Donnerstag, Dezember 08, 2022

Zwischenergebnis einer laufenden Studie: Fast jeder fünfte deutsche Mann hat Gewalt durch den Partner erlebt

1. In Wiesbaden hat am Dienstag die erste Fachtagung zum "Männergewaltschutz" stattgefunden, auch um über Hilfen zu sprechen. Diese Veranstaltung nimmt meine Lokalzeitung, der Wiesbadener Kurier für zwei Artikel zum Thema. Beide stammen vom selben Autor: Felix Gömöry.

Der eine Artikel ist betitelt mit Verprügelt und angezweifelt: Was männliche Opfer erleben (Bezahlschranke). Der Artikel berichtet auch über die Studie "Gewalt gegen Männer in Partnerschaften – von der Scham zur Hilfe" des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Die Studie soll noch bis Juni 2023 gehen, aber als erstes Zwischenergebnis liege nach der Auswertung der Antworten von 813 Teilnehmern vor, dass 19 Prozent der in ganz Deutschland repräsentativ ausgewählten Männer Gewalt durch den Partner erlebt haben: knapp jeder Fünfte also. Diese Rate ist erschütternd – vor allem, wenn man beobachtet, wie beispielsweise unsere Familienministerin nicht müde wird, häusliche Gewalt als "Gewalt gegen Frauen" darzustellen.

Jetzt stellt sich die interessante Frage, wie die Leitmedien reagieren, wenn sich herausstellt, dass die verhassten und ausgegrenzten Männerrechtler mal wieder die ganze Zeit über Recht hatten. Das verrät der andere Artikel Felix Gömörys auf derselben Seite, wo Boris van Heesen angeführt wird, dem es ein Anliegen ist, unter anderem mithilfe seines Buches "Was Männer kosten" endlich das "Patriarchat" zu überwinden. In dem Artikel des Wiesbadener Kurier heißt es zu Boris von Heesen weiter:

Er möchte sich von frauenfeindlichen Männerrechtsgruppen distanzieren, die behaupten, dass alle Männer Opfer seien und die Frauen die Täterinnen. Stattdessen betont er, dass acht von zehn Opfern häuslicher Gewalt weiblich sind.


So macht man das also: Man phantasiert Positionen von Männerrechtsgruppen, die es nicht gibt und von denen man sich deswegen genauso leicht "distanzieren" kann wie von Einhörnern und Außerirdischen, um dann exakt den Fehler zu wiederholen, auf den Männerrechtler tatsächlich immer wieder hingewiesen haben, nämlich dass von Heesen so tut, als sei von den kriminalpolizeilich erfassten Zahlen (sogenanntes Hellfeld) auch das gesamte Dunkelfeld erfasst.

Vor allem aber irritiert es, was es bedeutet, wenn man die Aussagen in den beiden Artikeln miteinander verknüpft. Ich gehe das mal Punkt für Punkt durch:

- Dem Zwischenergebnis der Studie des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zufolge haben 19 Prozent der deutschen Männer Gewalt durch ihren Partner erlebt.

- Boris von Heesen zufolge werden viermal so viele Frauen wie Männer Opfer häuslicher Gewalt.

- Das führt uns unweigerlich zu der Folgerung: 76 Prozent aller Frauen in Deutschland sind Opfer häuslicher Gewalt.

Zu so einer irren Behauptung versteigen sich aber nicht einmal die radikalsten Feministinnen. Der Murks ist entstanden, weil der Wiesbadener Kurier darauf verzichtet hat, seinen Lesern den Unterschied zwischen Hellfeld und Dunkelfeld zu erklären und beides in der Berichterstattung sauber auseinanderzuhalten. Es scheint auch keiner in der Redaktion groß darüber nachgedacht zu haben, was es bedeutet, wenn man an einer Stelle auf die 19 Prozent als Männer als Studien-Zwischenergebnis verweist und gleichzeitig an der Botschaft festhalten möchte, dass Frauen mehrere Male so oft Opfer häuslicher Gewalt werden wie Männer. Gömöry hat nicht gemerkt, wie sehr sich das in unseren Medien zwanghaft heruntergebetete Dogma "Frauen viel öfter betroffen" mit dem aktuellen Stand der Forschung beißt.



