Donnerstag, Juli 18, 2024

Ukraine: Kriegsdienstverweigerer auf der Flucht erschossen

1. Mehrere Medien berichten über die Tötung eines ukrainischen Deserteurs, darunter die Berliner Zeitung:

Ein Soldat der ukrainischen Armee wurde übereinstimmenden Medienberichten zufolge von einem ukrainischen Grenzbeamten erschossen, als er versuchte, in die benachbarte Republik Moldau zu flüchten. Das Staatliche Ermittlungsbüro in der Ukraine, eine Art Bundeskriminalamt, bestätigte den Vorfall, der am späten Abend des 14. Juli stattgefunden haben soll.

Der ukrainischen Behörde zufolge flohen vier Soldaten aus einem Militärcamp in der Schwarzmeer-Region Odessa und versuchten, zu Fuß die Grenze nach Moldau zu überqueren. Einer der Fahnenflüchtigen leistete dem Ermittlungsbüro zufolge nach dessen Festnahme durch einen Grenzbeamten Widerstand, woraufhin er erschossen wurde.

Ein Sprecher der ukrainischen Grenzschutzbehörde widersprach jedoch zunächst und sagte gegenüber ukrainischen Medien, der Grenzsoldat habe das Feuer nicht als Erster eröffnet. Ermittlungsbehörden in Kiew teilten daraufhin mit, dass eine Untersuchung wegen übermäßigen Missbrauchs von Strafverfolgungsbefugnissen eingeleitet worden sei.

(…) In der Region Transkarpatien wurde ebenfalls ein Mann von ukrainischen Grenzbeamten erschossen, der versuchte, ins Ausland zu fliehen.




2. In der Frankfurter Rundschau geht es darum, wie Russland Kriegsdienstverweigerer in seine Gewalt bekommen möchte:

Mindestens hunderttausend russische Militärangehörige sollen bereits gestorben sein, während sie Wladimir Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in die Ukraine trugen. Die jüngste Zusammenschau verschiedener Datensätze durch den britischen Economist lässt darauf schließen, dass zwischen Februar 2022 und Mitte Juni 2024 sogar 462.000 bis 728.000 russische Soldaten kampfunfähig wurden, weil sie starben oder schwer verletzt wurden.

Die Verluste sind horrend, das schildern auch Soldaten aus Russland, und laut dem unabhängigen russischen Medium Mediazona wurden seit Putins Invasion bereits über 9000 Personen angeklagt, weil sie sich unerlaubt von ihrer Einheit entfernt hatten. Deswegen braucht der Kreml neue Rekruten. Damit die ihm nicht weglaufen, bevor sie ausgebildet werden können, setzt die russische Führung nun auf eine Software zum "elektronischen Datenaustausch" zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Föderalen Sicherheitsdienst (FSB). Das berichtete das unabhängige russische Nachrichtenportal Meduza.

Im September 2022 ordnete Wladimir Putin die im Ukraine-Krieg erste und bisher einzige Teilmobilmachung von 300.000 Reservisten an. Sie provozierte einen Exodus junger Russen, insbesondere aus den Städten, der die russische Gesellschaft wichtige qualifizierte Arbeitskräfte kostete. Noch im selben Monat berichtete die unabhängige russische Zeitung Nowaya Gazeta, dass bereits 261.000 Russen das Land verlassen hätten.

(…) Deswegen will sich der Kreml nun digitaler Hilfsmittel bedienen, um Wehrpflichtige, die ihren Einberufungsbefehl erhalten haben, erfolgreicher an der Ausreise zu hindern. Seit dem 1. Januar 2024 ist in Russland ein neues Gesetz in Kraft, welches das Maximalalter für die Wehrpflicht von 27 auf 30 heraufsetzt. Es verbietet außerdem allen Männern, das Land zu verlassen, sobald sie einen Einberufungsbefehl erhalten haben. Nachdem dieser Befehl früher per Post entgegengenommen oder vom Arbeitgeber übergeben werden musste, kann er bereits seit April 2023 auch online über das Regierungsportal Gosuslugi zugestellt werden.

