Dienstag, Juni 06, 2023

NZZ: "Friedrich Merz’ Medienkritik ist berechtigt"

1. Thema des Tages in der Neuen Zürcher Zeitung ist heute die gestern auch auf Genderama zitierte Medienkritik von Friedrich Merz. In dem Artikel heißt es:

Zu den wenigen Dingen, die eine zerklüftete Gesellschaft einen können, gehört die Sprache. Zu Hause ist der Mensch da, wo er verstanden wird. Deshalb werden Sprachdebatten desto heftiger geführt, je rascher sich eine Gesellschaft pluralisiert. Sprache rührt an den Kern individueller wie sozialer Identität.

Die heftigen Reaktionen auf die Kritik des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz am Gendern in Fernsehen und Rundfunk belegen diesen Zusammenhang. Wer gendert, wähnt sich oft im Besitz einer höheren Moral. Diese Anmassung treibt die Spaltung der Gesellschaft voran.

(…) Prompt schoss der Deutsche Journalisten-Verband in Gestalt seines Vorsitzenden Frank Überall zurück. Gendern, belehrte Überall die Öffentlichkeit, sei "Ausdruck einer zutiefst demokratischen Grundhaltung, Menschen unabhängig von Geschlecht, Identität, Herkunft und Einstellungen gleich zu behandeln".

Diese Aussage ist bizarr, falsch und von eigenen Vorlieben getrieben. Überall, auch als Reporter für den Westdeutschen Rundfunk im Einsatz, gendert selbst und will die eigene Praxis und die seines Senders offenbar gegen Kritik abdichten. Damit schiesst der Aktivist und Lobbyist übers Ziel hinaus (…).

Unstrittig (…) ist, dass das Gendern von einer kleinen Elite vorangetrieben wird, der das Sprachempfinden der Mehrheit egal ist. Mit dem Gendern soll ein Exempel statuiert werden. Den Ruch des Rückständigen, Vorurteilsbeladenen soll sich zuziehen, wer sich verweigert. In diese Richtung argumentiert Überall, wenn er die "demokratische Grundhaltung" ins Spiel bringt. Demokratisch wäre es aber, mit der tradierten Redeweise und dem bewährten Sprachverständnis der Mehrheit rücksichtsvoll umzugehen.

(…) Die "Tagesschau" schreibt von "Oppositionsanhänger:innen" in Moskau, das ZDF wendet sich an "Abonnent*innen" seiner Newsletter. Mit diesen und anderen Verrenkungen stossen die öffentlichrechtlichen Sender die Allgemeinheit, von deren Geld sie leben, vor den Kopf. Man will nicht so reden oder schreiben, wie es das zahlende Publikum erwartet, sondern wie es der eigenen Blase gefällt.

Im privatwirtschaftlichen Umfeld ist jeder seines Glückes Schmied. Linke Zeitungen gendern, um ihre Klientel zu bedienen, woran nichts auszusetzen ist. Wenn jedoch, wie jüngst erhoben, nur 13 Prozent der Deutschen das Gendern begrüssen, sollten ARD und ZDF und Deutschlandfunk daraus nicht den Auftrag ableiten, an den Umerziehungsanstrengungen festzuhalten. Andernfalls würde der autoritäre Charakter des Genderns endgültig offenbar: Eine neue Sprache soll entstehen, um neue Herrschaftsverhältnisse zu etablieren. Wer die Sprache kontrolliert, kann das Denken steuern.




2. In der Berliner Zeitung schildert Birgit Walter die Reaktionen, die sie auf einen Artikel bekam, der die Gendersprache kritisierte:

Leser berichten von Professoren, die die Annahme ungegenderter Arbeiten ablehnen. Meine Freundin wird von ihrer Chefin zu einem maßregelnden Arbeitsgespräch einbestellt, weil sie den genderkritischen Text der Berliner Zeitung in den sozialen Medien weiterverbreitet hat. Sie arbeitet in der Zentrale einer Berliner Bank, die eigens eine Mitarbeiterin für "gendersensible" Fragen beschäftigt.

Dabei ist es klar übergriffig von Ämtern und Institutionen, der Bevölkerungsmehrheit "unsensibles" oder "ungerechtes" Deutsch zu unterstellen und dann penetrante Erziehungsmaßnahmen zu verfügen. Alles ohne Argumente, abgesehen vom Gefühl fehlender weiblicher Sichtbarkeit in einer vermeintlich männlichen Sprache.

