"Von wegen Rolle rückwärts": DIE ZEIT korrigert feministischen Irrtum zu Corona-Lockdown
Die Überschrift "DIE ZEIT korrigert feministischen Irrtum" mag so widersinnig klingen wie "Mann beißt Hund". Aber es ist wahr: Nachdem Genderama vergangenen Samstag anmerkte, dass wir keineswegs eine ausreichende Datenlage für die von Jutta Allmendinger und Co. medienwirksam geäußerte Behauptung besitzen, die Pandemie habe die Geschlechterrollen 30 Jahre zurückgeworfen, sondern vieles auf das Gegenteil hinweist, räumt ein ZEIT-Artikel dasselbe ein:
Von wegen Rolle rückwärts. Werden Frauen in der Corona-Krise zurück an den Herd katapultiert? ZEIT ONLINE vorliegende Daten zeigen, dass sich Paare die Familienarbeit gleichberechtigter aufteilen.
Nach dem Märchen über zunehmende häusliche Gewalt ("Gewalt gegen Frauen") während des Lockdowns zerplatzt damit auch der zweite große feministische Mythos, der in den zurückliegenden Corona-Wochen von geschlechterpolitischen Aktivisten, Journalisten und Politikern (die Übergänge sind heute ja mehr als fließend) rauf und runter gebetet wurde.
Wie der Artikel von Tina Groll und Andreas Loos berichtet, werteten Forscherinnen des Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) Daten der SOEP-CoV-Studie aus, die auf der Grundlage von über 10.000 repräsentativ Befragten die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen in Zeiten der Pandemie aufschlüsselten. Dabei ermittelten sie:
Männer und Frauen scheinen sich die zusätzliche Betreuungs- und Hausarbeit, die in der Corona-Krise dazugekommen ist, (…) weitgehend partnerschaftlich aufzuteilen.
Betrachtet wurden die üblichen Tätigkeiten, die außerhalb der beruflichen Beschäftigung anfallen, also etwa Kindererziehung und -betreuung, die Pflege von Angehörigen, die traditionelle Hausarbeit vom Einkaufen über das Essenkochen, sowie Reparaturtätigkeiten. Dabei zeigte sich: Während der Pandemie "haben die Männer ihr Engagement sogar erheblich gesteigert".
Die aktuelle Daten legen nahe, dass die "entsetzliche Retraditionalisierung", die die Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) Jutta Allmendinger angesichts der Pandemie befürchtet, vielleicht doch ausbleibt.
"Befürchtet"? Das ist sehr freundlich formuliert. Hat Allmendinger nur von einer Furcht gesprochen oder hat sie diese vermeintliche Entwicklung als Tatsache dargestellt? Hören wir uns ihre Worte noch mal im Original an.
~Aber gut, dass Anne Will bei solchen Predigten immer so kritisch nachfragt.~
Der ZEIT-Artikel zeigt, dass die Wirklichkeit komplett konträr zu Allmendingers Behauptungen verläuft:
Insgesamt betrachtet, haben sich Männer und Frauen das Mehr an Kochen, Putzen, Einkaufen und Wäsche waschen ganz gleichberechtigt in der Corona-Krise aufgeteilt – für beide Geschlechter fallen jeweils 30 zusätzliche Minuten Hausarbeit an. Bei der Kinderbetreuung engagieren sich zwar immer noch die Mütter mehr, aber auch hier übernehmen die Väter mehr. Prozentual gesehen haben die Männer ihren Anteil an der unbezahlten Familienarbeit demnach um ganze 120 Prozent gesteigert und die Frauen nur um 45 Prozent.
So stellte die SOEP-Sonderauswertung dann auch fest, dass 39 Prozent der Befragten die Qualität des Familenlebens weiterhin als gut empfinden und 23 Prozent mit dem Familienleben in der Pandemie sogar zufriedener sind als zuvor.
Natürlich aber bleibt DIE ZEIT ein feministisches Blatt und beklagt unverdrossen das Martyrium der Frauen:
Wer fast zehn Stunden für die Familie aufbringt und nebenher noch einen Teilzeit- oder gar Vollzeitjob verrichtet, dem bleibt gerade einmal genug Zeit zum Schlafen, Zeit für sich selbst so gut wie nicht.
Nee, ist klar. Nachmittagssoaps wie "Rote Rosen" und "Sturm der Liebe" werden bekanntlich für Bauarbeiter produziert, die nachmittags um zwei gerne mal die Füße hochlegen. An der Behauptung "Frauen schultern die Hauptlast" hält DIE ZEIT stur fest. Dabei ist auch das natürlich ein Mythos, und wir wissen das seit mehr als zehn Jahren. Ich zitiere der Einfachheit halber mal aus meinem "Lexikon der feministischen Irrtümer":
Im April 2007 (…) veröffentlichten drei Wirtschaftswissenschaftler (Michael Burda von der Berliner Humboldt-Universität, Daniel Hamermesh von der Universität Texas und Philippe Weil von der Freien Universität Brüssel) eine Studie, die den Mythos von weiblicher Benachteiligung Lügen straft: Die Forscher hatten Daten aus Befragungen in 25 Ländern analysiert, in denen es darum ging, wie Menschen ihre Zeit verbringen. Dabei waren die Teilnehmer darum gebeten worden, in Tagebüchern festzuhalten, womit sie an den verschiedenen Tagesabschnitten beschäftigt waren. Ergebnis: In den reicheren Ländern, zu denen auch Deutschland zählt, arbeiten Männer im Schnitt 7,9 Stunden pro Tag und Frauen im Schnitt ebenfalls 7,9 Stunden pro Tag. Des weiteren fanden die Forscher heraus, dass selbst Wissenschaftler, insbesondere Soziologen, weit überwiegend dem Irrtum anhingen, Frauen würden mehr arbeiten als Männer. Dass die Belastung in Wahrheit gleich verteilt war, hatte man zwar auch in früheren Untersuchungen schon festgestellt, aber diese Erkenntnis wurde von weit verbreiteten Behauptungen, Frauen seien deutlich mehr als Männer in Anspruch genommen, förmlich zugeschüttet.
