"Skurrile Gender-Kampagne im Auswärtigen Amt: Alle Männer sollen Gewalttäter sein" – News vom 13. November 2021
1. Die Bildzeitung empört sich darüber, dass männerfeindliche Ressentiments inzwischen das Auswärtige Amt erreicht haben:
Das Gleichstellungsbüro des Auswärtigen Amtes will mit einer feministischen Kampagne für mehr Gleichberechtigung unter den eignen Mitarbeitern sorgen. Das Problem: In einem kürzlich veröffentlichten Beitrag werden alle Männer als potenzielle Gewalttäter dargestellt – und Männlichkeit per se als "krisenhafter Zustand" verteufelt.
Der Hintergrund: Das Gleichstellungsbüro will mit der Kampagne "Zeichen setzen" und jeden Monat über sexistische Missstände in der Gesellschaft aufklären. Für November sollte über das wichtige Thema "Gewalt gegen Frauen" informiert werden.
Dazu interviewte das Gleichstellungsbüro den Soziologen Prof. Dr. Rolf Pohl, der eine einfache Ursache für die Gewalt gegen Frauen gefunden hat: Männlichkeit.
Die Begründung: Männer seien "auf dem Feld der Sexualität" gegenüber Frauen einer "fremden Kontrolle" unterworfen. Der Wunsch von Männern "nach Autonomie und Erhabenheit" entspreche einer "trügerischen Illusion", weswegen "Männlichkeit ein fragiler und krisenanfälliger Zustand" sei, der "bei Konflikten, die immer auch als Krise der Männlichkeit erlebt werden, notfalls mit Gewalt repariert werden" müsse.
Im Klartext soll das bedeuten: Männer, die sich typisch männlich verhalten, laufen Gefahr, zum Gewalttäter zu mutieren.
Bizarr: In dem Interview behauptet der Soziologe, dass man Gewalt nicht nur als reale Gewalt – wie Vergewaltigungen oder Mord – verstehen sollte. Auch "reales oder digitales Mobbing", "anzügliche Bemerkungen" oder "obszöne Witze" werden in dem Interview als "Gewalt" eingestuft, die eine "beabsichtigte Auslöschung der Frau als Subjekt" und deren "Tötung" bedeuten würde.
Der Grund für solche Behauptungen liegt in modernen ("woken") Gesellschafts-Theorien, denen häufig ein spezielles Weltbild zugrunde liegt: Die Ausgrenzung von Frauen während der letzten Jahrhunderte (kein Zugang zu Bildung, kein Wahlrecht) ist demnach nicht überwunden, sondern lebt bis heute in gesellschaftlichen – kaum merkbaren – "Strukturen" oder einem kulturellen "System" fort.
2. Dazu passt eine aktuelle Meldung aus der Welt des Frauenfußballs:
Um ihre Chancen auf einen Stammplatz zu erhöhen, soll PSGs Aminata Diallo Schläger auf eine Mitspielerin angesetzt haben. Der Verein hat bereits reagiert. Nun ermittelt die Polizei.
Hier geht es weiter.
3. "Die Welt" hat den Psychoanalytiker Professor Matthias Franz dazu interviewt, dass manche Eltern bei einer Trennung den Nachwuchs gezielt von ihrem Partner entfremden. Franz fordert, dass dieser emotionale Missbrauch ein Straftatbestand werden müsse.
Matthias Franz: Familiäre Trennung ist für alle Betroffenen ein schwerer Verlust und ein Gesundheitsrisiko: für die Kinder, die Mütter und die Väter. Wir haben in der Düsseldorfer Alleinerziehenden-Studie schon vor 20 Jahren zeigen können, dass alleinerziehende Mütter ein zwei bis dreifach erhöhtes Depressionsrisiko haben. Auch Angsterkrankungen und stressbedingte psychosomatische Beschwerden sind deutlich erhöht.
Für alleinerziehende Väter gibt es weniger Studien. Ihnen geht es wirtschaftlich häufig nicht ganz so schlecht. Aber auch bei ihnen ist das Depressionsrisiko zwei bis dreifach erhöht gegenüber Vätern in Paarfamilien.