Bisher scheint das Problem gewesen zu sein, dass der für den Grenzschutz zuständige Inlandsgeheimdienst FSB nicht immer darüber informiert war, wer einen Einberufungsbefehl erhalten hatte und infolgedessen das Land nicht verlassen durfte. Daher entwickelt das "Voskhod" Forschungsinstitut, das dem russischen Ministerium für Digitale Entwicklung unterstellt ist, jetzt ein Programm, das Abhilfe schaffen soll. Ziel ist die Übertragung einer regelmäßig zu aktualisierenden Liste mit den relevanten Namen aus dem Einberufungsregister des Verteidigungsministeriums an das föderale Datenverarbeitungszentrum des FSB-Grenzdienstes.




3. Kriegsdienstverweiger aus Israel hat die Tagesschau für den Beitrag "Was wir in Gaza tun ist unmoralisch" interviewt. Die porträtierten Männer ziehen sich nach ihren Erlebnissen in Gaza von dort zurück:

"Von den Leuten, die ich getroffen habe, sagt niemand: 'Ich will so viele Menschen in Gaza töten, wie möglich.' Aber es fühlt sich definitiv so an, dass sich niemand für die palästinensischen Zivilisten interessiert", so Ziv ein paar Tage nach der Demonstration. Der 29-Jährige sitzt auf einer Parkbank im Zentrum von Tel Aviv. Er ist trainiert, wirkt selbstbewusst, überlegt genau, was er antwortet.

(…) Schriftliche Einsatzregeln für die Soldaten am Boden hat Ofer Ziv nach seinen Worten nie gesehen. In aktiven Kriegszonen, für die die Armee zuvor Evakuierungen angeordnet habe, wird nach Darstellung des Reservisten auf alles geschossen: "Jedes Mal, wenn wir jemanden Unbekannten in der Gegend herumlaufen sehen haben, wurde er erschossen. Jedes Mal, soweit ich mich erinnern kann."

(…) Je mehr Einsätze der Offizier am Bildschirm des Hauptquartiers verfolgt, um so mehr hinterfragt er sie. Er frage sich zum Beispiel, ob bei einzelnen Angriffen immer rein militärische Motive eine Rolle spielen? "Wollten die Leute sich auch rächen und die Schule zerstören? Weil sie einfach die Palästinenser hassen oder die Bewohner von Gaza oder was auch immer?"

(…) Ofer Ziv will seinen Beitrag leisten, um den Druck auf die Regierung zu erhöhen. Deshalb erzählt er von seinen Erlebnissen im Gaza-Krieg: "Ich kann der Regierung nicht vertrauen. Ich glaube, dass das, was wir in Gaza tun, unmoralisch ist. Es ist sehr, sehr, sehr problematisch."

Der Weg an die Öffentlichkeit könnte für ihn selbst zu einem Problem werden. In den nächsten Tagen schon könnte die Armee den Reservisten wieder zum Dienst einberufen. Eine Verweigerung kann mit Gefängnis bestraft werden. Der 29-Jährige will sich davon aber nicht einschüchtern lassen: "Das macht mir Sorgen. Aber im Moment habe ich mehr Angst davor, das zu tun, was sie von uns in Gaza wollen, als davor, ins Gefängnis zu gehen."


Wie israelische Soldaten unter der Überschrift "Mir ist langweilig, also schieße ich" berichten, dienen dabei entgegen früheren, von Genderama aufgegriffenen Schilderungen zwar in erster Linie, aber nicht ausschließlich Männer als potentielle Terroristen und damit legitime Zielscheiben:

Die Zeugenaussagen zeichnen das Bild einer mit zivilen Leichen übersäten Landschaft, die der Verwesung überlassen oder von streunenden Tieren gefressen werden; die Armee versteckt sie nur vor der Ankunft internationaler Hilfskonvois, damit "keine Bilder von Menschen im fortgeschrittenen Stadium der Verwesung auftauchen". Zwei der Soldaten bezeugten auch eine systematische Politik, palästinensische Häuser in Brand zu setzen, nachdem sie sie besetzt hatten. (…) "Es ist erlaubt, jeden zu erschießen, ein junges Mädchen, eine alte Frau."


