Mittwoch, Oktober 20, 2021

Fall Julian Reichelt lässt MeToo in Deutschland aufflammen – News vom 20. Oktober 2021

1. Die Ablösung von Julian Reichelt als Chefredakteur der "Bild"-Zeitung führt gerade zu einem Aufflammen der MeToo-Debatte in Deutschland. Der Springer-Verlag hatte sich von Reichelt getrennt, nachdem bekannt geworden war, dass er Berufliches und Privates offenbar auch nach einem Compliance-Verfahren nicht getrennt hatte. Reichelt wird vorgeworfen, mit Mitarbeiterinnen geschlafen und sie danach gezielt befördert zu haben – anscheinend in mindestens einem Fall letztlich zu deren Schaden:

Reichelt habe die Praktikantin mehrfach in Hotels zum Sex getroffen. In einem Fall habe er sie in Nachrichten dazu gedrängt. Sie sagte zu, da sie ihn nicht habe verärgern wollen und sich beruflich von ihm abhängig fühlte. Die Praktikantin gab auch zu Protokoll, dass sie Reichelt zunächst für vertrauenswürdig hielt und sich in ihn verknallt hatte. Reichelt beförderte sie auf einen Posten, dem sie noch gar nicht gewachsen war. Sie war mit ihrer Position und ihrer Situation bei "Bild" überfordert, wurde krank und musste zur psychiatrischen Behandlung eine Klinik.


Auch auf Twitter trendet MeToo, wobei vage Beschuldigungen und erwiesene sexuelle Übergriffe immer wieder zusammengerührt werden. Ebenfalls auf Twitter beklagt die Springer-Mitarbeiterin Judith Sevinc Basad eine Flut von frauenfeindlichen Angriffen aus dem linken Lager.

Ihre Kollegin Anna Schneider kommentiert:

Bei all den liebenswürdigen Nachrichten an uns Frauen bei Springer denke ich mir schon, dass es mich anwidert, wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, Frauen könnten außer willfährige Opfer eigentlich gar nichts sein. Das muss dieser sogenannte Feminismus sein.


In einem weiteren Tweet merkt Schneider an:

Es überrascht vielleicht einige Moralspießer hier, aber es soll auch Frauen geben,die durchaus selbst entscheiden und wissen, mit wem sie schlafen. Man stelle sich vor, manchen geht es dabei um Macht. Das ist das böse Ding, an dem zu Unrecht der Begriff toxische Männlichkeit klebt.


Skeptisch äußert sich auch die Journalistin Birgit Kelle, die nicht für Springer tätig ist:

"Machtmissbrauch" und "Sexismus" rufen die einen. Der Konzern selbst schreibt, den Vorwurf sexueller Belästigung oder Übergriffe habe es nie gegeben, sondern nur «einvernehmliche Liebesbeziehungen», Frauen haben profitiert, weil sie wegen sachfremden Talenten befördert wurden. Das ist allerdings kein Verbrechen, sondern ehrlicher Weise in nahezu jeder Firma an der Tagesordnung.

Wie will man das auch endgültig klären? Mit Beischlaf-Verordnungen für die Belegschaft? Sex nur noch in derselben Hierarchiestufe?

Selbst Friede Springer hat als Nanny bei den Kindern ihres späteren Axel angefangen. Heute leitet sie wenig zu ihrem Nachteil den Konzern. Damals galten noch nicht die Twitter-Compliance-Regeln.

Weder der Verlag noch Reichelt bekommen bis dato mitgeteilt, was von wem gegen ihn vorgebracht wird, dafür liegen die anonymen Aussage-Protokolle beim Spiegel und der New York Times.

Das hat zumindest einen Beigeschmack.

Freunde, Weggefährten und Kollegen Reichelts werden öffentlich gedrängt, ihn fallen zu lassen, um nicht selbst angegriffen zu werden.

Selbst Konzern-Chef Matthias Döpfner wird als Präsident des Zeitungsverlegerverband angezählt. Private Korrespondenz wird ausgeplaudert.

Die Nummer ist auch ein niederträchtiges Spiel: Ein unbequemer Journalist wurde entlassen. Er scheint nicht das einzige Ziel.


Alles in allem zeichnet sich bereits jetzt eine hochgradig kontroverse, statt konstruktive Debatte ab, die frauenfeindliche ebenso wie männerfeindliche Aspekte aufweist und die daher mit einem ähnlichen Fiasko wie in den USA zu enden droht. Männliche Opfer und weibliche Täter kommen in dieser Debatte ohnehin nicht vor.



2. Die britische BBC hingegen berichtet über eine Sexualstraftäterin:

Eine Frau, die ein zweijähriges Mädchen sexuell missbraucht hat, um an Geld von Online-Pädophilen zu kommen, wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Abigail Kikke, 27, aus Alloa, verbreitete anstößige Bilder ihres Opfers und anderer Kinder, wie der High Court in Edinburgh hörte.

Die Polizei war auf Kikke aufmerksam geworden, nachdem sie ein Bild über ein soziales Netzwerk verschickt hatte.

Sie wird auf unbestimmte Zeit in das Register für Sexualstraftäter aufgenommen.

(…) Kikke hatte zugegeben, das Mädchen zwischen dem 18. und 26. März letzten Jahres in einem Haus in Cumbernauld sexuell missbraucht zu haben.

Sie bekannte sich auch schuldig, anstößige Bilder von Kindern, darunter auch von ihrem Opfer, aufgenommen, besessen und verbreitet zu haben.