WELT: Welche Folgen hat das für die betroffenen Kinder?
Franz: Grundsätzlich muss man sich klarmachen, dass Kinder reine Affektwesen sind – vor allem, wenn sie noch im Vorschulalter sind. Die fünf Basisaffekte, über die sie sich ihren Eltern mitteilen, sind Angst, Ekel, Freude, Trauer und Wut. Je feinfühliger Eltern auf diese Bedürftigkeitssignale eingehen, umso besser fühlt sich das Kind verstanden und umso weniger Stress hat es.
Wenn Eltern depressiv sind, können sie sich selbst nicht mehr spüren und folglich auch die Affektsignale ihres Kindes nicht mehr so gut lesen. Das Kind eines depressiven Elternteils stürzt damit ins Bodenlose. Es funkt gewissermaßen ins Leere – und zieht sich irgendwann zurück oder zeigt seinen Stress nach außen. Kinder stecken sich an der anhaltenden Depression ihrer Eltern regelrecht an, wenn keine Hilfe von außen kommt.
WELT: Welche Rolle spielen dabei eigene Schuldgefühle und Loyalitätskonflikte des Kindes?
Franz: Hier ist ein ganz tragischer Mechanismus wirksam. Bis zum Alter von etwa sechs Jahren sind Fantasiewelt und reale Welt besonders bei kleinen Kindern noch ineinander verwoben. Sie denken, dass alles, was sie sich wünschen und vorstellen, auch in Erfüllung geht. Wir nennen das narzisstische Grandiosität.
Werden Kinder in diesem Alter mit einem depressiven Elternteil konfrontiert, nehmen sie eine Art therapeutische Funktion für die Eltern ein. Das Kind übernimmt die Elternrolle, um die Mutter emotional zu reanimieren, weil es ohne die Aufmerksamkeit der Mutter letztlich nicht überleben kann.
Damit aber ist jedes Kind auf Dauer überfordert, und dann sucht es die Schuld sehr schnell bei sich. Mit gravierenden Folgen: Psychische Auffälligkeiten und Verhaltensprobleme sind bei Trennungskindern zwei- bis viermal häufiger als bei Kindern aus Paarfamilien. Verlaufsstudien zeigen: Je jünger das Kind bei der Trennung ist und je konflikthafter die Trennung ist, desto größer ist das Risiko für die Kinder.
WELT: Wie kann eine Trennung so gestaltet werden, dass ein Kind einigermaßen unbeschadet aus dem Konflikt herausgeht?
Franz: Vor allem müssen sich Eltern wie Erwachsene benehmen und nicht wie Kinder. Sie müssen sich eingestehen: Wir lieben uns nicht mehr. Das ist ein schwerer Verlust und darüber bin ich traurig. Aber wir versuchen unseren Kindern zuliebe, uns als Eltern weiter wertzuschätzen und beide für sie dazu sein. Das gelingt nur etwa 20 Prozent der Eltern.
Am anderen Ende der Skala stehen die hochstrittigen Fälle, in denen Eltern sich in einer Eskalationsspirale gegenseitig und auch vor dem Kind herabsetzen. Dem anderen wird die Alleinschuld zugeschoben, um die eigenen Konfliktbeiträge nicht spüren zu müssen. Die Schuldzuweisung dient also der narzisstischen Stabilisierung.
In einer solchen Situation wird das Kind zur Munition. Etwa zehn Prozent der Trennungen laufen nach diesem narzisstischen Muster hochstrittig ab. Man zerstört damit das, was das Kind emotional zum Leben braucht: die Beziehung zu beiden Eltern. Wenn Menschen in einer solchen Hassspirale gefangen sind, brauchen sie dringend Hilfe.
WELT: Kann da das Familiengericht dazwischen grätschen?
Franz: Gerichte sind damit oft überfordert. Die meisten Familienrichterinnen und Familienrichter haben leider nur wenig entwicklungspsychologische Kenntnisse und sind dadurch nur eingeschränkt "urteilsfähig". Interessanterweise lebt das überholte traditionalistische Familienmodell in diesen juristischen Eskalationen wieder auf. In der Regel bekommen die Mütter dann das Kind zugesprochen, und nicht wenige Väter bleiben völlig verzweifelt zurück.