2. Der Bundesvorstand des Väteraufbruchs für Kinder lädt die "taz" von einer Mahnwache aus, weil "die taz schon seit Jahren immer wieder voreingenommen und abseits journalistischer Grundsätze über solche Themen berichtet hat." Davon zeigt sich ein Mitarbeiter der "taz" wenig begeistert und schlägt mit Formulierungen wie "verbohrte Mütterfeinde und Familienrichterinnenhasser" um sich. Immerhin wird so jedem Leser schnell klar, wie die Wahrnehmung des Väteraufbruchs entstanden ist. Die Vorstellung, eine Organisation müsste Mitarbeiter eines Blattes, die diese Gruppe unentwegt nur niedermacht, zu sämtlichen anstehenden Aktionen auch noch einladen, ist wohl eine ganz besondere Ausprägung von journalistischem Narzissmus.



3. Die Neue Zürcher Zeitung berichtet von dem Film "She Said" über das Aufdecken der sexuellen Übergriffe des Filmproduzenten Harvey Weinsteins und den Beginn der MeToo-Bewegung. Mir hat der Film gefallen. Sicher kann man ihm Vorwürfe machen, etwa eine allzu schablonenhafte Schwarz-Weiß-Zeichnung zwischen Gut und Böse: hier die couragierten, sich heldenhaft aufopfernden Reporterinnen der New York Times, dort das von Weinstein errichtete System des Missbrauchs und der Einschüchterung. Die Schattenseiten von MeToo bleiben ungenannt – anders übrigens als in der Buchvorlage, wo sie sie wenigstens kurz angerissen werden. Allerdings sind in diesem Film keineswegs sämtliche Männer Schurken, wie die Eßlinger Zeitung anerkennend herausstreicht. Und Weinstein handelte, nach allem, was wir wissen, oft tatsächlich frei von jeglichen moralischen Bedenken. Eine im Film zu hörende Dialogpassage etwa, in der Weinstein eine Schauspielerin bedrängt, mit ihm Sex zu haben, obwohl sie wieder und wieder und wieder Nein dazu sagt, ist einfach nur gruselig. Ich fand den Film herausragend spannend und sehenswert für alle, die sich für das Thema sexuelle Gewalt interessieren.



4. In Großbritannien fordert eine Mutter, deren Sohn Opfer eines Maskuzids durch seine Verlobte wurde, mehr Männerhäuser zu eröffnen, wo männliche Opfer häuslicher Gewalt eine Zuflucht finden können:

Jose Linnane, 67, schrie "wie ein Tier", als die Polizei ihr mitteilte, dass ihr Sohn Simon Gilchrist 2004 in seiner Wohnung in York ermordet worden war. Die missbräuchliche Verlobte des 23-Jährigen, Caroline Mawhood, stach ihm ins Herz, nachdem sie von einer durchzechten Nacht nach Hause kam. Frau Linnane versucht nun verzweifelt, weitere Todesfälle zu verhindern, indem sie die Eröffnung neuer Zufluchtsorte fordert.

Nach Angaben der Wohltätigkeitsorganisation ManKind gibt es in London keine einzige Zuflucht für männliche Opfer häuslicher Gewalt. Frau Linnane aus York sagte dem Mirror: "Es macht mich wütend, dass es in London keine einzige Zuflucht für Männer gibt. Ich glaube, für Frauen gibt es in jeder Stadt ein Frauenhaus. Das sollte auch für Männer so sein. Wenn wir nicht mehr Zufluchtsorte eröffnen, werden wir mehr Todesfälle haben. Ich wurde von Menschen kontaktiert, deren Söhne oder Brüder sich aufgrund von häuslicher Gewalt das Leben genommen haben. Wenn man den Mut findet, nach Hilfe zu suchen, und es gibt nicht viel, dann gibt man auf."

Mehr Männer als je zuvor sprechen über häusliche Gewalt, und bei einer britischen Beratungsstelle für männliche Opfer geht eine rekordverdächtige Zahl von Anrufen ein. Aber es gibt landesweit nur 269 Plätze für Männer in sicheren Unterkünften.

