Dienstag, November 05, 2019

Bundesforum Männer schwenkt auf Maskulisten-Kurs – News vom 5. November 2019

1. Seit über zwanzig Jahre berichte ich in mittlerweile zahllosen maskulistischen Büchern, Artikeln und Blogbeiträgen, dass auch Männer weit häufiger als allgemein geglaubt Opfer häuslicher Gewalt werden und dass auch diese Opfer Hilfe benötigen. Vom staatlichen Bundesforum Männer habe ich dabei bislang nie Unterstützung, sondern allenfalls mal einen Tritt gegens Schienbein erhalten. Jetzt aber überraschen mehrere Wortmeldungen des Bundesforums in den sozialen Medien. So teilt das Bundesforum auf Facebook folgendes Statement von Frauenministerin Giffey:

Heute habe ich den neuen Vorstandsvorsitzenden des Bundesforums Männer, Thomas Altgeld, gemeinsam mit meiner Chefin der Abteilung Gleichstellung Daniela Behrens getroffen. Wir haben unter anderem über die Themen Vereinbarkeit, Partnerschaft und Gewalt gesprochen. Unter http://www.xn--mnnerberatungsnetz-ltb.de/ zeigt das Bundesforum, wo in Deutschland speziell Jungen, Männer und Väter Beratung, Unterstützung und Hilfen bekommen können. Mein Ziel ist es, Jungen, Männern und Vätern eine Stimme in der Gleichstellungspolitik zu geben. Insbesondere beim Thema Gewalt sollen die Unterstützungsangebote für Männer gestärkt werden. Daher plant mein Ministerium, Weiterbildungsangebote für männerfokussierte Beraterinnen und Berater auszubauen und eine Vernetzungsstelle zum Thema Männergewaltschutz zu starten.


Wow. Hat es tatsächlich nicht mehr als einen neuen Vorsitzenden des Bundesforums und einen Absturz der SPD auf um die zehn Prozent gebraucht, damit Giffey merkt, dass man auch für die männliche Hälfte der Bevölkerung mal etwas tun könnte?

Der ehemalige Vorsitzende des Bundesforums, Martin Roswski, war für viele Männer eher problematisch, wie etwa in diesem Interview mit Gerd Riedmeier deutlich wird. Rosowski ging so weit, nicht mit den Vereinen und NGOs der Basis wie MANNdat und Agens einen Schulterschluss zu suchen, sondern lieber mit der Radikalfeministin Alice Schwarzer, in deren Magazin "Emma". er gegen Gruppen wie MANNdat ätzte. Einer der im deutschsprachigen Raum führenden Männerexperten, Professor Walter Hollstein, sprach wegen solcher Positionierungen in einem Genderama-Gastbeitrag von einer "Mogelpackung Männerpolitik". Selbst der "Spiegel" hatte sich zu Rosowskis Führung des Bundesforums mit den Worten geäußert: "Wenn das die Männerlobby ist, dann können auch weiterhin gleich die Frauen Männerpolitik machen. Oder man lässt die Männerpolitik am besten ganz bleiben."

Es wäre insofern nicht nur erfreulich, sondern lange überfällig, wenn die Aktivitäten, die ich derzeit beim Bundesforum wahrnehme, keine Eintagsfliegen bleiben und der neue Vorsitzende Thomas Altgeld statt auf Denunziationen der Männerbasis auf ein freundschaftlicheres Miteinander setzt.

In die richtige Richtung scheint es derzeit ja immerhin zu gehen: Wie Altgeld dieser Tage auf Twitter mitteilte, soll es beispielsweise endlich eine repräsentative Studie über die Gewaltbetroffenheit von Männern geben. In den Jahren 2004/2005 hatte das Bundesfrauenministerium schon einmal eine solche Studie erstellt, die wenig überraschend ergab, dass Männer ähnlich häufig wie Frauen Opfer häuslicher Gewalt werden. Das Ministerium rettete seine einseitige Fürsorge allein für weibliche Opfer mit der Argumentation, man habe für die Männerstudie ja viel weniger Männer befragt als Frauen für die Frauenstudie, weshalb die Männerstudie nicht repräsentativ sei und es keinen Handlungsbedarf gebe: So wurde mit den Ergebnissen der Frauenstudie auch in den Leitmedien viel Aufmerksamkeit für weibliche Opfer geschaffen und Millionen an staatlichen Hilfsgeldern aufgetan, während die männlichen Gewaltopfer weiterhin leer ausgingen. Eine repräsentative Studie könnte dazu beitragen, diesen Sexismus zu beenden.