In einer Flut zustimmender Briefe sehen es Leser genauso – pardon, nicht alle wurden beantwortet. Gerade Frauen aus dem Osten betonen, dass sie einst als Ingenieur oder Ökonom eingestellt wurden und sich unter Männern durchgesetzt haben – in gleichwertiger Arbeit. Sie finden es erniedrigend, sich in sprachlichen Anhängseln wie Ingenieur:innen wiederzufinden. Und kränkend, dass Männer pauschal "in eine Verbrechertüte" gesteckt werden – hilfreiche Kollegen oder geliebte Männer, die ihnen in der Familie mit Kindern berufliche Weiterbildung erst ermöglicht haben. Statt ominöser sprachlicher "Sichtbarkeit" verlangen sie gleichwertige Wahrnehmung. So wie Britinnen, für die die Berufsbezeichnungen waitress, actress oder ministress diskriminierend klingen. Sie verstehen sich geschlechterneutral als waitor, actor oder minister.

Alles keine Überlegung wert für Deutschlands Sonderweg selbst in der Gendersprache? Der befördert vor allem eins – die weitere gesellschaftliche Spaltung, die Stärkung rechter Ränder, alles bedrohlich. Noch wurde kein Stoppschalter umgelegt, damit wir zurückfinden zu den wesentlichen Fragen des Lebens. Solange sich derart viele Leser so massiv und emotional hochfahrend von der Gendersprache ausgegrenzt fühlen, sollte ihnen kein Redakteur "Beruhigung", kein Amt "Sensibilität" verordnen. Denn nicht die Kritiker haben die Stottersprache erfunden, sie wehren sich nur gegen die Zumutungen von Verwaltungen und öffentlich-rechtlichen Sendern.




3. Nach den Vorwürfen gegen die Band Rammstein (Genderama berichtete) fordert Frauenministerin Lisa Paus Schutzmaßnahmen bei Konzerten:

Sie schlug Schutzbereiche für Frauen sowie den Einsatz sogenannter Awareness-Teams vor, die beim Verdacht auf sexuelle Übergriffe zur Verfügung stehen. (…) Außerdem drängt Paus auf die Abschaffung des "Row-Zero"-Systems. Darunter versteht man die Praxis, dass bei Konzerten bestimmte junge Frauen ausgewählt werden, um ganz vorne direkt vor der Bühne zu stehen.

Die "Nullte Reihe" direkt vor der Bühne war in Verruf geraten, weil sie eine Rolle in einem mutmaßlichen System spielt, mit dem der Band junge Frauen zugeführt worden sein sollen. Berichten von Frauen zufolge wurden in der "Row Zero" diejenigen ausgewählt, die zu Aftershowpartys geleitet worden seien. Zuvor hatten bereits die Münchner Grünen vor den anstehenden Rammstein-Konzerten in der Stadt ein Verbot der "Row Zero" gefordert.


Die Vorwürfe gegen Rammstein sind heute auch Thema bei Christian Schmidt, der sie "noch etwas dubios und schwer einzuorden" findet. In der Tat: Einerseits gibt es inzwischen mehrere Berichte, die Besucherinnen der Band hinter der Bühne als seltsam weggetreten schildern. Andererseits: Hat eine so beliebte Band wie Rammstein nicht auch ohne KO-Tropfen Zugriff auf sexuell willige Groupies? Machen ihre Mitglieder sich tatsächlich strafbar und riskieren sie das Ende ihrer hochprofitablen Band, nur um mit Frauen Sex zu haben, die passgenau den eigenen Vorlieben entsprechen? Ist es realistisch, dass sämtliche Bandmitglieder lieber Sex mit einer Frau haben möchten, die komplett weggetreten ist, als mit einem willigen Groupie?



4. Die Rheinische Post erinnert die Medien an die Unschuldsvermutung auch im Fall von Rammstein:

Denn der Schaden ist groß, wenn dem vermeintlichen Täter die Schuld nicht bewiesen werden kann. Die Fälle des "Bild"-Chefredakteurs Kai Diekmann oder des Wetter-Moderators Jörg Kachelmann lassen grüßen. Hier konnte in beiden Fällen gerichtlich keine Schuld festgestellt werden. Trotzdem blieb bei beiden eine Menge hängen – nicht zuletzt durch die Behandlung der Fälle in der Öffentlichkeit. Die Indizien müssen also schon sehr eindeutig sein, bevor ein Medium in dieser Weise berichten kann.




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