Polizeigewalt, weiße Frauen und Rassismus – News vom 7. Juni 2020
1. Das jüdische Online-Nachrichtenmagazin “Tablet“ erörtert in einem aktuellen Artikel, was die derzeit Aufbegehrenden in den USA brauchen, um den Kampf unter anderem gegen tödliche Polizeigewalt zu gewinnen. Ein Auszug:
Der Anteil der von der Polizei getöteten schwarzen Männer ist fast genau doppelt so hoch wie der Anteil der Schwarzen in der Bevölkerung. Dennoch besteht die zahlenmäßig größte Gruppe von Amerikanern, die von der Polizei getötet werden, aus weißen Männern mittleren Alters (siehe Franklin E. Zimrings When Police Kill). Sie wären zweifellos schwer zu organisieren, aber der Versuch würde sich auf jeden Fall lohnen.
Eine Männerrechtsbewegung, die gegen tödliche Polizeigewalt eintritt, ob Seite an Seite oder unabhängig von Black Lives Matter, wäre ein interessanter Gedanke.
Allerdings sollten Männerrechtler das dann nicht tun, indem sie in dicht gedrängten Menschenmengen protestieren. Viele Leitmedien mögen ignorieren, wie riskant das ist, der Corona-Virus nicht. Der Umstand, dass die maskulistische Bewegung in erster Linie online und nicht auf der Straße stattfindet, stellt während der Pandemie einen echten Vorzug dar.
2. Die liberale, männerfreundliche Feministin Cathy Young hat einen lesenswerten Beitrag über "Feminismus, Rassismus und die Jungfrau in Not" veröffentlicht.
Inmitten einer intensiven Gewissensprüfung über Rasse und Rassismus in Amerika ist das Problem der weißen Frau im progressiven Lager erneut auf den Prüfstand gekommen - insbesondere nach dem viralen Video, in dem eine weiße New Yorkerin nach einem Streit mit einem Schwarzen im Central Park die Polizei anrief und ihn fälschlicherweise beschuldigte, sie zu bedrohen, während sie seine ethnische Herkunft betonte. [Genderama berichtete und verlinkte das Video. - A.H.] Bevor sich die Aufmerksamkeit des Landes auf Proteste und Gewalt auf der Straße verlagerte, war die Geißel der "Karens" das große Thema: der allgemeine Spitzname für die abstoßend privilegierte weiße Frau aus der Mittelklasse.
Der Diskurs über weiße Frauen als Täterinnen von Unterdrückung kann hässlich, vereinfachend und durchdrungen vom "Social-Justice"-Jargon sowie groben Verallgemeinerungen sein. Und doch finde ich als Abweichlerin von den gegenwärtigen feministischen Orthodoxien, dass er eine positive Seite hat: Er zwingt uns, die Klischees von weiblicher Opferbereitschaft und Unschuld zu überdenken und anzuerkennen, dass Frauen über Macht verfügen und über die Fähigkeit, Schaden anzurichten.
Die "Karen" in diesem Fall, Amy Cooper, wurde von Christian Cooper gebeten, ihren Hund in einem Parkbereich anzuleinen, in dem das Leine-Tragen durch an prominenter Stelle ausgehängte Vorschriften vorgeschrieben ist. Als sie sich weigerte, versuchte Christian Cooper, ein eifriger Vogelbeobachter, der auf solche Gelegenheiten vorbereitet ist, den Hund mit einem Leckerli zu locken, um sie zu veranlassen, ihn an die Leine zu nehmen. Stattdessen wurde sie konfrontativ. Als Christian Cooper begann, sie mit seinem Telefon zu filmen, sagte sie ihm, sie würde die Polizei anrufen und sagen, dass sie von "einem afroamerikanischen Mann" bedroht würde. Dann fuhr sie fort, den Anruf zu tätigen und mit Tränen und Schrecken in ihrer Stimme um Hilfe zu bitten.
Einige wenige boten eine Verteidigung an und wiesen darauf hin, dass Christian Coopers selbst zugegebene Bemerkung - "wenn du tust, was du willst, tue ich, was ich will, aber es wird dir nicht gefallen" - bedrohlich klingen musste, besonders für eine Frau in einer abgelegenen Gegend. Vor allem aber wurde der Gedanke, dass Amy Cooper sich legitimerweise bedroht fühlte, scharf zurückgewiesen. "Sie macht sich an Christian heran und macht direkte Drohungen, nach denen sie handelt", twitterte die feministische Expertin Amanda Marcotte. (Bemerkenswert ist auch, dass Christian Cooper Amy Cooper in dem Video wiederholt auffordert, sich ihm nicht zu nähern, was die Ansicht untermauert, dass sie die Aggressorin war.)