(...) ManKind, eine Wohltätigkeitsorganisation, die männliche Opfer häuslicher Gewalt unterstützt, unterstützte die Forderung von Frau Linnane nach mehr Zufluchtsorten und sicheren Unterkünften für Männer. Mark Brooks, Vorsitzender der Wohltätigkeitsorganisation, sagte dem Mirror: "Jedes Jahr sehen wir, dass sich mehr und mehr Männer bei Beratungsstellen und Diensten melden, aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt nicht genügend Ressourcen für männliche Opfer in den Städten und Gemeinden, in denen sie leben, und das muss sich ändern. Der Mangel an Zufluchtsorten und sicheren Unterkünften ist ein deutliches Beispiel dafür, aber wir wissen auch, dass dringend mehr Mittel für lokale Dienste für häusliche Gewalt benötigt werden. Dies würde es ermöglichen, mehr Mitarbeiter mit einer speziellen Aufgabe für die Unterstützung von Männern einzustellen, und das würde auch einen großen Unterschied machen."


Ja, die britische Presse zitiert Männerrechtler (und sogar ohne den Eindruck zu erwecken, dass es sich dabei um Abschaum handele). Auch beim Angebot der Plätze in sicheren Unterkünften dürfte Deutschland Großbritannien ganz erheblich hinterherhinken.



5. Die inews berichten über die Fruchtbarkeitskrise der Männer. Ein Auszug:

Wenn es um das Thema Fruchtbarkeit geht, sind Männer in der öffentlichen Diskussion weitgehend abwesend. Eine australische Studie aus dem Jahr 2021 über die Einstellung von Männern zur Fruchtbarkeit ergab, dass Männer genauso gerne Eltern werden möchten wie Frauen, aber die Fruchtbarkeit als "Frauensache" betrachten.

Dies ist medizinisch gesehen weit von der Wahrheit entfernt. "Unfruchtbarkeit betrifft eines von sieben Paaren - und bis zu 50 Prozent davon sind auf einen männlichen Faktor zurückzuführen", sagt Professor Suks Minhas, ein beratender Urologe am Imperial College London und Experte für männliche Fruchtbarkeit. Laut einer in diesem Monat veröffentlichten Studie von Professor Hagai Levine von der Hebräischen Universität Jerusalem ist die Zahl der Spermien weltweit seit 1973 um 62 Prozent gesunken.

Im Jahr 2016 wurden im Rahmen einer gemeinsam mit Nuffield Health durchgeführten Umfrage des Infertility Network UK mehr als 2.000 Männer aus dem ganzen Land befragt. Dabei stellte sich heraus, dass mehr als die Hälfte aller Männer (52 Prozent) angaben, nicht bereit zu sein, mit ihrer Partnerin über ihre Fruchtbarkeit zu sprechen, und 46 Prozent der Männer sagten, dass sie nicht bereit wären, mit ihrem Hausarzt darüber zu sprechen.

(...) Stigma und Scham haben lange Zeit das Thema beherrscht, zum Teil weil Männlichkeit traditionell mit der Vorstellung verbunden sind, eine Frau schwängern zu können.

Dr. Esmée Hanna, eine Forscherin für männliche Unfruchtbarkeit an der De Montfort University, befragte 41 Männer, wie sich Unfruchtbarkeit auf ihr Leben auswirkt. 93 Prozent gaben an, dass sie sich negativ auf ihr Wohlbefinden und ihr Selbstwertgefühl auswirkt.

Die Männer fühlten sich durchweg deprimiert, einsam, hatten Angst vor einer Zukunft ohne Kinder und waren sogar selbstmordgefährdet. Dennoch hatten sich fast 40 Prozent von ihnen nicht um Unterstützung bemüht.




6. In den USA geht die Beteiligung amerikanischer Männer am Erwerbs- und Arbeitsleben immer weiter zurück. Die New York Times berichtet darüber:

Einige Wissenschaftler haben eine düstere Erklärung für diesen Trend. Nicholas Eberstadt, der konservativ eingestellte Autor von "Men Without Work" (Männer ohne Arbeit), argumentiert, dass die Zahl der Männer zugenommen hat, die "untätig sind, von der Gesellschaft und vielleicht allzu oft auch von ihnen selbst abgeschrieben oder abgewertet werden". Andere, wie der Senior Fellow der Brookings Institution Richard V. Reeves, legen weniger Wert auf mögliche soziale Pathologien, sondern sagen, dass ein "männliches Unwohlsein" die Haushalte und die Wirtschaft behindert.


Der Ratschlag, den die New York Times diesen Männern gibt, lautet: "Fahrt doch zur See!"



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