Frauen, die mit einem Jungen schwanger sind, suchen Trost durch Psychotherapie
1.
Ein Mittwochnachmittag auf einem Wilmersdorfer Spielplatz. Zwei Mütter schauen ihren etwa vierjährigen Töchtern beim Fangenspielen zu. Eine von ihnen ist deutlich schwanger. "Morgen ist Ultraschall", sagt sie mit Blick auf ihren Bauch und fügt hinzu: "Hoffentlich ist kein Schniedel dran". Die andere Mutter nickt verständnisvoll.
Mit diesem Absatz beginnt ein Artikel des Berliner Tagesspiegel (Bezahlschranke). Dessen Verfasserin, Anna Pannen, weiß zu berichten, dass sich bereits in ihrem eigenen Bekanntenkreis nur zwei schwangere Frauen einen Jungen, aber mindestens zwanzig ein Mädchen erhofften. Bei Frauen, die sich mit einem oder mehreren Jungen abfinden müssen, ist vom sogenannten "Gender Disappointment" die Rede. "Als der Arzt es uns sagte, war ich so traurig", berichtet eine Mutter. "Am liebsten hätte ich geweint." Diese Reaktion ist kein Einzelfall:
In deutschsprachigen Onlineblogs und Elternforen finden sich unter dem Stichwort Geschlechterwunsch unzählige Beiträge von Schwangeren, die sich dringend ein Mädchen wünschen oder ihre Trauer darüber schildern, dass der Nachwuchs ein Sohn wird. Dubiose Ratschläge liest man dort, wie sich angeblich schon bei der Zeugung die Wahrscheinlichkeit erhöhen lässt, dass ein Spermium mit X-Chromosom das Rennen macht. Man findet Berichte von Frauen, die eine Psychotherapie beginnen, um den männlichen Fötus in ihrem Bauch nicht abzulehnen.
Die Gründe für diese Tendenz sollten eigentlich für jeden auf der Hand liegen, der beobachtet hat, wie im letzten halben Jahrhundert mit Frauen und Mädchen beziehungsweise Männern und Jungen umgegangen wurde, welches Geschlecht positiv, und welches negativ gezeichnet wird. Selbst der feministische Tagesspiegel kommt nicht mehr darum, das zu wiederholen, worauf die speziell bei diesem Blatt verhassten Männerrechtler seit Jahrzehnten hinweisen:
Jungen gelten in Deutschland seit einigen Jahrzehnten zunehmend als das "schwierige Geschlecht". Mädchen machen die besseren Schulabschlüsse und studieren häufiger, während Jungen öfter die Schule abbrechen oder mit Verhaltensstörungen wie ADHS diagnostiziert werden. Sie sind auch unbeliebter beim Lehrpersonal und bekommen bei gleicher Kompetenz schlechtere Noten als ihre Mitschülerinnen, auch das ist durch Studien belegt. Die Soziologin Heike Diefenbach hat dieses Phänomen 2010 in einem Aufsatz mit dem Titel "Jungen – die neuen Bildungsverlierer" behandelt.
Leider flüchtet sich der Tagesspiegel in den folgenden Absätzen wieder in den Mythos, dass Männer "trotz Emanzipation und Antidiskriminierungsgesetzen noch immer bessere Karrierechancen und höhere Einkommen" hätten. Dass dies die Folge von persönlichen Lebensentscheidungen der Frauen ist, wird von Anna Pannen nicht gesehen, weshalb sie zu dem Fehlschluss gelangt: "Wer seinem Kind Erfolg und ein leichtes Leben wünscht, müsste also eigentlich einen Jungen wollen." Offenbar wissen etliche Mütter es insgeheim besser.
2.
Das Argument hört man alle naselang: Frauen seien in Deutschland doch längst gleichberechtigt – trotz des statistischen Nachweises der ewigen Gehaltslücke von sieben bis 20 Prozent. Wer weniger verdiene als ein Mann, der habe wohl schlecht verhandelt - oder sei bestimmt in Teilzeit oder arbeite halt einfach weniger oder sei schlechter qualifiziert. Diesem Geschwätz hat das Bundesarbeitsgericht nun endlich einen Riegel vorgeschoben.
