Medienanwalt Ralf Höcker: "Aktivisten der Cancel Culture operieren oft mit einem totalen Vernichtungswillen" – News vom 17. August 2022
1. Die Neue Zürcher Zeitung hat den Rechtsanwalt Ralf Höcker zu jener Cancel Culture interviewt, von der auch wir Männerrechtler kontinuierlich betroffen sind. Ein Auszug aus dem Gespräch:
NZZ: Herr Höcker, Sie haben "Verteidigungsstrategien gegen die Cancelei" entwickelt, wie Sie es nennen. Wie verhält man sich richtig, wenn man zum Schweigen gebracht werden soll?
Ralf Höcker: Man darf auf keinen Fall in Panik geraten, sondern soll sitzen bleiben, die Angriffe aushalten und so lange warten, bis dem Gegner nichts Neues mehr einfällt. Irgendwann ist jede Geschichte zu Ende erzählt, wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben. Das Dümmste sind Schnellschüsse, wie sie die Veranstalter bei Ihnen in der Schweiz gemacht haben, die ein Konzert abgebrochen haben, bloss weil sich ein paar Leute an den Rastafrisuren der Bandmitglieder gestört haben.
(…) NZZ: Solche Vorfälle wie der Konzertabbruch erregen jeweils grosses mediales Aufsehen. Sogar Linke reagierten fassungslos. Die Band Lauwarm ist heute weltberühmt. Werden solche Fälle nicht durch die öffentliche Dynamik und Kritik wie von allein zurechtgerückt?
Ralf Höcker: Nein. Die Band wurde gecancelt, und es hätte auch sein können, dass sie sich nach den Vorwürfen der kulturellen Aneignung zurückgezogen und niemand davon erfahren hätte. Dafür gibt es genügend Beispiele. Im Berner Fall ist der Schuss tatsächlich nach hinten losgegangen. Viele Leute erkennen mittlerweile, dass solche Cancel-Forderungen komplett überzogen sind.
NZZ: Wird das Phänomen nicht aufgebauscht? Wie häufig hat Ihre Kanzlei mit Fällen von Cancel-Culture zu tun?
Ralf Höcker: Ich habe viele Mandanten – Politiker, Professoren, Unternehmer –, deren Meinung irgendjemandem nicht gefällt und die man deswegen vernichten will.
(…) NZZ: Was sind das für Leute?
Ralf Höcker: Ich brauche gern die Metapher mit dem Scheinriesen aus der Augsburger Puppenkiste: Je näher man kommt, desto kleiner wird der Riese. Und so ist es auch mit den Aktivisten. Aus ihnen kann man argumentativ schnell Zwerge machen. Sie machen einen Riesenlärm und bekleben Leute mit Etiketten, die auf -ismus enden. Sachargumente haben sie fast nie.
(…) NZZ: Sie vertreten auch Marie-Luise Vollbrecht, die Doktorandin, die an der Humboldt-Universität in Berlin darlegen wollte, warum es nur zwei biologische Geschlechter gibt. Aktivisten protestierten, der Vortrag wurde abgesagt. Was raten Sie Ihrer Mandantin?
Ralf Höcker: Frau Vollbrecht hat bereits vieles richtig gemacht. Sie hat erkannt, dass Aktivisten sie aus dem öffentlichen Diskurs hinausdrängen wollen. Ich habe immer wieder erlebt, dass diese Leute mit einem totalen Vernichtungswillen operieren. Frau Vollbrecht hat verstanden, dass es um ihren Ruf, ihre berufliche Existenz und ihre Stellung in der Gesellschaft geht und keineswegs nur darum, ob sie diesen Vortrag halten darf.
NZZ: Nun hat Frau Vollbrecht ein Crowdfunding gemacht, um Ihre Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen. Was haben Sie beide vor?
Ralf Höcker: Frau Vollbrecht ist eine kleine wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie promoviert an der grössten Uni Berlins, die nach Wilhelm und Alexander von Humboldt benannt ist. Diese Universität hat eine Pressemitteilung herausgegeben, in der sie sich von bestimmten Äusserungen von Frau Vollbrecht distanziert, weil diese angeblich gegen das Leitbild und die Werte der Uni verstossen. So reagiert nur ein ängstlicher Gegner. Wir müssen nun analysieren, wie es so weit kommen konnte.