Amy Coopers Aktionen wurden als die jüngste Episode in einer langen, beunruhigenden Geschichte weißer amerikanischer Frauen beschrieben, die als "Jungfrau in Not" zur Waffe griffen, um staatlich sanktionierte (oder staatlich gebilligte, wie im Fall des Lynchens) Gewalt gegen schwarze und braune Männer anzuwenden. Aber die Juraprofessorin der Universität von Colorado, Aya Gruber, eine feministische Rechtstheoretikerin und Autorin des neuen Buches "The Feminist War on Crime" vertritt eine kompliziertere und ketzerische Sichtweise. Gruber argumentiert, dass weißen Frauen aus der Mittel- und Oberschicht beigebracht wurde, die Polizei als Instrument zur "Durchsetzung ihrer Macht über Männer" im Allgemeinen - insbesondere, aber nicht nur, schwarze Männer - zu benutzen, und dass der Feminismus diese Tendenz in seinem gut gemeinten Bestreben, Frauen vor männlicher Gewalt zu schützen, noch verstärkt hat.
Andere Feministinnen wie die Schriftstellerin Phoebe Maltz Bovy haben Gruber dahingehend kritisiert, dass sie die realen Bedrohungen, die Frauen durch häusliche und sexuelle Gewalt erfahren, zu sehr beiseite wische. Und doch ist es sehr wahr, dass sich die derzeit dominante Form des Feminismus mit seinem Fokus auf Frauen als Opfer des allgegenwärtigen männlichen Missbrauchs leicht mit der paternalistischen Jungfrau-in-der-Not-Ideologie überschneidet. Nennen Sie es Jungfrauismus mit einem progressiven Gesicht.
Diese Art von Feminismus hatte oft eine fragwürdige Beziehung zur ethnischen Zugehörigkeit - bis zurück zu Susan Brownmillers bahnbrechendem Anti-Vergewaltigungstext "Against Our Will" aus dem Jahr 1975, der suggerierte, dass das 14-jährige Lynchopfer Emmett Till nicht ganz unschuldig sei, weil er einer weißen Frau hinterher gepfiffen hatte und dies eine Form des sexuellen Terrorismus darstelle. Kürzlich wurde ein Video aus dem Jahr 2014, in dem eine Frau in den Straßen von New York ständig übergriffig angeflirtet wurde, kritisiert, weil es hauptsächlich schwarze und lateinamerikanische Täter zeigte. In der Zwischenzeit haben Kritiker von Verstößen gegen ordnungsgemäße Verfahren bei der aggressiven Verfolgung von Beschwerden wegen sexueller Übergriffe auf dem Campus argumentiert, dass Männer aus Minderheiten besonders gefährdet seien. Die Professorin der Harvard Law School, Jeannie Suk Gersen, warnte 2015 in einem Artikel im New Yorker, dass "wir unser Erbe der Voreingenommenheit gegenüber schwarzen Männern bei Vergewaltigungsvorwürfen beherzigen sollten" und dass das Credo, den Anklägerinnen immer zu glauben, diese Voreingenommenheit wahrscheinlich noch verstärken würde.
Heute teilen Antirassismus und opferzentrierter Feminismus ein seltsames, angespanntes Zusammenleben in progressiven Gemeinschaften. Wenn der Opferfeminismus manchmal rassistische Tropen reproduziert, kommt die antirassistische Rhetorik über weiße Frauen manchmal frauenfeindlichen Stereotypen unangenehm nahe (…).
In der Theorie sprechen Progressive davon, sich auf die "Intersektionalität" verschiedener Identitäten zu konzentrieren. In der Praxis wird eine bestimmte Episode, in der sich ethnische Gruppe und Geschlecht überschneiden, fast immer nur in Begriffen der einen unter Ausschluss der anderen gerahmt.
Cathy Young schildert hier ausführlich zwei Beispiele, die ich überspringe, weil diese Übersetzung ohnehin schon ausufert. Danach kehrt sie zurück zu Amy Cooper, der Frau, die ihren Hund nicht hatte anleinen wollen, um stattdessen so zu tun, als würde sie von einem afroamerikanischen Mann ernsthaft bedroht.
