Junge Frau erkennt entsetzt, wie es Männern beim Online-Dating geht
Ich liebe es ja, wenn Frauen, die allen Ernstes glauben, in unserer Gesellschaft hätte man es als Mann viel leichter, die Probe aufs Exempel machen und von den gewonnenen Erkenntnissen prompt sehr ernüchtert sind. Unvergessen ist hier die amerikanische Journalistin Norah Vincent, die für ein Buch ein Jahr als Mann verkleidet unterwegs war. Am aufschlussreichsten darin sind ihre Berichte von der Datingszene. Dort musste sie feststellen, dass sie vor jeder Frau, mit der sie überhaupt nur näher in Kontakt treten wollte, zuerst einmal schaulaufen musste. Auch wenn die angeflirteten Damen selbst nicht viel zu bieten hatten, erhoben sie sehr weitreichende Ansprüche, deren Erfüllungen sich oft gegenseitig ausgeschlossen hätten. Am beliebtesten war die Mischung: ein richtiger Kerl, ein Fels in der Brandung, der eine Frau auch schon mal leidenschaftlich aufs Bett schleudern sollte, aber bitte gleichzeitig empfindsam, sensibel, mit Sinn für Poesie und ohne Scheu, seine Gefühle zu zeigen. "Wenn Frauen vom Madonna-Hure-Komplex gefangen sind“, erkannte Vincent, "dann sind es Männer genauso von einem Krieger-Minnesänger-Komplex."
Besonders erschwert wurde dieses Schaulaufen dadurch, dass die von Vincent angesprochenen Frauen ihr zunächst mit unverhohlenem Misstrauen begegneten und jedes Verhalten erst einmal gegen sie auslegten. Wo Männer, denen sie als Mann begegnete, "ihm" erst mal unterstellten, dass er in Ordnung sei, solange er nicht das Gegenteil zeigte, unterstellten die Frauen erst einmal das Schlechteste: "Sie neigten dazu, in jedem Mann, den sie trafen, einen Wolf zu sehen, also machten sie aus jedem Mann, den sie trafen, einen Wolf – selbst wenn es sich bei diesem Mann um eine Frau handelte." Vincent räumt ein, dass sie als Frau auf dieselbe Sichtweise konditioniert worden war: "Ich habe die Textsammlungen des radikalen Feminismus gelesen, und indem ich ihrer Führung folgte, glaubte ich, dass sämtliche Männer vom Patriarchat beschmutzt seien." Jetzt, mit veränderter Perspektive, fiel ihr aber auf, wie zerstörerisch diese Sichtweise war. Die Feindseligkeit, mit der ihr all diese Frauen immer wieder begegneten, begann, in ihr selbst feindselige Gefühle gegen jene Frauen auszulösen.
Aktuell berichtet die britische Tageszeitung Daily Mail von einer Frau, die Norah Vincents Experiment in einer Kleinstversion wiederholte: beim Online-Dating.
Eine 18-jährige Frau erstellte ein falsches Profil, um undercover auf Tinder zu gehen und zu sehen, wie es für Männer bei Dating-Apps wirklich ist - und sie war schockiert, als sie herausfand, dass es nicht so einfach war, wie sie es sich vorgestellt hatte.
YouTuber Alexander Grace schloss sich für das soziale Experiment mit seiner Freundin Sada zusammen und stellte ihr Fotos von sich zur Verfügung, die sie für ihr gefälschtes Tinder-Profil verwenden konnte.
Sada gab zu, dass sie dachte, es sei "kinderleicht", mit den Fotos von Alex Matches zu erzielen, und dass sie davon ausging, dass sie in kürzester Zeit Verabredungen arrangieren würde - aber sie war entmutigt, weniger Matches zu bekommen, als sie dachte, und noch frustrierter, mit Funkstille konfrontiert zu werden, wenn sie ein Gespräch begann.
Alex gab ihr drei seiner eigenen Fotos und überließ es ihr, die biographischen Informationen zu erstellen, auszuwählen, wen sie swipete, und Nachrichten zu versenden.
Sada sagte, ihr erster Eindruck sei, dass es leicht sein würde, Matches zu bekommen, weil Alex attraktiv ist, aber Alex sagte ihr schnell, dass sie mehr Schwierigkeiten haben würde, als sie erwartet hatte.
"Ich glaube nicht, dass ihr klar ist, wie schwierig das sein wird", sagte er.
Sada machte sich schnell an die Arbeit, um das Profil zu erstellen und erklärte den YouTube-Zuschauern, dass sie "sehr direkt und geschmeidig in der Herangehensweise" sein wolle.
Sie schrieb ihre Biographie so, dass sie folgendermaßen lautete: "Hallo, mein Name ist Alex. Ich lebe und arbeite als Psychologe in Lissabon. Ich suche nach einer netten Lady, mit der ich eine sinnvolle Beziehung entwickeln und die Freuden des Lebens genießen kann".
Sie nannte das Intro "einfach" und "gut" und machte sich ans Swipen.
Doch Sada geriet schnell in Schwierigkeiten und war überrascht, dass sie an ihrem ersten Tag nur mit fünf Frauen gematcht wurde. Schlimmer noch, sie fand es schwierig, mit ihnen zu plaudern, und beklagte sich, dass die Unterhaltung mit einer der Frauen "schmerzhaft" war, weil sie nur Ein-Wort-Antworten gab.
Also kurz: Der Alltag von Männern, die durch Online-Plattformen versuchen, einen Kontakt herzustellen. Frauen wissen oft wenig davon. Woher auch? Diese Wirklichkeit komt in den "Männerwelten"-Videos von Joko & Klaas schließlich nicht vor, weil sie keine hingerissenen Beifallsstürme in den Medien auslösen würde.
