es wird ihnen unterstellt, um so zu tun, dass Männerrechtler Frauen genauso abwertend darstellen wie viele Feministen Männer.



3. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute zum neuen Parteiprogramm der Grünen:

Lieber Herr Hoffmann,

der eine Satz über Hilfe für Männer und Jungen bei sexualisierter Gewalt mag ein Fortschritt sein, aber ansonsten spricht der Entwurf des Grundsatzprogramms für mich dafür, dass in puncto Feminismus und Geschlechterpolitik für die Grünen alles beim Alten bleibt.

Das einschlägige Kapitel beginnt mit der Feststellung, Feminismus sei "sowohl die Vision einer gleichberechtigten Gesellschaft als auch der Weg dorthin" und er verspreche "echte Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen einzulösen" (Absatz 192). Wer nun glaubt, unter "echter Gleichberechtigung" werde etwas anderes verstanden als reine Frauenbevorzugung, erlebt in den nachfolgenden Absätzen eine Enttäuschung. Von Männern ist dort genau einmal die Rede, wenn es vage heißt, auch sie profitierten "von der Überwindung feststehender Geschlechterrollen." (Absatz 194). Konkret geht es dem Feminismus der Grünen dagegen um die "Rechte aller Frauen" (193), und um "mehr Frauen in Führungspositionen" (196), wofür Quoten "ein wichtiges Instrument" seien. Die "Überwindung feststehender Geschlechterrollen" dürfte also in der Praxis wie gehabt darauf hinauslaufen, dass Männern Quotilden vor die Nase gesetzt werden.

Wer an seinem eigenen beruflichen Fortkommen und dem seiner Söhne kein Interesse hat, wähle grün. Wer auf ein Ende der Benachteiligung von Vätern im Familienrecht oder auf Abhilfe bei den Problemen von Jungen im Bildungswesen hofft, sollte sich dagegen fragen, ob er sich in dieser "Vision von einer gleichberechtigten Gesellschaft" wiederfindet.

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