NZZ: Ihre Antwort?
Ralf Höcker: Ganz einfach: aus Feigheit. Die Uni-Leitung hat Angst vor einer Handvoll kreischender Aktivisten, die auch ihr Transphobie vorwerfen könnten. Dabei können einem solche Vorwürfe nichts anhaben. An Universitäten und in Verbänden regiert jedoch die nackte Angst vor den Aktivisten. Man glaubt: Wenn wir uns nicht distanzieren von dieser Person, dann sind wir als Nächste dran.
2. Wir bleiben beim Thema. Gestern Morgen fragte mich einer meiner Leser, warum jemand wie Andrew Tate, der offenbar Vergewaltigung verharmlost und Frauen als Besitz betrachtet (ich kenne auch nur die mediale Berichterstattung über ihn), Millionen von Follwern anziehen kann, während Feministinnen Menschen wie mich bekämpfen. Im Lauf dest gestrigen Tages erklärte die Schweizer Zeitung "Blick" zumindest Letzteres unter der Schlagzeile "Das sind die Verbündeten von Frauenhasser Tate": In dem Artikel von Lea Ernst heißt es:
Internet-Star Andrew Tate (35) ist der berühmteste Vertreter einer frauenfeindlichen Szene in den sozialen Medien. Das sind die verschiedenen Gruppierungen, die unter dem Radar junge Männer radikalisieren.
Frauen gehören Männern, seien formbar und keine individuellen Wesen: Die frauenfeindlichen Videos von Influencer und Ex-Kickboxer Andrew Tate (35) haben in den vergangenen Tagen Instagram und Tiktok geflutet. In den sozialen Medien macht sich eine Szene breit, die immer radikaler wird. Doch aus welchen Gruppierungen setzt sich die sogenannte Manosphere zusammen? Und welches Gedankengut verbreitet sie?
Tate sei eine typische Figur der Manosphere, sagte Sozialpsychologe Rolf Pohl (71) im Interview mit "Blick". Die Szene bestehe aus verschiedenen Männergemeinschaften im Internet. Um mit den Unsicherheiten in einer sich verändernden Gesellschaft umzugehen, haben die Gruppen ein Feindbild geschaffen: Frauen. Die Online-Gemeinschaften versprechen unzähligen jungen Männern Zusammenhalt und Orientierung – und radikalisieren sie klammheimlich, sagt Pohl.
Vor diesem Huntergrund stellt Lea Ernst vier dieser Gruppen der Manosphere auf stigmatisierende und dämonisierende Weise vor: eine einzige Abfolge von Ad-personam-Attacken. Incels, etwa werden nicht einfach also Männer ohne sexuelle Erfahrung präsentiert, sondern ihnen zufolge dürften "Frauen eingesperrt oder getötet werden (…), wenn sie ihre Aufgabe als Objekt des Mannes nicht erfüllen." Ein Beleg für diese Behauptung fehlt ebenso wie für die Behauptung, zahlreiche (!) Femizide wurzelten in diesem Lager. Die Pick-up Artists sind in dem Artikel nicht einfach Männer, die Techniken zur Verführung lehren, wie es in Frauenzeitschriften seit Jahr und Tag Brauch ist, sondern behauptet: "Die Gruppe geht von der natürlichen Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau aus. Verführungskünstler vertreten die Meinung, dass jeder Mann jederzeit Recht auf Sex hat und das Objekt, also die Frau, deshalb durch Psychotricks zum Sex 'überreden' kann." Statt eines Belegs für diese Behauptung wird ein extremer Einzelfall vorgestellt, der angeblich " die Legalisierung von Vergewaltigung auf Privatgelände" forderte. Die Gruppe "Männer gehen ihren eigenen Weg" (MGTOW) tun auch nicht etwa einfach dasselbe, was Feministinnen mit Slogans wie "Eine Frau braucht einen Mann wie ein Fisch ein Fahrrad" seit Jahrzehnten tun, sondern glaubt an eine "von gefährlichen Frauen dominierte Gesellschaft". Männerrechtler schließlich engagieren sich dem Artikel zufolge auch nicht etwa gegen Benachteiligungen und soziale Problemlagen, die Männer treffen. Stattdessen heißt es in dem Beitrag:
