In elf Bundesländern: Razzien wegen frauenfeindlicher Beiträge im Internet
1. Einen Tag vor dem heutigen Weltfrauenkampftag gingen das Bundeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main gestern gegen Frauenfeindlichkeit im Netz vor. Seit sechs Uhr am Donnerstagmorgen durchsuchten Polizisten deshalb in elf Bundesländern die Wohnungen von 45 Beschuldigten, die Beiträge verfasst haben solen, "in denen Frauen sexualisiert, verleumdet und beleidigt wurden".
Spiegel-Online berichtet:
Eine wichtige juristische Grundlage für die aktuellen Ermittlungen ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 2020. Das Gericht hatte geurteilt, dass pauschale Verunglimpfungen gegen Frauen auch eine strafbare Volksverhetzung darstellen können.
Hintergrund der Aktion ist die gemeinsame Projektgruppe "Bekämpfung der Frauenfeindlichkeit im Internet", in der auf Hatespeech spezialisierte Beamte des BKA und der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt zusammenarbeiten. Die Ermittler sind dabei gezielt gegen frauenfeindliche Hasskommentare im Netz vorgegangen und haben nach SPIEGEL-Informationen gegen Hass-Poster in sozialen Netzwerken, aber auch in speziellen Telegram-Kanälen ermittelt und diese identifiziert. Die Ermittler haben außerdem bestimmte Foren von sogenannten "Pick-up-Artists" und "Incels" ins Visier genommen.
(…) Nach SPIEGEL-Informationen gab es aufgrund der Ermittlungen bereits eine Verurteilung. Der Beschuldigte, der zahlreiche frauenverachtende Beiträge gepostet haben soll, wurde zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Auch einige Frauen sollen wegen solcher Beiträge hochgenommen worden sein.
2.
Immer mehr Menschen haben Angst davor, in der Öffentlichkeit ihre Meinung zu äußern. Was als Zunahme von Hass und Diskriminierung gewertet wird, kann auch Anzeichen für übersteigerte Verletzlichkeit sein. Besteht die eigentliche Gefahr für die Demokratie in einem neuen Zartgefühl?
Hier geht es weiter mit dem aktuellen Beitrag des CICERO, wo es heißt:
Sind es also vielleicht gar nicht so sehr die wachsenden Anfeindungen oder die marktschreierischen Positionierungen von rechts wie von links, die uns aus der demokratischen Kultur herauszudrängen versuchen? Geht es vielmehr um zunehmende Verletzlichkeiten? Die Rechtsphilosophin Frauke Rostalski, immerhin Mitglied im Deutschen Ethikrat, spricht längst von einer "vulnerablen Gesellschaft". Ihrer Meinung nach sind wir in Deutschland sogar mehr und mehr dazu bereit, Einschränkungen unserer individuellen Freiheit hinzunehmen, wenn wir damit nur dem gesteigerten Sinn für Verletzbarkeit gerecht werden können. Und das gelte laut Rostalski eben nicht nur bei der Corona-Pandemie oder beim Schutz vor Diskriminierung; eine besondere Gefahr sieht die Kölner Rechtswissenschaftlerin beim Diskurs selbst, mithin bei der DNA einer jeden offenen Gesellschaft: "Diskursvulnerabilität" nennt Rostalski das, was der Demokratie möglicherweise bald den Garaus machen könnte.
(…) Wir sind also zu sensibel geworden für die Meinung des Anderen. Bollerköpfe wie einst Strauß, Wehner oder Geißler wären heute wohl längst mit Triggerwarnungen versehen. Die "Generation Krokodilstränen", wie die Berliner Journalistin Pauline Voss jüngst die meist jungen Anhänger des neuen demokratischen Zartgefühls in ihrem gleichnamigen Buch genannt hat, spart lieber ein paar unangenehme Wahrheiten aus, als dass sie sich gegenseitig schmerzlich auf den Füßen rumstünde. Diejenigen, die laut Voss ihre "Diskriminierungserfahrungen und Minderheitenzugehörigkeiten wie Schmisse präsentieren", beginnen beredet zu schweigen, sobald es um die wahren Konflikte in der demokratischen Auseinandersetzung geht.
(…) Der Kabarettist Florian Schroeder, laut Selbstauskunft eigentlich "Fan von Austauschsphären", hat Anfang der Woche schon mal was vorformuliert. In einem lebhaften Disput mit dem Journalisten Julian Reichelt definierte Schröder die neue Lex silentia kurzerhand so: "Es gibt kein Recht, im öffentlichen Raum so zu sprechen, wie im privaten." Bis dato mag ein solcher Gedanke zwar noch mit Artikel 5, Absatz 1 des Grundgesetzes kollidieren, doch im Kern geht Schroeders Novelle in die richtige Richtung. Sie atmet den gleichen Geist, wie etwa der jüngst vom Ampel-Kabinett vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftkonfliktgesetzes zur sogenannten Gehsteigbelästigung. Denn fürwahr: Meinungen sind Zumutungen, vor allem dann, wenn es die Meinungen der anderen sind.
