Samstag, März 05, 2022

Maskulismus in der "Zeit": "Auch Männer haben ein Recht auf Weglaufen" – News vom 5. März 2022

1.
Der ukrainische Staat zwingt seine Männer zum Ausharren und Kämpfen. Die Empörung darüber bleibt aus. Ist nur ein kämpfender Mann ein guter Mann? Wie unmenschlich.


Mit diesen Worten beginnt ein passagenweise maskulistischer Kommentar von Juliane Frisse in der "Zeit". Darin heißt es weiter:

Der ukrainische Grenzschutz hat am Mittwoch mitgeteilt, mehr als 60 ukrainische Männer an der Grenze zur Republik Moldau festgenommen zu haben: Die Männer im wehrfähigen Alter hätten versucht, über den Fluss Dnister das Land zu verlassen und seien sofort an das Wehrkreisersatzamt übergeben worden. Schon am Dienstag seien 16 Männer festgenommen und der Armee überstellt worden.

(…) Es ist Krieg und Menschen werden daran gehindert, vor ihm zu fliehen. Dabei gibt es keine gute Begründung, warum man speziell Männer dazu zwingt, sich der Gefahr der russischen Invasion auszusetzen, und hofft, dass sie ihr Land verteidigen: Klar, Männer sind im Schnitt körperlich stärker als Frauen, aber dieser Unterschied ist beim Wrestling oder beim Tragen von Umzugskartons relevant. Während eines Bombenangriffs oder wenn ein Panzer heranrollt, ist er komplett bedeutungslos.


Die ausbleibende Empörung über diese geschlechtsbezogene Unmenschlichkeit verortet Frisse leider nicht auch bei der herrschenden feministischen Ideologie, die so wie in diesem Artikel in eine Opferkonkurrenz mit Männern tritt und selbst offenkundige Benachteiligungen von Männern stur leugnet, sondern allein im veralteten männlichen Ideal:

Männer müssen ausharren. Männer dürfen vor einem Krieg nicht davonlaufen, sondern müssen zur Waffe greifen und zur Not auch draufgehen.

So bemängelte der frühere deutsche Nato-General Hans-Lothar Domröse am Montag im sicheren Hart aber fair-Fernsehstudio an den Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland kamen, dass damals viele junge Männer dabei gewesen seien: "Wehrfähige, starke Männer, wenn Sie so wollen, die eigentlich ihr Land verteidigen sollten", kritisierte Domröse. In der Ukraine 2022 dagegen scheint für ihn, wenn nicht die Welt, dann doch zumindest das Geschlechterverhältnis noch in Ordnung zu sein: "Die Ukrainer bleiben zu Hause, um ihr Land zu verteidigen, so gut sie können", lobte er. "Die Frauen, Mütter und Kinder gehen."

Es sind gruselige Männer- und Frauenbilder, die sich in einer solchen Aussage fortschreiben: Nur ein kämpfender Mann ist demnach ein guter Mann. (…) Doch wie eng Männlichkeit bis heute mit der Bereitschaft zum Kämpfen verknüpft ist, zeigt sich auch dort, wo gerade Frieden herrscht: In den Staaten, in denen es eine Wehrpflicht gibt, gilt sie häufig nur für Männer, etwa in der Schweiz, in Finnland und Griechenland.

(…) Die Vorstellung des wehrhaften Mannes, der als Soldat sein Land verteidigt, kommt aus einer völkischen Ecke. Das wird deutlich, wenn man sich zum Beispiel eine Rede des rechtsextremen AfD-Politikers Björn Höcke aus dem Jahr 2015 ansieht. Er forderte dazu auf, "unsere Männlichkeit" wiederzuentdecken: "Denn nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft, und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!"


Spätestens jetzt muss ein Artikel, der in der "Zeit" veröffentlicht wird, leider die bekannten und längst widerlegten Falschbehauptungen der hierzulande herrschenden Ideologie einzustreuen:

Die Brutalität des Patriarchats spüren die meisten heterosexuellen, weißen cis Männer im Alltag kaum. Im Gegenteil, sie profitieren davon. Sie bekommen mehr Geld für die gleiche Arbeit. Sie werden nicht für ihre Sexualität oder ihr Geschlecht verfolgt oder ermordet.