Die Männerrechtsbewegung (MRA) ist eine Gruppe, die als Gegenreaktion zum Feminismus bezeichnet wird. Während die internationale Männerbewegung profeministisch eingestellt ist, vertritt die Männerrechtsbewegung antifeministische bis frauenfeindliche Einstellungen und setzt sich politisch dafür ein, Männer zu stärken. Ein Grossteil ihres Aktivismus besteht (…) jedoch aus der Belästigung von Feministinnen und anderen weiblichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Schauen wir mal, was eine vergleichende Studie über Feministinnen und Männerrechtlern, die von der Wirtschaftspsychologin Christine Bauer-Jelinek und dem Politikwissenschaftler Johannes Meiners vorgelegt wurde, tatsächlich ermittelte:
"Maskulistisch zu sein, bedeutet (...) wesensimmanent, sich antisexistisch zu orientieren und jede Form der Diskriminierung und Herabsetzung aus geschlechtlich-sexuellen Gründen zu bekämpfen. (...) Die Einstellung des Maskulismus zum Feminismus bedarf somit einer differenzierten Betrachtung: MaskulistInnen ziehen wesentliche Erfolge der Frauenbewegungen – wie das Wahlrecht, das Recht auf Bildung und Erwerbstätigkeit oder die Gleichberechtigung in der Familie – keineswegs in Zweifel, auch weil diese Errungenschaften ihren eigenen Grundwerten entsprechen. Für MaskulistInnen ist es zweitrangig, durch welche Geisteshaltungen Diskriminierungen von Männern entstehen oder ausgeübt werden. Das Ziel ist vielmehr deren Beseitigung.
(…) Der Maskulismus hat hohe gesellschaftspolitische Ansprüche und ist KEINESWEGS mit dem Begriff Frauenfeindlichkeit zu synonymisieren. Feindschaft gegenüber dem anderen Geschlecht spielt bewegungsintern für die Arbeit der überwältigenden Mehrheit maskulistischer Aktivisten keine Rolle.
(…) Im Wesentlichen gilt das weltanschauungsübergreifende Interesse der Männerbewegten dem Einsatz für eine neue Perspektive auf das Geschlechterverhältnis, welche Männer ebenfalls mit Empathie bedenkt und ihre geschlechtsspezifischen Bedürfnisse in die Überlegungen einschließt. Aus Sicht der meisten Aktivisten bedarf es hierfür einer wesentlich stärkeren Fokussierung auf die Bedürfnisse deklassierter Menschen einer Gesellschaft (Obdachlose, Strafgefangene, Langzeitarbeitslose, Suchtkranke, Vereinsamte), die (...) in der Mehrzahl Männer sind."
Seriöser wäre es gewesen, wenn der "Blick" diese Studie zitiert hätte. Das verkauft aber offenbar weniger Zeitungen als ein Artikel mit der knalligen Überschrift "Das sind die Verbündeten von Frauenhasser Tate."
3. "Die Zeit" hat etwas herausgefunden, worüber die gemeinen Männerrechtler seit langem berichten: Wenn Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer, hat das mit anderen Gründen als Diskriminierung zu tun:
Jetzt könnte eine noch unveröffentlichte Studie, die der ZEIT vorliegt, zu neuen Diskussionen führen. Danach trägt zu der Lohnkluft etwas bei, das bisher übersehen wurde: Frauen bewerben sich deutlich seltener als Männer auf gut bezahlte Stellen.
Die Arbeitsmarktforscher Christian Merkl und Benjamin Lochner von der Universität Erlangen-Nürnberg haben umfangreiche Daten ausgewertet und festgestellt, dass sich bei jenen zehn Prozent der Firmen, die die höchsten Löhne zahlen, besonders selten Frauen um einen Job bemühen. Bei diesen Hochlohnfirmen sind 65 Prozent aller Bewerber männlich und nur 35 Prozent weiblich. Umgekehrt ist es bei Firmen mit niedrigen Gehältern, dort melden sich überwiegend Frauen auf Stellenangebote. (…) Je besser ein Job bezahlt ist, desto weniger Frauen versuchen, ihn zu bekommen. Das überrascht
Mumpitz. Das überrascht niemanden, der sich bei diesem Thema mit Argumenten außerhalb der feministischen Blase sondern etwa von Wirtschaftswissenschaftlern beschäftigt hat.