3. "Männer sind einfach unersetzlich" stellt der Soziologe Professor Walter Hollstein in einer dopelseitigen Titelgeschichte für das Schweizer Magazin "Weltwoche" fest. Ein Auszug:
Das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Opfern bei den Einsätzen von Polizei, Feuerwehr, Ambulanz, Sanität, Katastrophendiensten und technischem Hilfswerk beträgt 98:2. Die Pariser Zeitung Le Monde hat jüngst berichtet, dass in Frankreich täglich zwei Männer im Beruf sterben, ohne dass das öffentlich zum Thema wird. Bezeichnender Titel des Artikels: "Les accidents du travail tuent en silence", Berufsunfälle töten im Stillen. In Deutschland konstatiert die IG Bau: "In diesem Jahr ist rein statistisch alle vier Tage ein Bauarbeiter tödlich verunglückt."
(…) Das wird weder gewürdigt noch verdankt. Stattdessen sind die Medien voll von Männerschelte, Männer-Bashing, Spott und Hohn über die schrecklichen «altenweissen Männer». Volkes Meinung ist allerdings manchmal etwas anders. In "20 Minuten" merkt ein älterer Leser an: "Alte weisse Männer? Sind das die, die jahrelang Steuern bezahlt haben, mit denen die Schulen, Universitäten, Strassen und Eisenbahnen sowie Spitäler und Alters- und Pflegeheime gebaut wurden? Sind das die, die jahrzehntelang die Institutionen für die Jungen bezahlt haben? Und sind das die, die jahrelange Erfahrungen gesammelt haben, was möglich ist und was nicht, was funktioniert oder nicht, die sich noch für das Wohlergehen der Schweiz eingesetzt haben; die noch 45 oder 50 Stunden pro Woche gearbeitet haben und nur zwei Wochen Ferien hatten?"
(…) Was ein grosser Teil des Feminismus an Zuschreibungen entworfen hat, transportiert eine aggressivfeindselige und herabsetzende Haltung gegenüber Männern aufgrund ihres Geschlechts. Im Gegensatz dazu erscheinen Frauen als das gute Geschlecht; sie werden von Natur aus als friedlich, menschenfreundlich und sozial dargestellt. (…) In ihrem Buch "Pornografie. Männer beherrschen Frauen" konstatiert Andrea Dworkin: "Terror strahlt aus vom Mann, Terror erleuchtet sein Wesen, Terror ist sein Lebenszweck." Luise F.Pusch notiert in "Feministische Linguistik": "Wir Frauen wissen nicht so genau, warum die Männer da sind. Ehrlich gesagt, haben wir uns diese Frage wohl auch kaum je gestellt. Sie sind halt da, und das ist schlimm genug. Wir fragen uns wohl, wie wir ihnen am besten entkommen und ihre monströsen Hervorbringungen überleben können." (…) Der Übergang von der verbalen zur physischen Militanz ist dabei nur konsequent: "Ich möchte einen Mann zu einer blutigen Masse geprügelt sehen", notiert Dworkin, "mit einem hochhackigen Schuh in seinen Mund gerammt wie ein Apfel in dem Maul eines Schweins." Schon 1969 hatte Valerie Solanas ihr "Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer" formuliert. Der Mann sei schlecht, böse, unnütz und überflüssig. "Die Vernichtung sämtlicher Männer ist daher eine gute und rechtliche Tat; eine Tat, die sich zum Wohl der Frauen [...] auswirken würde."
Das solchermaßen von Feindseligkeit und Herabsetzung geprägte Männerbild führe, so Hollstein, dazu, dass sich immer mehr Männer aus der Gesellschaft zurückzögen:
Dies wird die Wirtschaft verstärkt zu spüren bekommen: Männliche Fachkräfte werden auf dem Arbeitsmarkt fehlen, was wiederum die Problematik der Immigration ausländischer Arbeitskräfte verschärft. Dramatisch bewertet die amerikanische Psychologin Helen Smith diese Gesamtentwicklung in ihrem Buch "Men on Strike": Junge Männer würden sich zunehmend verweigern und aus der Gesellschaft verabschieden. Die Abwertung der Männlichkeit wird damit zum Problem und zum Kostenfaktor für die ganze Gesellschaft. Auch das sollte endlich bedacht werden.
