Wie beeinflusst Corona die Geschlechterdebatte? – News vom 18. März 2020
Nachdem mein Techniker und ich uns dahintergeklemmt haben, war die Reparatur meines PCs und alles, was damit verbunden war, zügig erledigt, und Genderama kann heute nach nur zwei Werktagen Ausfall weitermachen. In diesen Tagen hat das Thema "Corona" die Medien stark beherrscht und Meldungen zu anderen Themen ein wenig verdrängt. Ob sich das in den foilgenden Wochen fortsetzen wird, kann ich nicht vorhersehen. Ich werde jeden Tag weiter wie gewohnt nach Meldungen recherchieren, die ich für relevant für die Männerbewegung halte, aber wenn es keine solchen Meldungen gibt, weil Corvid-19 in den Zeitungen viel Platz einnimmt, kann es auch mal Tage ohne einen aktuellen Blogbeitrag geben.
Heute jedenfalls ist der aktuelle Blogbeitrag so umfangreich wie gewohnt, da sich in den letzten Tagen einige Meldungen gesammelt haben:
1. Bei Bento führt die aktuelle Gesundheitskrise dazu, dass man sich vom billigen Männerbashing zu distanzieren beginnt: Warum Sterbewitze wegen Corona über "alte, weiße Männer" fahrlässig sind erklärt Marc Röhlig in einem Text, in dem es heißt:
Wie kann es sein, dass sich die gleichen Leute, die sich auf der einen Seite für das Schicksal Geflüchteter einsetzen, gegen Rassismus engagieren und in der Obdachlosenhilfe einbringen – auf der anderen Seite aber gegenüber Älteren und Kranken die gleiche Empathielosigkeit an den Tag legen, mit der sonst nur Rechtspopulisten auf sich aufmerksam machen?
Etwas später heißt es im selben Beitrag:
Und man wiegt sich mit zynischem Humor in falsche Sicherheit. Bis es am Ende den einen "alten, weißen Mann" erwischt, der einem dann doch am Herzen lag. Den eigenen Vater zum Beispiel.
Ihr seid auf dem richtigen Weg, liebe "Bento"-Macher. Jetzt müsst ihr noch Empathie für Männer aufbringen, die nicht zu den Älteren" und "Kränkeren" gehören und zu denen ihr keine persönliche Beziehung aufweist, und ihr habt es begriffen.
2. Andernorts bewegt sich der Feminismus in den gewohnten Bahnen. Abgesehen von weiteren "Frauen-von-Corona-besonders-betroffen"-Artikeln über eine Infektion, der überwiegend Männer zum Opfer fallen, findet man im feministischen Spektrum auch bei diesem Thema die altbekannten Schwerpunkte.
So empört sich Jana Hensel ("Die Zeit", Journalistin des Jahres 2019) darüber, dass bei der Bekämpfung der aktuellen Krise vor allem Männer glänzen:
Diese Corona-Krise wird täglich mehr zu einer männlichen Helden-Show. (…) Erst Kurz, dann Spahn, jetzt Söder. Ist nicht einfach zu tun, was zu tun ist? Und ob es etwas hilft, die Leute sich dran halten, das wissen wir doch sowieso erst in wenigen Wochen.
Teresa Bücker (ebenfalls "Journalistin des Jahres 2019") merkt an:
"Ärzte in Elternzeit sollen reaktiviert werden" – hier wäre eine präzise Formulierung hilfreich. Gemeint sind doch sicher Ärzt*innen jeglichen Geschlechts?
Seyda Kurt gefällt die positive Aufmerksamkeit für den Virologen Christian Drosten nicht:
Verstehe den Hype um Drosten nicht so ganz, um ehrlich zu sein. Wird nicht wieder mal ein Weißer cis Mann angehimmelt, nur weil er seinen Job ordentlich macht?
Darauf erhält sie immerhin die passende Antwort.
Julia Schramm befindet:
Corona ist eine Krise der Zivilisation, des Kapitalismus und des Patriarchats.
Natürlich. Kapitalismus und Patriarchat sind an allem schuld, warum nicht an Corona? Vielleicht wird die Große Verklosterung, also der momentane Rückzug in die Selbstisolation, uns von diesen Übeln befreien.
Der SPD-Parteivorstand schließlich tweetet:
An alle Frauen, die trotz Microbe #COVID2019 Microbe in Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten, Kinder betreuen oder hinter der Kasse stehen: DANKE! In vielen systemrelevanten Berufen arbeiten hauptsächlich Frauen, verdienen aber 21% weniger als Männer. Das muss sich ändern.
Keinen Dank erhalten von der SPD all die Männer, die derzeit das System am Laufen halten: Kuriere, Klempner, Elektriker, Feuerwehrmänner und so weiter und so fort. Gottseidank gibt es auf den SPD-Tweet reihenweise ablehnende Reaktionen.
Gibts eigentlich auch F e m i n i s t i n n e n, die das #Coronavirus nicht als Vorwurfsschleuder gegen Männer benützen?
fragt nach solchen Tweets die Journalistin Tamara Wernli, und Christian Schmidt hat bezeichnende feministische Tweets im Zusammenhang mit Corona zusammengestellt.