Amy Coopers öffentliche Beschämung und Bestrafung (durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes) zeigt, dass im heutigen Amerika die Dynamik des ethnisch bedingten Vorteils umgedreht werden kann. Aber die meiste Zeit hat in solchen Situationen die weiße Frau zweifellos immer noch die Oberhand: Wie die New Yorker Pflichtverteidigerin Eliza Orlins ausgeführt hat, enden Vorfälle wie die im Central Park typischerweise mit der Verhaftung des fälschlich beschuldigten schwarzen Mannes, mit schwerwiegenden Folgen für sein Leben und seinen Lebensunterhalt, auch wenn der Fall später zu seinen Gunsten gelöst wird.
Letztlich können wir Amy Coopers Gedanken nicht lesen und nicht mit Sicherheit wissen, ob sie wirklich verzweifelt war oder es vorgetäuscht hat, um Druckmittel zu gewinnen. Aber einige der Frauen in diesen Vorfällen sind möglicherweise wirklich - wenn auch unangemessen - verängstigt. Ein Teil des Problems, schreibt die Journalistin Caroline McCarthy auf Twitter, sind kulturelle Erzählungen, die Frauen ermutigen, zu glauben, dass "jeder Mann eine Bedrohung ist".
Diese Erzählungen können traditionalistisch und paternalistisch sein; aber heute entstammen sie auch der feministischen Rhetorik, in der jeder Mann ein potenzieller Vergewaltiger ist und Männer als Gruppe wie eine Schüssel M & M's sind, in der jeder zehnte vergiftet wird. Wie McCarthy bemerkt: "Kombiniert mit rassistischer Voreingenommenheit und der Furcht vor allem 'Anderen' wird das nie gut ausgehen". (Es ist bezeichnend, dass die Metapher der "vergifteten Süßigkeiten" später von der extremen Rechten angeeignet wurde, um Angst vor dunkelhäutigen Migranten zu schüren).
Und doch ist es ein Irrtum anzunehmen, dass die Bewaffnung mit der weiblichen Opferschaft immer rassistisch besetzt ist und nur schwarze oder andere Männer aus Minderheiten trifft. Im Augenblick ist es in einer höflichen Gesellschaft fast ein Tabu, davon zu sprechen, dass Männer durch unrechtmäßige Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe oder häuslicher Gewalt in einem nicht-rassistischen Kontext geschädigt werden. Es steht außer Frage, dass dieses Thema in der Vergangenheit - und auch heute noch in antifeministischen Blogs und Foren - benutzt wurde und wird, um frauenfeindliche Tropen und Opferfeindlichkeit zu fördern. Aber es stelltt nichtsdestotrotz ein echtes Problem dar. (…)
Es sollte auch daran erinnert werden, dass die ehemalige Staatsanwältin Linda Fairstein zwar von der feministischen Helden zur "weißen feministischen" Bösewichtin degradiert wurde, weil ihre Rolle bei der ungerechtfertigten Verurteilung von fünf schwarzen Teenagern bei der Vergewaltigung einer weißen Joggerin im Central Park 1989 wieder in den Vordergrund gerückt wurde, dass ihre Karriere aber auch die Verurteilung weißer Angeklagter - des Columbia University-Absolventen Oliver Jovanovic und des Arztes Patrick Griffin - in zwei anderen hochkarätigen Sexualverbrechensfällen umfasste, die schließlich mit einer Entlastung der Beschuldigten endeten.
Was Amy Cooper betrifft, so wissen wir nicht, ob ihr Handeln ein kalkulierter Trick war, um einem Mann zu schaden, der ihr in die Quere kam, oder eine wilde Überreaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung, die einem unschuldigen Mann hätte schaden können. Aber eines sollte klar sein: Das Video aus dem Central Park ist ein klarer Beweis dafür, dass die Ansprüche von Frauen ebenso wenig für bare Münze genommen werden sollten wie die von Männern, und dass, wenn man über "toxische Männlichkeit" spricht, auch die toxische "Jungfrau in Not" ein Thema sein sollte.