Von einer bundesweiten Razzia in Buchläden und Verlagen, die Werke von Luise Pusch & Co. verbreiten, ist übrigens nichts bekannt.
4. Immer mehr Menschen vor allem aus dem linken Spektrum haben X (vormals Twitter) verlassen. Das liegt womöglich nicht nur daran, dass dort Rechtsradikale und Rassisten inzwischen tatsächlich freien Auslauf haben, sondern vielleicht auch daran, dass man dort auch mit fundiertem Widerspruch rechnen muss, der ihnen politisch nicht immer in den Kram passt. So wurde ein Tweet der Grünen zum Equal Pay Day von X folgendermaßen mit folgendem Hinweis ergänzt:
Das Statistische Bundesamt weist seit Jahren darauf hin, daß die zZt 18% unbereinigt sind und der tatsächliche Gehaltsunterschied deutlich darunter, evtl sogar 0 oder noch niedriger. Die 6% werden zwar im 2. Tweet erwähnt, trotzdem bleibt die irreführende Behauptung bestehen.
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/01/PD24_027_621.html
Mit solchen zeitnahen Faktenchecks bleibt X den traditionellen Medien klar überlegen. Kein Wunder, wenn sich vor allem Grüne von einer Plattform zurückziehen, die zum Verbreiten von Propaganda weit weniger geeignet sind als ARD und ZDF.
5. Die Post. Einer meiner Leser macht mich auf einen Spiegel-Online Artikel aufmerksam: Die beliebtesten Männer-Ausreden – und warum sie den Fortschritt blockieren
Mein Leser schreibt mir dazu:
Beim Überfliegen weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll:
- Unter "Alibi Nr. 0: Frauen verdienen keine Gleichberechtigung" wird angeführt, 32 Prozent der Männer lehnten eine "weitergehender Gleichstellungspolitik" (sic) ab. Absichtliche Verwechslung von Gleichberechtigung und Gleichstellung oder Schlamperei? Für letzere sprechen die Fehler in diesem offensichtlich mit heißer Nadel zusammengeflickten Text.
- Unter "Alibi Nr. 1, Frauen sind doch schon gleichberechtigt" werden sämtliche angeblichen Benachteiligungen von Frauen aufgezählt, natürlich zuvorderst der gender pay gap, zu dem im selben Blatt vor kurzem Erhellendes, wenn auch nichts Neues, zu lesen war. Die schlechteren Ergebnisse von Männern im Bildungssystem werden dagegen völlig außer Acht gelassen. Auch hier natürlich die Verwechslung von Gleichberechtigung mit Ergebnisgleichheit. Den störrischen Männern wird die Einstellung unterstellt, Frauen seien "übervorteilt". Keine Sorge, dieser Gedanke käme mir nie in den Sinn ... Aber mit ähnlich scharfer Logik heißt es weiter, dass "Männer gerade im beruflichen Kontext dem Thema [Gleichstellung] sehr distanziert gegenüberstehen", diese Angst jedoch unbegründet sei, da nur rund 29 Prozent der Führungskräfte weiblich seien. Wer erklärt den Leuten, dass die Angst vor beruflicher Benachteilung gerade deswegen nur zu berechtigt ist? Wenn der Frauenanteil unter den Führungskräften aufgrund von gesetzlichen oder internen Planvorgaben auf ein politisch gewolltes Niveau gesteigert wrden soll, dann haben männliche Anwärter natürlich schlechtere Chancen, und zwar um so schlechtere, je geringer der derzeitige Frauenanteil ist. Anscheinend braucht man die "geballte Macht des männlichen Privilegs" um diese Diskriminierung auf der individuellen Ebene überhaupt zu sehen. Für den Feminismus scheint Gleichberechtigung eine Frage des Proporzes zu sein, es sei denn, die Männer schneiden statistisch schlechter ab.
- "Alibi Nr. 2" ist eine echte Frechheit, denn hier wird Männern noch vorgeworfen, sich aus dem Thema herauszuhalten. Offensichtlich sind nicht nur Widerspruch und Kritik unzulässig, sondern auch mangelnde Mithilfe bei der eigenen Entrechtung.
- Was "Alibi Nr. 3, Wir haben doch wirklich größere Probleme zu lösen" betrifft, so bin ich zu dem verlangten Mea Culpa (bzw. der "ehrlichen Selbstanalyse") allerdings bereit: Auch ich war bisher der Meinung, dass zumindest Krieg, wahrscheinlich auch Inflation und politische Radikalisierung größere Probleme sind als der Gleichstellungsklimbim. Asche auf mein Haupt.
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