In diesem triumphierenden Stil berichtete vor ein paar Wochen die Berliner Zeitung unter der Überschrift "Gender-Pay-Gap: Besseres Verhandlungsgeschick gilt nicht mehr, liebe Männer!" Auch in vielen anderen Artikeln wurde das Urteil mit keiner Silbe hinterfragt. Jetzt übernimmt das der Wirtschaftswissenschaftler Professor Matthias Sutter, Direktor am Max-Planck-Institut, in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine. Ein Auszug:
Schon aus rein juristischer Sicht ist unklar, ob das Urteil sinnvoll und rechtmäßig ist. Clemens Höpfner, Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht an der Universität zu Köln, wurde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Aussage zitiert, dass es nicht nachvollziehbar wäre und auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs widersprechen würde, wenn künftig individueller Verhandlungserfolg nicht mehr für die Gehaltsfindung zählen würde. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der aktuelle deutsche Fall mit dieser Begründung auf der Ebene europäischer Gerichte landet.
Aus dem Blickwinkel der Ausgestaltung eines Wirtschaftssystems untergräbt das deutsche Urteil auch die Vertragsfreiheit von Verhandlungspartnern, indem es Dinge normieren möchte, über die die Verhandlungsparteien in außertariflichen Belangen selbst entscheiden können – und auch dürfen sollten, um dem Namen einer marktwirtschaftlichen Ordnung noch gerecht zu werden. Man fragt sich, was als Nächstes kommen könnte, wenn man das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Ende denkt. Ist es nicht Altersdiskriminierung (gegen Junge), wenn junge Menschen weniger als ältere Menschen verdienen? Also gleiche Löhne über alle Altersstufen hinweg? Stellt es keine Diskriminierung dar, wenn ein Monteur bei BMW weniger als bei Mercedes verdient? Also gleiche Löhne auch über alle Unternehmen hinweg trotz Vertragsfreiheit? Führt das Urteil am Ende nicht dazu, dass alle Menschen, unabhängig von Alter, Beruf und Qualifikation, gleich viel – oder in der Realität vielmehr: gleich wenig – verdienen müssen?
Vielleicht sollte man über solche Fragen ein wenig nachdenken, bevor man sich seinem feministischen Triumph hingibt. Die Vertragsfreiheit ist kein patriarchales Unterdrückungsinstrument, um damit Frauen zu ärgern.
3. Am 8. März ist Frauenkampftag, was für Politik und Medien jeweils eine feministische Woche bedeutet. So befindet aktuell Bundeskanzler Olaf Scholz, dass Deutschland bei Gleichberechtigung noch Nachholbedarf habe, und kündigt mehr Anstrengungen zur Gleichstellung von Frauen an. Frauen sollten "strukturell gleich viel wie Männer verdienen". Deutschland stehe international "klar an der Seite derjenigen, die für Menschen- und Frauenrechte einstehen".
4. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez kündigte am Samstag ein Gesetz zur Gleichstellung der Geschlechter an, das eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in Politik, Wirtschaft und anderen Bereichen des öffentlichen Lebens vorschreibt. Es wird Maßnahmen zur Geschlechterparität auf Wahllisten, in den Aufsichtsräten großer Unternehmen und in den Vorständen von Berufsverbänden anwenden. Sanchez kündigte dies auf einer Kundgebung der Sozialistischen Partei im Vorfeld des Internationalen Frauentags am 8. März an. Das Gesetz soll auf der Kabinettssitzung am Dienstag verabschiedet werden, bevor es im Parlament zur Debatte gestellt wird.