Dabei bleibt häusliche Gewalt nicht das einzige Problemfeld, das vom Bundesforum inzwischen angegangen wird. So kündigt das Bundesforum in Zusammenarbeit mit Dr. Matthias Stiehler, den ich sehr schätze (Stiehler ist Vorstand der Stiftung Männergesundheit), eine Kampagne zum Tag der ungleichen Lebenserwartung an. Deren griffiger Slogan lautet: "Am 10. Dezember stirbt die Hälfte unserer Bevölkerung!"

Auch hiermit hat das Bundesforum eine Idee der Männerrechtsbewegung übernommen. Auf den "Equal Death Day" etwa wies MANNdat bereits im November 2016 hin. Hier ist mir fast schon ein bisschen egal, dass das Bundesforum bei uns abgekupfert hat, ohne uns als Vorreiter angemessen zu würdigen: Am wichtigsten erscheint mir, dass es bei solchen Fragen überhaupt endlich in die Puschen kommt. (Mehr zum "Tag der ungleichen Lebenserwartung" erfährt man hier.)

Sogar Scherze über die superfeministischen Grünen kann man inzwischen aus den Reihen des Bundesforums hören. So twittert Markus Witt, als Mitglied des Bundesvorstandes des Väteraufbruchs ebenfalls Mitglied im Bundesforum, zu einer besonders schillernden Sprechblase der Grünen:

Bei den Grünen muss alles queer und feministisch sein, sonst beachtet es innerhalb der Partei niemand und lehnt es mangels Grundvoraussetzungen schon einmal ab. Ob es Sinn macht oder nicht. Ich warte jetzt noch auf den queerfeministischen Maskulismus, das hätte was.


Im Mai habe ich ein Buch über eine denkbare Kooperation von Feministinnen und Maskulisten veröffentlicht, aktuell öffnet sich das Bundesforum Männer maskulistischer Forschheit – wenn das so weitergeht, ist am Ende auch der "querfeministische Maskulismus" nur noch eine Frage der Zeit ...

Etwas unbefriedigend ist allerdings noch immer die gegenwärtige "Arbeitsteilung": Da sind zum einen wir von Ideologen als "rechte Frauenhasser" verleumdete Wegbereiter dieser antisexistischen Politik. Wir müssen in unserem Privatleben und auf eigene Kosten unser Bestes geben, um diese Politik voranzutreiben. Auf der anderen Seite steht ein staatlich finanziertes Bundesforum, das mittlerweile in unserer Spur fährt und unsere Vorleistungen sukzessive übernimmt. So befriedigend es ist, wenn unsere Forderungen allmählich in Regierungspolitik münden, wird über diese unangemessene Rollenteilung noch zu sprechen sein.

Wie immer bin ich auch bei diesem Thema gerne an Leserzuschriften interessiert. Hat jemand von euch Erfahrungen mit der aktuellen Ausrichtung des Bundesforums gemacht? Bleibt es bei wechselseitigem Beharke mit den Vereinen der Basis, oder kommt es endlich zu einer konstruktiven Kooperation?



2. Die Ausrichter des Deutschen Genderkongresses berichten auf ihrer Website über den Verlauf der diesjährigen Veranstaltung und die obligatorischen feministischen Proteste dagegen. Ein kritisches Fazit zum diesjährigen Genderkongress zieht hingegen die Väterbewegung Köln.



3. Die "IG Jungen, Männer, Väter" äußert sich in einer aktuellen Pressemitteilung sehr kritisch zu dem von Bundesjustizministerin Lambrecht am 29. November veröffentlichten Thesenpapier mit Vorschlägen zur Neuregelung des veralteten deutschen Familienrechts. Ein Auszug:

Väterverbände kritisieren das Papier als unzulänglich. "Darin kommen vor allem die Interessen der Justiz und der gerichtsnahen Professionen zum Ausdruck" kritisiert Gerd Riedmeier, Sprecher der Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter (IG-JMV) und ergänzt: "Der Ansatz soll wohl mehr der Justiz dienen als heutigen Trennungsfamilien."