Die Polizei hatte sie mit 69 unanständigen Bildern erwischt, auf denen ihr Opfer in elf Fällen zu sehen ist.


"Toxisches" Verhalten scheint tatsächlich nicht an ein bestimmtes Geschlecht gekoppelt zu sein.



3. Die folgende Meldung wäre normalerweise unter der Schwelle der Nachrichten-Relevanz von Genderama gewesen. Ich habe mich trotzdem dafür entschieden, sie in den heutigen Blogbeitrag aufzunehmen, weil es sich um ein Beispiel von lobenswerter Zivilcourage über die Geschlechtergrenzen hinweg handelt:

Liberty Guy war mit ihrem Mann in Wallasey zum Essen, als sie Zeuge eines "kontrollierenden" und "nötigenden" Verhaltens einer Frau wurde, die ihren Partner beschimpfte, der wie ein "völlig gebrochener Mann" aussah.

Die 34-Jährige sagte, dass sie während des gesamten Essens hörte, wie die Frau ihren Mann beschimpfte, und nach ihren eigenen Erfahrungen konnte sie nicht anders, als etwas zu sagen.

Nachdem Liberty den Mann gefragt hatte, ob es ihm gut gehe, sagte seine Partnerin zu ihr, sie solle sich "verpissen" und beschimpfte sie, "woraufhin ich sagte: Nun, das beweist mir, was für ein Mensch Sie sind, wenn Sie sich einer völlig Fremden gegenüber so verhalten."

"Während des gesamten Essens beschimpfte diese Frau ihren Mann und sagte die grausamsten und gemeinsten Dinge, die ich je von jemandem gegenüber seinem Ehepartner gehört habe."

Liberty fügte hinzu: "Ich war sehr überrascht, dass sie sich in der Öffentlichkeit so verhielt, vor den Augen der Leute, wo man sie hören konnte. Wir haben uns alle im Restaurant sehr unwohl gefühlt, weil sie sehr, sehr laut war. Sie war sehr aggressiv gegenüber dem Personal und anderen Restaurantbesuchern. Einige Leute sagten mir sogar, dass sie sich in ihrer Nähe nicht sicher fühlten, weil sie sehr angriffslustig war.

Liberty, die mit hilfsbedürftigen Menschen arbeitet, sagte, sie habe sich gezwungen gefühlt, etwas zu sagen, weil sie selbst in ihrem Leben schon einmal misshandelt worden sei.

Sie berichtet: "Ich ging zum Tisch, sprach mit ihrem Mann und sagte: 'Sie wissen doch, dass es nicht akzeptabel ist, wenn jemand so mit Ihnen spricht. Was sie tut, ist illegal und kann strafrechtlich verfolgt werden, weil es Misshandlung darstellt".

Die Frau aus Wallasey fügte hinzu: "Ich kann nicht mit gutem Gewissen zulassen, dass jemand anderes das durchmacht, was ich durchgemacht habe, ohne einzugreifen. Als diese Frau anfing, sich so zu verhalten, wie sie sich verhielt, fühlte ich mich - man nennt es jetzt 'getriggert', aber was es ist, ist, dass die eigene posstraumatische Belastung zum Vorschein kommt. Mein Herz begann sehr, sehr schnell zu schlagen. Ich bekam richtig, richtig schlimmes Herzklopfen, weil es mich an den Missbrauch erinnerte, den ich durchgemacht hatte."

Eine Therapie half Liberty, die Wunden des Missbrauchs zu heilen, und sie hofft, im nächsten September einen Masterstudiengang in klinischer Psychologie beginnen zu können, um Überlebenden von Missbrauch helfen zu können.

Sie sagte, dass sie sich nach dem Vorfall "hilflos" fühlte, obwohl sie das Verhalten der Frau in Frage gestellt hatte.

Liberty sagte: "Ich hatte das Gefühl, dass ich, obwohl ich ihr Verhalten in Frage gestellt hatte, jemanden in einer sehr verletzlichen Lage zurückgelassen hatte, und ich konnte nichts anderes tun. Wenn ich die Polizei gerufen hätte, ist das Problem, dass die Polizei nichts tun kann, es sei denn, der Mann will sagen: 'Ja, ich werde misshandelt'. Ich fühlte mich also sehr hilflos, denn außer dem, was ich zu ihm sagte und ihn über seine Rechte aufklärte und darüber, was akzeptables und nicht akzeptables Verhalten ist, konnte ich nichts tun. Ich fühlte mich schuldig, ihn bei dieser Frau zu lassen, um ehrlich zu sein."

Liberty sagte, sie wolle auf den Vorfall aufmerksam machen, weil sie möchte, dass die Menschen mehr über männliche Opfer von häuslicher Gewalt wissen. (...) "Man muss die Anzeichen dafür erkennen können. Wenn sich jemand dir gegenüber herabsetzend oder erniedrigend verhält, wenn er Dinge sagt, für die du dich schämst. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Kritik und Missbrauch, aber wenn jemand Sie ständig herabsetzt und schreckliche Dinge zu Ihnen sagt und Sie das Gefühl haben, dass Ihr Selbstwertgefühl sinkt oder Sie in seiner Gegenwart sehr depressiv werden, dann sollten Sie Hilfe suchen. Das Problem bei emotionalem Missbrauch ist, dass er so schwer zu beweisen ist, weil Worte so leicht aus unserem Mund kommen und es so leicht ist, Dinge zu anderen zu sagen. Es ist sehr leicht, die kleinen Anzeichen zu übersehen."




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