5. Johannes Kaufmann beschäftigt sich auf den Seiten des Blogs Salonkolumnisten damit, wie das ZDF die Verfilmung von Frank Schätzings Weltbestseller "Der Schwarm" so grandios vergeigte. Ein Auszug:
Das liegt nicht allein an der brachialen politischen Korrektheit, die wirkt, als habe man eine von Diversitätsaktivisten vorgelegte Checkliste abgearbeitet. Da gibt es einen schwulen muslimischen Meeresforscher. Aus dem grauhaarigen weißen Norweger Sigur Johanson, der eine Affäre mit einer deutlich jüngeren Frau hat (pfui!) und ein bisschen an den nicht ganz uneitlen Autor erinnert, wird ein schwarzer Mann im besten Alter. Aus dem real existierenden Meeresgeologen Gerhard Bohrmann wird die fiktive Katharina Lehmann. Auch der französische Molekularbiologe bekommt das Y-Chromosom entfernt. Und die schon im Buch weibliche Samantha Crowe, eine Verbeugung Schätzings vor der realen Astronomin Jill Tarter, wird schwarz – und lesbisch. Offenbar reicht es nicht, jahrelang das SETI-Institut zur Suche nach außerirdischem Leben zu leiten, zu einer der 50 bedeutendsten Frauen in der Wissenschaft gewählt zu werden und als Inspiration für eine ganze Generation von Astrophysikerinnen zu gelten, um sich einen Platz in einer Literaturverfilmung zu verdienen. Nicht erarbeitete Identitätsmerkmale sind wichtiger. Das war in diesem Zeitalter der moralischen Erweckung zu erwarten.
(…) Das passiert, wenn hinter der Förderung einer kreativen Unternehmung nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Motive stehen. Dann ist es eben wichtiger, den Proporz der Geldgeber auch bei den Darstellern zu erfüllen, als den Unterhaltungswert des Produkts zu steigern. Ähnlich ist es bei der staatlichen Filmförderung, wo darüber diskutiert wird, ob mit dem Geld nicht gleich auch eine Genderquote oder ein Verbot von Szenen, in denen geraucht wird, verbunden sein sollte.
6. Die britische Feministin Charlotte Proudman hat sich zu Harry Potter positioniert:
"Ich habe Harry Potter nie gemocht. Ich habe nicht einmal das erste Buch zu Ende gelesen. Potter ist ein englisches Schuljungen-Genie, das in einem überwiegend männlichen, weißen Märchenland lebt, das aussieht wie Oxbridge (für die Elite). Er ist ein kleiner Patriarch, der auf Magie und Gewalt zurückgreift, um zu herrschen."
Die Reaktionen auf diese Wortmeldung fielen überwiegend kritisch aus.
7. Einer neuen Studie zufolge lassen sich ältere Frauen genauso für einen Seitensprung gewinnen wie junge:
Eine der interessantesten Entdeckungen dieser Forschung ist, dass 90 % der befragten Frauen (jeden Alters) keine Schuldgefühle oder Reue über ihre Handlungen empfanden. Die Frauen berichteten, dass sie ihre Affären aktiv und mit einem Gefühl des Anspruchs darauf verfolgt haben.
Trotzdem gibt es noch keine Hits mit lustigen Refrains wie "Frauen sind Schweine … traue ihnen nicht, mein Kind …"
8. In der aktuellen Sendung der Reihe "Talk im Hangar 7" geht es um das Thema "Tyrannei der Selbstgerechten: Nur noch eine Meinung erlaubt?" Diskussionsteilnehmer sind unter anderem Sandra Koster, Birgit Kelle und der Psychiater Raphael Bonelli, der unlängst den Begriff des "moralischen Narzissmus" prägte. (Gemeint ist die Auffassung, dass die eigene Meinung die einzig Gute ist, der Gesprächspartner eine "böse Meinung" hat und deshalb sozial vernichtet werden muss.) Die Meldestelle Antifeminismus ist natürlich auch Thema.
Servus TV wird von deutscher Seite immer wieder angegriffen, weil die eingeladenen Gäste sich durch eine echte Meinungsvielfalt auszeichnen und nicht nur durch leicht voneinander abweichende Meinungen innerhalb eines vorgegebenen engen Korridors.
Zu Beginn des aktuellen Talks ist auch der Rufmord durch die Wikipedia Thema, durch den Menschen, die selbst durch ihre Anonymität geschützt sind, andere bis hin zum Selbstmord vor sich her treiben.
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