(...) Das Papier wendet sich gegen verpflichtende Mediation vor Beginn des Familienverfahrens zur Regelung der Betreuung, wie in Australien oder in den USA bewährt. Anstelle dessen solle das Prinzip der Strittigkeit erhalten bleiben. Das verwundert nicht, kritisiert Riedmeier, war der zuständige Arbeitskreis doch vor allem mit Vertretern aus der Richter- und Anwaltschaft besetzt. Vertreter von Väterverbänden fehlten.

Die Unterhaltsfrage und eine faire Aufteilung der finanziellen Lasten nach Betreuungsanteil werden überhaupt nicht angesprochen. Die Ministerinnen Lamrecht (Justiz) und Giffey (Familie) möchten am Zwang für Väter festhalten, durch Mehrarbeit und Überstunden bei gleichzeitiger Zuweisung eines "fiktiven Einkommens" den Unterhalt für die Kinder zu sichern. Dass dieser Zwang einer gleichberechtigten Betreuung der Kinder im Wege steht, ist ihnen bekannt.

(...) Skandalös sei auch der Umstand, dass das SPD-geführte Ministerium nach 3 ½ Jahren Arbeitskreise lediglich ein "Thesenpapier" präsentiert, mehr nicht. Es reichte nicht einmal zu einem Gesetzesvorentwurf. Der Schluss liegt nahe, es solle vor allem auf Zeit gespielt werden und im Grunde so wenig wie möglich an der Diskriminierung getrennt erziehender Väter geändert werden.




4. Es ist ja schön, wenn die Wiener Verkehrsbetriebe darauf aufmerksam machen, dass ein einzelner Fahrgast sich nicht auf mehreren Sitzplätzen breitmachen sollte. Noch schöner wäre es, wenn man das ohne einen sexistischen Kampfbegriff wie "Manspreading" geschafft hätte. Dann wäre dieser Hinweis auch weniger leicht von der FPÖ zu instrumentalisieren gewesen, die das Feindbild "Mann" nur zu "männlicher Zuwanderer" zu erweitern brauchte.



5. Die "toxische Weiblichkeit" bleibt ein Problem: In Dortmund steht eine Frau vor Gericht, weil sie für 100 Euro ein Mädchen "gekauft" und zur Prostitution gezwungen haben soll.



6. Wie der Mainzer "Merkurist" berichtet, wird die Frauenbücherei der Johannes-Gutenberg-Universität, mit der auch ich schon unschöne Erfahrungen gemacht habe, wegen sexistischer Diskriminierung scharf kritisiert: In einer Stellenausschreibung der Bibliothek waren "Cis-Männer" als Bewerber ausgeschlossen worden. (Als ich noch in Mainz studiert habe, durfte die Frauenbücherei von männlichen Studenten zwar mitfinanziert, aber nicht betreten werden, das scheint sich nicht geändert zu haben.)

Weil der "Merkurist" nun mal der "Merkurist" ist, bezeichnet er in eifriger Solidarität mit der Frauenbibliothek die Kritik an der von ihr begangenen Diskriminierung als "Hassmails", kann in seinem Artikel aber keinerlei Beschimpfungen und Herabsetzungen zitieren. Das für die Frauenbibliothek verantwortliche "autonomeAlleFrauenreferat AStA Uni Mainz" versucht die Diskriminierung von Männern in einer Stellungnahme auf Facebook zu rechtfertigen, der eine eigene Triggerwarnung vorgeschaltet ist. Man sehe sich durch die "hasserfüllte Reaktion" bestärkt darin, an der ausgeübten Diskriminierung festzuhalten.