Denn zu vielen besser entlohnten Jobs gehören unregelmäßige Arbeitszeiten, Überstunden, häufige Dienstreisen oder Nachtschichten. Und das schreckt offensichtlich vor allem Frauen ab.
Stimmt. Das habe ich vor 21 Jahren in meinem Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" erklärt, tue das aktuell in meinem "Lexikon der feministischen Irrtümer", und Warren Farrell behandelt das ausführlich in seinem 2005 erschienen Buch "Why Men Earn More". Jahrzehnte altes Basiswissen also. Aber weil man es bei der "Zeit" erst jetzt entdeckt, ist man dort "überrascht".
Das ist nicht nur eine Vermutung der Wissenschaftler. Sie stützen sich unter anderem auf eine Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, bei der jedes Jahr bis zu 14.000 Betriebe gefragt werden, ob mit einem Job besonders viele Überstunden, unregelmäßige Arbeitszeiten oder wechselnde Arbeitsorte verbunden sind. Und die Daten belegen auch, dass solche Stellen in aller Regel besser entlohnt werden.
Dabei geht es wohlgemerkt nicht um verschiedene Berufe, wie der Arbeitsmarktforscher Merkl betont. "Stellen Sie sich zwei Vertriebsmitarbeiter vor: Der eine ist in seiner Firma für die Kunden in einem bestimmten Landkreis zuständig, der andere kümmert sich um internationale Kunden und muss ständig auf lange Dienstreisen – der Zweite bekommt in der Regel mehr Geld für seine Arbeit", sagt er. Weil Frauen die zweite Art von Stellen eher meiden würden, liege ihr Gehalt im Durchschnitt niedriger.
Wie bedeutsam dieser Effekt ist, zeigt sich, wenn man die sogenannte bereinigte Lohnlücke betrachtet. Sie soll zeigen, inwiefern Männer und Frauen trotz gleicher Arbeit ungleich bezahlt werden. Dafür werden üblicherweise nur Menschen mit gleicher Qualifikation, gleichem Beruf und gleicher Branche verglichen. Das Ergebnis ist ein kleinerer Gehaltsunterschied, der oft als Hinweis auf eine Diskriminierung von Frauen gesehen wird. "Wenn wir nun auch noch darauf achten, wie sich Frauen bewerben, was maßgeblich mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat, halbiert sich die bereinigte Lohnlücke in unserer Untersuchung", sagt Merkl. Er vermutet, dass auch das Statistische Bundesamt zu anderen Zahlen käme, wenn es diesen Effekt mit seinen Daten auswerten könnte. Dem Amt zufolge lag die unbereinigte Lohnlücke in Deutschland zuletzt bei 18 Prozent und bereinigt bei 6 Prozent.
Studien aus anderen Ländern kommen zu ähnlichen Ergebnissen. So ergab eine Untersuchung in Frankreich, dass Frauen dort deutlich seltener als Männer bereit sind, weite Wege zu ihrem Arbeitsplatz zu pendeln. Allein das erkläre 14 Prozent der bereinigten Lohnlücke.
Ja. Ich habe exakt dasselbe hier ausführlich dargelegt.
Allerdings haben sich die Forscher ihr Zitiertwerden offenbar durch eine politisch korrekte Perspektive verdient. So behaupten sie (belegfrei), dass es "eine Diskriminierung von Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts (…) sicher gibt", sie spiele allerdings "offenbar eher eine untergeordnete Rolle". Bezeichnenderweise entzieht sich diese Diskriminierung der wissenschaftlichen Nachweisbarkeit:
"In unserer Untersuchung sehen wir dafür keine Anzeichen", sagt Merkl.
Aber wenn diese Diskriminierung seit Jahrzehnten landauf, kandab von Feministinnen behauptet wird, dann muss es sie wohl "sicher geben". So sprechen nicht Wissenschaftler, sondern Gläubige. Männerrechtler hingegen setzten statt auf Dogmen auf Wissenschaft. Und genau deshalb hasst man sie in manchen Kreisen bis aufs Blut.
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