"Das wird viel schwieriger sein, als ich gedacht habe", gab sie zu. Ich dachte, es würde ganz einfach sein. Ich werde diesen Frauen eine SMS schreiben, und sie werden mit mir ausgehen wollen, und ich werde viele Übereinstimmungen finden, aber das ist nicht passiert."
Am zweiten Tag lief es besser, denn Sada holte 28 Matches ab. Aber das Problem, sagte sie, sei, dass sie keinerlei Unterschied dabei machte, wen sie auswählte.
"Ich swipe einfach wie irre und sehe, was ich kriegen kann", sagte sie, bemerkte aber, dass sie in Zukunft selektiver vorgehen und versuchen würde, "mehr wie ein Mann zu denken".
Am dritten Tag nahm sie 13 Matches auf, aber nur ein einziges Match an den Tagen vier und fünf.
"Ich bin nicht motiviert, ich bin mit den Ergebnissen nicht zufrieden", sagte sie.
Fein. Jetzt stell dir vor, du wärest wirklich ein Mann auf Partnersuche, und so sähen nicht nur fünf Tage, sondern dein Leben aus. Mit etlichen Frauen lässt sich nicht einmal ein Gespräch beginnen, während dir die Medien kontinuierlich erzählen, wie scheiße du bist. Vor diesem Hinbtergrund ist erstaunlich, wie WENIGE Männer Aggressionen entwickeln. Einige wenige radikalisieren sich als Incels. Ist die Reaktion darauf eine Analyse der gesellschaftlichen Umstände, die diese Männer so verbittert werden ließen? Natürlich nicht. Es ist eine günstige Gelegenheit, sich selbst über diese "Loser und Frauenfeinde" zu erheben.
Abgesehen davon, dass sie nicht so viele Matches bekam, wie sie sich vorstellte, ärgerte sie sich darüber, dass Frauen nicht auf ihre Nachrichten antworteten oder nach ein oder zwei Antworten aufhörten zu antworten.
"Wie kann ich diese Frauen dazu bringen, mit mir zu einem Date zu gehen, wenn sie mir nicht einmal antworten? Wenn wir zusammenpassen, warum reden wir dann nicht miteinander?', fragte sie.
"Wenn ich die Erfahrung, die eine Frau mit einer Dating-App macht, mit der eines Mannes mit einer Dating-App vergleiche, ist das ein großer Unterschied. Und es ist seltsam, dass ich mich so sehr abgemüht habe. Und wenn ich mein Bild in das einer Frau verwandelt habe, habe ich mich überhaupt nicht anstrengen müssen."
"'Das ist nicht sehr gesund', sagte sie. "Jetzt geht es mir schlecht, und es ist nicht einmal mein verdammtes Bild."
Immerhin hast du die Gelegenheit genutzt, dir über deine Privilegien klar zu werden. Etliche andere Frauen haben das nicht geschafft.
Am Ende des Experiments sprachen sie und Alex darüber, wie es gelaufen ist.
"Ich glaube, es war ein Misserfolg", sagte sie und fügte hinzu, dass sie Erwartungen hatte, was passieren würde, und dass das genaue Gegenteil passiert war.
Obwohl sie schon früh einige Erfolge mit Matches hatte, war es ein "Alptraum", die Frauen zu einer Antwort zu bewegen.
Sie beschwerte sich, dass sie sich abmühte und "das Gespräch führen musste".
Doch dann zeigte Alex einige Screenshots ihrer Chats, aus denen hervorging, dass sie jede Interaktion mit "Hallo" und "Wie geht es Dir" begann.
"Vielleicht war ich unwissend", sagt sie und erklärt, dass sie neu überlegt hat, wie es für Jungs bei Dating-Apps ist. "Mir tun die Jungs einfach nur leid. Ich glaube nicht, dass das für irgendjemanden gut ist, wirklich."
Sie fügte hinzu, dass sie dachte, es wäre besonders einfach für sie, weil sie selbst eine Frau ist.
Ich sagte: "Ich weiß, was sie hören wollen, ich weiß, was sie wollen. Ich war so zuversichtlich", sagte sie, fügte aber hinzu, dass sie jetzt "so verwirrt" sei.
Verwirrt? Das hätte eigentlich ein Moment der Klarheit für sie sein sollen. Also wieso "verwirrt"? Weil die Botschaften, die kontnuierlich aus den Medien auf sie einprügelten – von den Männern als ach so privilegiertem Geschlecht und von den sozial und kommunikativ weit höherstehenden Frauen – den Erfahrungen, die sie "als Mann" machte, komplett widersprachen. Das kann bei einer Frau schon Verwirrung erzeugen. Ja, liebe Sada, die haben dich alle angelogen. Und lügen unverdrossen weiter. Wahr ist, wie du es so treffend formulierst, "das genaue Gegenteil".
Männer, die das Video auf Youtube und Reddit kommentieren, sind weniger verwirrt.
'Ja, Dating-Apps sind wahrscheinlich die deprimierendste Erfahrung, die ein durchschnittlicher Mann machen kann', schrieb einer.
"Sie wies immer wieder darauf hin, dass er eigentlich attraktiv und gebildet ist... Stell dir vor, was 'durchschnittliche' Typen erleben", schrieb ein anderer.
Ja, stell dir das mal vor.
Der Artikel schließt mit der These, dass Frauen vor allem deshalb so kurz angebunden sind, weil sie mit Anfragen überschwemmt werden. Das allerdings ist die Folge davon, dass ein Gesprächskontakt so extrem schwer herzustellen ist. Sada war ja selbst bald so frustriert, dass sie die Frauen unter Massenbeschuss nahm. Und trotzdem entwickelte sich auch daraus kein einziger längerer Kontakt.
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