7.
Deutschland diskutiert wieder über Meinungsfreiheit. So regelmäßig wie es das Thema an die Oberfläche der Feuilletons und Talkshows schafft, so häufig wird auch am eigentlichen Problem vorbei geredet. Nicht die Meinungsfreiheit ist bedroht, sondern unsere Diskussionskultur. Der Austausch von Argumenten ist immer weniger gefragt. Stattdessen geht es vor allem darum, welchem Lager man sich zuordnet — beziehungsweise zugeordnet wird. Deutschland entwickelt sich zunehmend in ein Archipel mehr oder weniger abgeschotteter Meinungsinseln. Nuancen und Meinungsaustausch sind in Zeiten von Polarisierung, markigen Slogans, zugespitzten Tweets und Schlagzeilen nicht mehr gefragt. Es gilt besonders deutlich "Haltung" zu zeigen und jede Öffnung gegenüber dem politischen Gegner wird als Schwäche ausgelegt. Dabei wäre ein offener und tiefgehender Austausch von Argumenten vielleicht gerade das, was die weitere Verinselung des Landes stoppen könnte.


Hier geht es weiter. Was die Männerrechtsbewegung angeht, nehme ich solche Tendenzen allerdings kaum wahr. Beispielsweise hätte man sich auch vorstellen können, dass es für meine Zusammenarbeit mit Feministinnen für einen wissenschaftlichen Sammelband scharfe und starke Kritik aus einer fundamentalistischen Ecke gegeben hätte, stattdessen wurde dieses Projekt wohlwollend beurteilt. Ob es tatsächlich zu einem Aufbrechen der "Meinungsinseln" in der Geschlechterdebatte führen wird, bleibt allerdings dahingestellt: Reaktionen seitens der Feministinnen und Journalisten, die ich mit Leseexemplaren bestückt hatte, gab es so gut wie keine. So mancher scheint die eigene Meinungsinsel sehr lieb gewonnen zu haben.



8. Der renommierte britische Männerrechtler und Publizist Glen Poole berichtet über neue Erkenntnisse der Movember-Stiftung:

41% der Männer haben bedauert, dass sie sich jemandem mit ihren Problemen "geöffnet" haben, wie aus einem neuen globalen Bericht hervorgeht, der von Movember in Auftrag gegeben wurde.

Mehr als drei Viertel der Männer (77%) sind der Meinung, dass das Reden ein wirksames Mittel zur Lösung von Problemen ist, und 76% glauben, dass ein offenes Reden positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann.

Doch zwei von fünf haben eine negative Erfahrung gemacht, wenn sie mit anderen über die Themen sprechen, mit denen sie sich befassen, und mehr als die Hälfte (53%) sagen, dass diese negative Erfahrung sie daran hindern würde, in Zukunft darüber zu sprechen.

Die drei Hauptgründe, warum Männer es bedauerten, ihre Probleme anderen mitzuteilen, waren, dass die Person, mit der sie sprach, sie nicht ernst nahm, sie nicht respektierte und sich nicht um ihr Problem zu kümmern schien.

In Fällen, in denen Männer es bereut haben, offen mit ihren Probleme zu sein, lag dies in der Regel daran, dass die Person, mit der sie gesprochen haben, sie nicht zu respektieren oder sich um ihr Problem zu kümmern schien (45% der Fälle). Ebenso sagen 30% der Männer, die das Reden bereut haben, dass die Person, mit der sie gesprochen haben, sie nicht ernst genommen hat.

Die Forscher kamen zu dem Schluss, man müsse stärker als bisher zur Kenntns nehmen, dass es für Männer schwieriger sein kann, offen mit anderen zu sprechen, als es zunächst den Anschein hat. Wenn man Männer ermutige, "mehr zu reden", müsse diese Komplexität berücksichtigt werden – einschließlich des Kontextes, in dem Männer eher bereit sind, sich zu öffnen.




9. Einer meiner Leser hat mich auf ein interessantes Gerichtsurteil aufmerksam gemacht:

Wird einem Vater und seinem minderjährigen Kind auf Betreiben der Kindesmutter durch die Bundespolizei die Urlaubsreise nach Thailand untersagt, obwohl eine Gefährdung des Kindeswohls und des Sorgerechts der Kindesmutter nicht vorliegt, steht dem Vater gegen den Staat ein Schadens­ersatz­anspruch zu. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden.


Hier erfährt man mehr.