WELT: In manchen Fällen sind Eltern derart zerstritten, dass ein Elternteil versucht, den Kontakt des anderen zum Kind zu verhindern und es aktiv von ihm zu entfremden. Welche Auswirkungen haben solche Strategien auf die Kinderseele?
Franz: Die aktive, aggressive Entfremdung vom anderen Elternteil ohne objektive Notwendigkeit ist der Extremfall einer hochstrittigen Trennung. Wer so etwas tut und den anderen Elternteil verunglimpft, entwertet und dämonisiert, um das Kind enger an sich zu binden und nicht allein zu sein, betreibt emotionalen Missbrauch.
Für das Kind ist das eine toxische Situation. Es liebt ja beide Eltern. Aus meiner Sicht brauchen wir eine Diskussion darüber, auch emotionalen Missbrauch als einen Straftatbestand anzusehen.
WELT: Der Europäische Gerichtshof hat Eltern-Kind-Entfremdung als Kindesmissbrauch klassifiziert.
Franz: Richtig. Leider setzen deutsche Gerichte das noch nicht um. Man muss aber auch sagen: Eltern, die sich an ihrem Kind festhalten, machen das nicht, weil sie so böse sind, sondern weil sie sich in der Notsituation der Trennung nicht anders zu helfen wissen und sich selbst wie kleine, verwirrte Kinder benehmen. Unser Rechtssystem macht bei dieser Geisterbahnfahrt leider immer noch viel zu häufig mit, in dem es diese Vorgänge juristisch formalisiert anpackt.
WELT: Inwiefern?
Franz: Indem nicht aus Sicht des Kindes vorgegangen wird. Es wird zwar immer von Kindeswohl geredet, aber dass tatsächlich bindungswissenschaftliche Aspekte in eine Lösungsfindung einfließen, ist leider immer noch nicht hinreichend der Fall. Auch die , die herangezogen werden, sind nicht immer ausreichend qualifiziert. Wir brauchen deshalb dringend mehr entwicklungspsychologisches und bindungswissenschaftliches Wissen auch bei den Richterinnen und Richtern selbst. Hier gibt es eine schwerwiegende Ausbildungslücke.
WELT: Was ist zu tun?
Franz: Eltern, die wirklich etwas für ihr Kind tun möchten, die merken oder gesagt bekommen, dass die Wut auf den anderen Elternteil ihre Wahrnehmung verzerrt und den Blick auf die Bedürfnisse des Kindes versperrt, müssen den Mut haben, Hilfe anzunehmen.
Wir haben zum Beispiel das Programm "wir 2" entwickelt, das nachweislich hilft, die häufige Depression und Paarkonflikte zu reduzieren und die Bindung zum Kind zu stabilisieren. Dieses Elterntraining wird bundesweit mit Unterstützung der Walter-Blüchert-Stiftung angeboten. Familiengerichte haben durchaus die Möglichkeit, Beratung oder Therapie anzuordnen. Das passiert leider zu selten.
WELT: Ein Bündnis aus mehreren Verbänden will zum Thema Eltern-Kind-Entfremdung in den nächsten Tagen die Kampagne "Genug Tränen" starten, um eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu erreichen. Gibt es zu wenig Problembewusstsein für das Thema?
Franz: Insgesamt ist die Sensibilität für die Folgen elterlicher Trennung und die Not der betroffenen Kinder viel zu schwach ausgeprägt. Das Thema macht vielen Menschen reflexhaft Angst. Deswegen redet man es sich lieber schön, als sich in den kindlichen Schmerz einzufühlen.
Die Einsamkeit vieler Kinder ist unvorstellbar. Ich erlebe das dann Jahrzehnte später auf der Couch bei meinen Patienten. Kinder wollen beide Eltern lieben dürfen. Manche haben sogar im hohen Alter noch die Fantasie, ihre Eltern wieder zusammenführen zu wollen. Vor diesem Schmerz drückt sich der gesamte gesellschaftliche Diskurs.
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