Im Ernst? Lesbische Frauen werden für ihre Sexualität verfolgt und ermordet, aber schwule Männer nicht? Andersrum wird eher ein Schuh draus. Und natürlich bekommen Männer auch nicht mehr Geld für die gleiche Arbeit, selbst wenn man diese Behauptung gebetsmühlenhaft wiederholt.

In seinem Fazit indes fängt sich der Artikel und greift seine maskulistische Linie wieder auf:

Es ist auch für Männer ein legitimer Wunsch, nicht als Kanonenfutter zu enden oder in einem Häuserkampf sterben zu wollen. Wie grausam ist es, Menschen aufgrund ihres Geschlechts zu untersagen, sich vor Krieg in Sicherheit zu bringen?




2. Den Beitrag der "Zeit"spiegelt ein Artikel von Birgit Schmid in der Neuen Zürcher Zeitung. Er fordert: "Frauen, in den Tarnanzug!"

Am 8. März ist der Internationale Frauentag, und statt die vielen Benachteiligungen zu beklagen, die Frauen immer noch erleiden, müsste es im Sinne einer Ermächtigung heissen: Es ist Zeit für die Frauen, Militärdienst zu leisten.

Ich war in dieser Frage lange unentschieden. Mitte der achtziger Jahre schrieb ich "Make Love not War" auf die Schulhefte, um so die Angst vor einem Atomkrieg zu bannen und den beiden kalten Kriegern Ronald Reagan und Michail Gorbatschow etwas entgegenzuhalten. Von diesem Idealismus ist gerade nicht mehr viel übrig.

Putins Überfall auf die Ukraine bewirkt einen Gesinnungswandel, nicht nur bei mir. Selbst Pazifisten klatschen nun den tapferen ukrainischen Soldaten und Soldatinnen zu. In der ukrainischen Armee dienen 15 Prozent Frauen. Als eines der ersten Opfer wurde in den sozialen Netzwerken dann auch eine Soldatin betrauert. Wehrhafte Bürgerinnen basteln Molotowcocktails oder nehmen selber ein Gewehr in die Hand. Sie erhalten die Bewunderung von den friedliebendsten Leuten. Denn die Kämpfenden haben ein sinnhaftes Ziel: die Verteidigung ihres Lebens und ihres Landes.


Das aktuelle Umdenken in Westeuropa, was Sicherheitspolitik betrifft, könne bedeuten, das hier bald auch Frauen eingezogen werden:

Schon länger wird eine allgemeine Wehrpflicht gefordert, so etwa von der Schweizerischen Offiziersgesellschaft, die sich wegen des Personalmangels bei den Streitkräften sorgt. Bisher konnten die Befürworter argumentieren, dass gleiche Rechte auch gleiche Pflichten bedeuten und es im Sinne der Gleichstellung an der Zeit ist, die Frauen mit einzubeziehen. Der Krieg in der Ukraine könnte ihnen Auftrieb geben.

Tatsächlich wird es schwieriger zu begründen, weshalb die Frauen nicht ins Militär gehen sollen. Zurzeit beträgt ihr Anteil in der Schweizer Armee 0,9 Prozent. Damit wird auf das Potenzial der Hälfte der Bevölkerung verzichtet. Die Frauen könnten sich ganz anders in die Armee einbringen. Sie würden die Kultur auf ihre Art prägen. Denn keine Angst: Gleichberechtigung heisst auch hier nicht Gleichmacherei.

Stattdessen liesse sich mit Geschlechterstereotypen aufräumen. Zum Beispiel, dass Sicherheit männlich ist und Frauen beschützt werden müssen. Die Befreiung von solch sexistischem Denken liegt paradoxerweise meistens jenen am Herzen, die von der Wehrpflicht für Frauen nichts wissen wollen. Als Gründe führen die Linken an, dass Frauen immer noch weniger verdienen oder unbezahlte Care-Arbeit leisten.

Doch darum ginge es gerade: Wer Gleiches leistet, erhält auch die gleichen Chancen. Die Ausbildung zu Kämpferinnen an der Seite von Männern wirkte sich früher oder später auch auf gesellschaftlicher Ebene aus. Die selbstbewussten Israelinnen machen es vor.


Bemerkenswert ist, dass diese Artikel von zwei Frauen stammen, während männliche Journalisten bei diesem Thema seltsam still bleiben. Offenbar herrscht auch in den deutschspracigen Leitmedien noch immer ein archaisches Männlichkeitsideal, weshalb sich männliche Journalisten scheuen, Gleichberechtigung auch an der Front zu fordern.



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