10. Ein anderer Leser weist mich auf ein Interview hin, in dem sich der Kriminologe Christian Pfeiffer massivem Sexismus hingibt, um in der Frankfurter Allgemeinen Reklame für sein neues Buch zu machen. Mein Leser schreibt hierzu:

Schon die Überschrift und der Einstieg ins Interview macht deutlich, dass wieder mal alle Männer dieser Welt ihren Täterstatus bekommen und Frauen instabile Opfer sind. Pfeiffer schildert auch ein Beispiel, wie er für sich die Rolle des Richters und des Polizisten einnimmt, indem er zwei Studenten aus der Uni schmeißt. Das ganze spielt in den USA, wo es ja üblich ist, ohne Rechtssprechung Studenten als Täter zu definieren und dann der Uni zu verweisen. Vor ein paar Tagen hattest du ja einen schönen Link zum "Matratzenmädel" und was aus ihr wurde. Vielleicht sollte Pfeiffer den Link mal zugeschickt bekommen.


Mein Leser weist auf folgende Passage aus Pfeiffers Ausführungen hin:

In den Zeiten der Stammhalter wurden die Mädchen weniger geliebt und mehr geschlagen. Das war vor vierzig Jahren noch so. Jetzt sind wir beim Umgekehrten: Die Jungen werden weniger geliebt und mehr geschlagen. Die Krise der Jungen ist augenfällig. Wir haben noch nie einen so großen Leistungsabstand zwischen Jungen und Mädchen gehabt, schulisch und auch an Universitäten. Und das hat ganz stark mit einem Defizit der Väter zu tun. Mehr als die Hälfte der Jungen haben keine starke Beziehung zum Vater. Weil er sich aus dem Staub gemacht hat, oder weil er nur körperlich anwesend ist – weil er einfach seine Rolle nicht ausfüllt. Das ist ein Hauptfaktor für die Krise der Jungen.


Nun gibt es seit mittlerweile über 20 Jahren einen Diskurs über ausgregrenzte ("entsorgte") Väter, deren Kontakt zu ihrem Nachwuchs von der Ex-Partnerin blockiert und sabotiert wird. Aufgrnd dieses weit verbreiteten Problems fordert die Väterbewegung seit Jahren das Wechselmodell: gemeinsamer Kindesumgang für beide Elternteile nach der Trennung. Pfeiffer scheint in seinem Elfenbeinturm nichts von all dem mitbekommen zu haben. In seinem Weltbild hat sich der Vater "aus dem Staub gemacht".

Nun hat Pfeiffer immerhin erkannt, dass die Jungenkrise (neben anderen Gründen wie z.B. Diskriminierung, die Pfeiffer verschweigt) dem Fehlen von Vätern zu verschulden ist. Führt ihn dies zu der logischen Folgerung, dass es mehr Väter, mehr Männlichkeit brächte, um diese Krise zu bewältigen? Pustekuchen. Einmal in die sexistische Bahn geraten, verrennt sich Pfeiffer dort im Laufe des Interviews immer mehr:

Pfeiffer: Die Dominanz der Männer ist eine Hauptquelle all der Probleme, die uns Angst machen: Überbevölkerung, Terrorismus, Umweltverschmutzung, Klimakatastrophe. Das wird zu wenig beachtet. Wir sind zwar auf guten Wegen in Deutschland, aber längst nicht angekommen. Der Anteil der Frauen im Bundestag ist gesunken. Das geht gar nicht!

FAZ: Feministinnen nennen die Dominanz der Männer das Patriarchat.

Pfeiffer: So ist es, das tun sie mit völligem Recht. Das Patriarchat besteht bei uns immer noch. Es ist schwächer geworden. Aber das Ziel einer echten Gleichrangigkeit ist nicht erreicht. Und die müssen wir nicht nur wegen der Gerechtigkeit, Artikel 3 im Grundgesetz, erreichen, sondern um zu überleben. Es ist zu gefährlich geworden, den Männern das Heft in der Hand zu lassen, weil sie zu viel Schaden anrichten. Wer produziert denn Kriege? Machokulturen wie Taliban und IS. Die haben uns früher nur genervt, jetzt sind sie lebensgefährlich.

FAZ: Feminismus als Überlebensstrategie.