Kann man noch genauer herausfinden, wie es speziell in Deutschland aussieht? Man kann. "Frauen beklagen sich gerne über den angeblich faulen Mann, der nicht im Haushalt hilft, und über ihre enorme Belastung durch die Hausarbeit", beginnt der Verband Eltern in Deutschland e.V. eine dringend notwendige Klarstellung:
"Der siebte Familienbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend weist dieses deutschlandweite Wehklagen in das Reich der Märchen und Mythen. Tatsächlich verbrauchen Männer mehr Zeit für Kinderbetreuung, Hausarbeit und Erwerbstätigkeit. Mit 452 Minuten pro Tag arbeiten sie pro Tag 15 Minuten mehr für ihre Familie als Frauen. Im Monat kommen dabei ca. vier Stunden Mehraufwand auf die Männer zu. (...) Insgesamt investieren Männer und Frauen in Deutschland ca. 7 Stunden pro Tag in ihre Familie. Von der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen wurde der 24-Stunden-Arbeitstag der Mutter mit Kind kreiert. Auch dies wird durch die seriösen Zahlen als Märchen entlarvt. Denn die angegebenen Zahlen wurden bei Familien erhoben, in denen mindestens ein Kind unter 6 Jahren lebte. Warum Frauen die Situation ihrer tatsächlichen Arbeitsbelastung nicht realistisch einschätzen können, bedarf dringender Klärung. Man könnte vermuten, dass die Polemik der Frauengruppen, die Hausarbeit seit Jahrzehnten verteufelt und als Sklaverei für Frauen bezeichnet, hier tiefe Spuren hinterlassen haben könnte."
Die international renommierte Soziologin Dr. Catherine Hakim gelangte zu vergleichbaren Ergebnissen und befindet:
"Diese Daten stürzen die wohlbekannte Theorie um, dass Frauen überproportional lange Arbeitszeiten in der Arbeit und zu Hause damit verbringen, Familie und Arbeit auszujonglieren. Feministinnen beklagen sich ständig darüber, dass Männer ihren gerechten Anteil an der Hausarbeit nicht leisten. Die Realität ist, dass die meisten Männer bereits mehr tun als ihren gerechten Anteil."
(…) Tatsächlich trifft Männer in mancherlei Hinsicht die Doppelbelastung schwerer. So zeigte eine australische Studie, dass bei Männern Wünsche nach flexiblen Arbeitszeiten doppelt so häufig abgelehnt werden wie bei Frauen. In Deutschland sieht es kaum anders aus. Auch hier zeigt eine Familienstudie aus dem Jahr 2016, dass Väter über die fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch frustrierter sind als Mütter: 18 Prozent der Väter haderten mit diesem Problem, bei Müttern waren es sechs Prozent.
(…) Dass Männer ebenso wie Frauen leiden, wenn sie versuchen, allen Ansprüchen gerecht zu werden, zeigte auch eine Studie, die ein Forscherteam um Kristen Shockley von der University of Georgia im Journal of Applied Psychology veröffentlichten. Hierfür werteten die Forscher mehr als 350 Einzelstudien aus den USA, Europa und Asien mit insgesamt etwa 250.000 Teilnehmern aus. Ihre Erkenntnis: "Im Wesentlichen haben wir kaum belastbare Beweise dafür gefunden, dass Frauen und Männer in unterschiedlichem Ausmaß durch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie belastet werden." Die Süddeutsche Zeitung berichtet weiter:
"Die Ergebnisse stehen in starken Kontrast zur öffentlichen Wahrnehmung der Problematik. Das Thema werde in den Medien fast ausschließlich als Frauenthema diskutiert, so Shockley. Dadurch drehe sich die Diskussion im Kreis: 'Frauen hören von anderen Frauen, dass sie mit dem Problem kämpfen und alleine dadurch entsteht die Erwartung, dass sie größere Schwierigkeiten haben werden als Männer, Beruf und Familie zu vereinbaren', sagt die Psychologin. Männer thematisierten ihre Probleme hingegen zu wenig - offenbar, dafür sprechen einige Studien, weil sie fürchten, dadurch Nachteile im Beruf zu erfahren. 'Ich glaube, dieses Schweigen schadet Männern', sagt Shockley, 'sie müssen sich auch durchbeißen und erleben den gleichen Arbeits-Familien-Stress wie Frauen, aber niemand erkennt das an.'"
<< Home