3. Im liberalen Magazin Sp!ked behandelt Ellan Whelan dasselbe Thema. Ein Auszug:
Viele scheinen nicht bereit zu sein, zuzugeben, dass Frauen in der Lage sind, Lügen zu erzählen. Jüngste politische Bewegungen, insbesondere die #MeToo-Bewegung, fördern Slogans und Hashtags wie #BelieveWomen oder #IBelieveHer. Sie spielen mit einem Bild von Frauen als Engel. In Wirklichkeit sind wir Frauen zu allen möglichen Dingen - guten und schlechten - fähig, genau wie Männer.
(…) Es gibt eine lange und hässliche Geschichte von weißen Frauen, die darüber lügen, was schwarze Männer ihnen in Amerika angetan haben. Am berüchtigsten ist, dass vor 65 Jahren der 14-jährige Emmet Till geschlagen, ermordet und im Tallahatchie-Fluss in Mississippi entsorgt wurde, weil Carolyn Bryant ihrem Ehemann erzählte, Till habe mit ihr in einem Lebensmittelgeschäft geflirtet. Niemand fragte, ob Bryant gelogen hatte, niemand stellte in Frage, ob ein kleiner Junge es verdient hatte, zu sterben, weil er eine weiße Frau zweimal angesehen hatte, und niemand wurde jemals für den Mord an Till verurteilt. 1949 wurden vier junge schwarze Teenager - seitdem als die Groveland Four bekannt - fälschlicherweise beschuldigt, eine weiße Frau angegriffen und vergewaltigt zu haben. Zwei wurden ermordet, zwei ins Gefängnis geworfen; alle wurden 2019 posthum begnadigt. 1989 wurden die Central Park Five (fünf schwarze und hispanische Männer im Teenageralter) aufgrund erzwungener und falscher Geständnisse fälschlicherweise für die Vergewaltigung und den Angriff auf eine Joggerin verurteilt. Der Fall wurde kürzlich in eine Netflix-Serie mit dem Titel "When They See Us" umgearbeitet. Damals gab Donald Trump 85.000 Dollar für Werbung aus, die für die fünf Jungen die Todesstrafe forderte.
(...) Es gibt auch Beispiele aus jüngerer Zeit. Viele Linksliberale lieben und verteidigen "Titel IX" - die Gesetzgebung, die Ansprüche wegen sexueller Belästigung auf dem Universitätsgelände regelt -, obwohl schwarze männliche Studenten von ihren weißen weiblichen Kollegen bei zu vielen Gelegenheiten fälschlicherweise beschuldigt wurden. So wurden beispielsweise AJ Johnson und Michael Williams 2018 nach vier Jahren der Hölle freigesprochen. Sie waren fälschlicherweise der Vergewaltigung durch eine weiße Frau beschuldigt worden, der es anscheinend peinlich war, dass sie Gruppensex praktiziert hatte. Justin Browning und Alphonso Baity wurden von der University of Findlay verwiesen und hinterließen ihre sportliche Karriere in Fetzen, nur einen Tag, nachdem gegen sie ein unbestätigter Vergewaltigungsvorwurf erhoben worden war. Kwadwo Bonsu war ein Student an der Universität von Massachusetts, der der sexuellen Belästigung und Körperverletzung beschuldigt wurde, nachdem eine weiße Frau entschieden hatte, dass der einvernehmliche Blowjob, den sie ihm verpasst hatte, sie "verletzt" habe. Titel IX soll angeblich Schutz für Studentinnen bieten, aber (…) die Politik, Frauen ohne die Notwendigkeit von Beweisen oder Kontext zu glauben, bedeutet, dass Ungerechtigkeiten im Überfluss vorhanden sind - und dass Minderheiten unter den Angeklagten überrepräsentiert sind.
(...) Der polizeiliche Rassismus in den USA ist ein ernstes Problem, das angegangen werden muss - aber wir müssen auch akzeptieren, dass es eine Geschichte gibt, in der Frauen wissentlich Vorurteile zur Waffe erhoben haben. Wir sollten uns mit allen solidarisch zeigen, die heute gegen Rassismus kämpfen, und uns für die Zerstörung ungerechter Systeme einsetzen - und dazu gehört auch Titel IX.
4. Die britische Erste Nationale Konferenz zu Männeranliegen mit dem diesjährigen Schwerpunktthema "Häusliche Gewalt ist auch ein Problem von Männern" findet heute online statt. Das Programm findet man hier, die Aufnahmen der Vorträge, sobald sie gehalten wurden, auf Youtube.
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