Pfeiffer: Genau. Diese Männer gibt es ja auch in Europa. Und wenn so Typen wie Bolsonaro oder Trump, die die Klimakrise für eine Erfindung der Wissenschaft halten, in die Überzahl kommen, dann Gnade uns Gott. (...) Aber die Tatsache, dass wir mit Fridays for Future – zu siebzig Prozent sind das übrigens Frauen – eine sehr politische Jugend haben, stimmt mich optimistisch.


Jenseits der feministischen Ideologie sind Frauen natürlich nicht die besseren Menschen, als die Pfeiffer sie sich so sehr erträumt. Beispielsweise zeigte sich in einer historischen Übersicht vom Ende des fünfzehnten bis zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, dass Königinnen eher dazu neigten, einem anderen Land den Krieg zu erklären, als ihre männlichen Gegenstücke.

"Die Menschen haben den vorgefassten Glauben, dass Staaten, die von Frauen geführt werden, weniger Konflikte haben", erklärte Oeindrila Dube, Assistenzprofessorin für Politik und Wirtschaft an der New York University, nachdem sie ihre Studie bei der Jahrestagung 2015 der American Political Science Association vorgestellt hatte. Aber historisch gesehen stimme das einfach nicht. Nicht nur führten Königinnen mehr Kriege als Könige, sie begannen sie auch eher. Die Vorstellung, dass es weniger globale Konflikte gäbe, wenn mehr Frauen an der Macht wären, ist ein Irrtum.

Und was Pfeiffers Optimismus mit Blick auf die vielen Frauen von Fridays for Future angeht, genügt ein aktuelles Statement des Klimaforschers Hans von Storch:

Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, eine Repräsentantin der "Fridays for Future"-Bewegung in Aktion zu erleben. Ich war sehr enttäuscht, denn es war eine einfache Ansammlung von Worthülsen, aber nichts Konstruktives darin. Das ist so, als ob ein Kind ein Eis von seinen Eltern fordert, sie nicht wissen, wo sie es herholen sollen, das Kind auch selbst keine Idee hat, aber den Eltern droht, es habe sie sonst nicht mehr lieb. Das ist das Verhalten eines unreifen Teenagers.


Die tatsächliche Hoffnung legt Hans von Storch in jene Sparte, in der sich, um Pfeiffers Rhetorik zu übernehmen, weit überwiegend Männer finden:

Die beste Anstrengung, die eine deutsche Familie zum Schutz des Klimas machen kann, ist es, ihre Kinder zu überreden, Ingenieure zu werden. Diese Ressource – etwa technischen Verstand – müssen wir stärken. Wir müssen Methoden und Techniken entwickeln. Das kostet Zeit und Geld. Wir könnten zum Beispiel massiv in attraktive Verfahren zum elektrischen Kühlen und Heizen investieren. Oder in die Elektrifizierung der Prozesswärme in der chemischen Industrie. Dazu kann dann Elektrizität aus Wind und Sonne genutzt werden.


Ein wichtiger Lösungsansatz auch beim Klimaproblem ist eine Verbesserung des Bildungssystems in Deutschland. Wer hier beispielsweise etwas gegen die "Jungenkrise" unternehmen würde und dadurch hilft, dass immer mehr Schüler zu schlauen Technikern und Ingenieuren werden, statt auf der Strecke zu bleiben, tut mehr als jemand, der sich in seiner eigenen Politischen Korrektheit sonnt, indem er Männer als Monster und Frauen als Erlöser phantasiert.

Das Interview enthält weitere Passagen, die mehr von radikalfeministischer Ideologie als von Sachkenntnis geprägt sind: etwa wenn Pfeiffer suggeriert, dass häusliche Gewalt von Männern aus Kontrollsucht und von Frauen aus Selbstverteidigung verübt wird. Es gibt inzwischen ganze Regale an Büchern, die erklären, wie absurd diese Aufteilung Frau/gut vs. Mann/böse auch bei häuslicher Gewalt ist – Regale an Literatur, die Pfeiffer ebenfalls nicht zu kennen scheint.

Alles in allem handelt es sich hier um ein gruseliges Interview, das weltanschaulich oft auf dem Stand der siebziger Jahre bleibt und mit dem Pfeiffer sein Bestes gibt, um den identitätspolitischen Sektor zu bedienen. Seinem Ruf als sachkundiger und unvoreingenommener Forscher dürfte er damit eher geschadet haben.

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