Die Freigabe, alles abzuknallen, was sich bewegt, schade mitunter den israelischen Soldaten selbst:

Diese laxen Richtlinien trugen nicht nur zur Tötung von mehr als 38.000 Palästinensern bei, sondern waren auch mitverantwortlich für die hohe Zahl von Soldaten, die in den letzten Monaten durch eigenes Feuer getötet wurden.


Mindestens 28 israelische Soldaten sollen so von den eigenen Leuten erschossen worden sein.

Für Green zeigten die Einsatzregeln auch eine tiefe Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Geiseln. "Sie erzählten mir von der Praxis, Tunnel zu sprengen, und ich dachte mir, wenn Geiseln [darin] wären, würde das sie töten. Nachdem israelische Soldaten im Dezember in Shuja'iyya drei Geiseln getötet hatten, die weiße Fahnen schwenkten, weil sie sie für Palästinenser hielten, sagte Green, er sei wütend, aber man habe ihm gesagt, 'wir können nichts tun'."

(…) "Ich habe Aussagen [von anderen Soldaten] gehört, dass die Geiseln tot wären, dass sie keine Chance haben, dass sie aufgegeben werden müssen", so Green. "Das hat mich am meisten gestört ... dass sie immer wieder sagten: 'Wir sind wegen der Geiseln hier', aber es ist klar, dass der Krieg den Geiseln schadet. Das war damals mein Gedanke; heute hat sich das bewahrheitet."

(…) "Auch ich, ein eher linker Soldat, vergesse sehr schnell, dass es sich um echte Häuser [in Gaza] handelt", sagte A. über seine Erfahrungen im Einsatzraum. "Es fühlte sich an wie ein Computerspiel. Erst nach zwei Wochen wurde mir klar, dass es sich um [tatsächliche] Gebäude handelt, die einstürzen: Wenn es [darin] Bewohner gibt, dann stürzen [die Gebäude] auf ihren Köpfen ein, und selbst wenn nicht, dann mit allem, was darin ist." Mehrere Soldaten sagten aus, dass die israelischen Einheiten aufgrund der Politik des freizügigen Schießens palästinensische Zivilisten auch dann töten konnten, wenn sie zuvor als solche identifiziert worden waren.


Der Beitrag ist bei Interesse am Thema in Gänze lesenswert.



4. Die Post. Einer meiner Leser schrieb mir gestern:

Heute kam im ZDF im Rahmen der Sendung "hallo deutschland" ein ausführlicher Bericht über die Wormser Mißbrauchsprozesse.

Ein sehr sehenswerte Einblick in das Versagen der Justiz und die Folgen übereifriger "Kinderschützerinnen". Besonders weist die Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen auf eine Frau hin, die mit missionarischem Eifer sexuellen Mißbrauch aufdecken wollte. Sie betont "aufdecken", nicht "aufklären". Die Frau hat nachts eine Kneipe observiert, in die viele Männer gingen. Daraus hat sie sich zusammenphantasiert, daß das der Ort des Mißbrauchs sein muß.

Alles begann mit einem Sorgerechtsstreit, der eskalierte.

Auch die damaligen Kinder kommen zu Wort und schildern die Folgen. Besonders bedrückend ist der Fall von Jacqueline, die erst im Heim vom Heimleiter mißbraucht wurde! Sie hat später die Kraft gefunden, ihn anzuzeigen. Er bekommt 5 Jahre und 8 Monate Haft - für sie enttäuschend.

Der Beitrag ist noch nicht als Einzelbeitrag unter der Rubrik "Wahre Verbrechen" gelistet, sondern nur in der Gesamtsendung bei 25:20.

Ich bin in der ARD-Mediathek dann auf einen weiteren Bericht über den Fall gestoßen: "Der Missbrauch, der keiner war" Ebenfalls sehr sehenswert. Die verwendeten Befragungsmethoden waren damals schon als untauglich angesehen.

Alle Angeklagten mussten zweieinhalb Jahre in U-Haft verbringen. Eine ältere Frau ist dort gestorben. Das könnte die Oma sein, die Gisela Friedrichsen beschreibt und die fünf Kinder großgezogen hat.




kostenloser Counter