3. In Hamburg wurden etwa 300 Obdachlose unter Quarantäne gestellt.
4. Corona wird zu einem starken Anstieg des Scheidungszahlen führen sagt eine britische Anwältin für Familenrecht voraus. Die allgemeine Verklosterung berge das Potential für zunehmende Konflikte zwischen Ehepartnern.
Themenwechsel.
5. In der "Zeit" ist Michael Ebmeyer einer ganz heißen Sache auf der Spur und hat einen der Wegbereiter der Neuen Rechten ausgemacht: den Liedermacher Reinhard Mey. So habe Mey durch seinen Song "Was in der Zeitung steht" den Rufmord durch gewissenlose Journalisten thematisiert und damit die rechte Propaganda von der "Lügenpresse" vorbereitet. Über Feministinnen habe sich Mey ironisch geäußert:
Womit wir beim unappetitlichsten und kürzesten Kapitel von Reinhard Meys Bashing-Historie sind. "Annabelle". Mit dem Hohnlied über eine Feministin, 1972 veröffentlicht und vorgetragen mit der Maske eines lebensfrohen Konsumenten, hinter der sich die blanke Angst vor dem Hinterfragen der eigenen Privilegien verbirgt, bediente Mey jedes Stammtischklischee über die "Emanzen", manövrierte sich ohne Not in die reaktionäre Ecke und wird dafür heute von der Jungen Freiheit gefeiert, die ich nicht verlinke.
Die obersten paar Leserkommentare zu diesem Artikel sind von auffällig identischem Inhalt:
Entfernt. Bitte formulieren Sie Kritik sachlich und differenziert. Danke, die Redaktion/tg
Denselben Kommentar hätte ich zu diesem Quatsch-Artikel vermutlich auch geschrieben.
6. Die geschlechterpolitische Initiative MANNdat hat am Beispiel von Hessen untersucht, wie fragwürdig Polizisten mit männlichen Opfer von Partnerschaftsgewalt umgehen. Kein Zitat, der Artikel ist in Gänze lesenswert.
7. Die Daily Mail setzt ihre launige Serie fort, in der sie Mitschnitte von Äußerungen Amber Heards veröffentlicht. In der aktuellen Folge bittet Heard Johnny Depp dafür um Verzeihung, dass sie ihm eine Tür ins Gesicht rammte, bevor sie ihm einen Kinnhaken verpasste: "Ich habe nur reagiert und es tut mir Leid. Es ist unter meiner Würde." (Amber Heard beharrt darauf, dass Johnny Depp gewalttätig gewesen sei und sie nur darauf reagiert habe.)
8. Der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer beschäftigt sich auf Spiegel-Online mit den Konflikten zwischen MeToo und dem Rechtsstaat und wirft dabei auch einen Blick auf die Kontroverse um Woody Allens Memoiren. Ein Auszug:
Die Kritiker von Beschuldigungen behaupten, Prinzipien des Rechtsstaats würden verletzt; die Beschuldiger meinen einerseits, man solle es mit dem Rechtsstaat nun auch nicht gleich übertreiben, andererseits, im richtigen Rechtsstaat (also dem, der genau dieselbe Meinung hat wie sie) sei, wie in Kafkas Strafkolonie, "die Schuld immer zweifellos", was durch die Existenz der Beschuldigung bewiesen sei. Dass das so nicht ohne Weiteres und ohne schwere Widersprüche geht, merkt selbst das schlichteste Gemüt nach kurzem Nachdenken.
(…) Wir wollen uns hier nicht lange damit aufhalten, was deutsche Rowohlt-Autoren oder Heidelberger Schriftstellerinnen dazu qualifizieren könnte, die Aussagen von Zeugen in Prozessen oder Ermittlungsverfahren zu bewerten, über die 6000 km entfernt im Fernsehen berichtet wird. Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Nichts. Die Künstler und Künstlerinnen haben von "Woody Allens Tochter" so viel Ahnung wie die Kuh vom Fliegen. Ihre Bekundung an die Welt, sie hätten "keinen Grund zu zweifeln", ist so wichtig wie der Facebook-Post des örtliches Bordellwirts, er glaube nicht an das Corona-Virus. Die Antwort des Verlags, man bedanke sich für den freundlichen Ratschlag, werde aber Herrn Allens Buch wie geplant veröffentlichen, ist pädagogisch ausgefeilt und milde.
(…) "So funktioniert der Rechtsstaat nicht", schrieb Frau Marinić in der "SZ". Diese Formulierung hat zwei Gesichter: "So macht man das nicht", sagt das eine, das eher auf eine formelle Üblichkeit abstellt. Das inhaltliche sagt: "So klappt das nicht mit dem Rechtsstaat". Damit nähern wir uns der dieswöchigen Schlussfolgerung. Nehmen wir mal beispielhaft an, ein Landtagsabgeordneter aus Thüringen würde auf die Frage, ob es richtig sei, Ausländern alle Rechte zu verweigern, antworten: "So funktioniert der Rechtsstaat nicht, rufen Kritiker. Das stimmt. Aber so funktioniert Liebe zu Deutschland." Da wären wir aber echt gespannt, welch offene Worte da die Autoren des Rowohlt-Verlags fänden!
Will sagen: Es gibt ein Maß an Peinlichkeit, das mit Dummheit und Selbstentlarvung rührt. Es gibt aber auch ein Maß an Ehrlichkeit, das der Hochachtung wert ist, selbst wenn es sich des Sprechers ohne dessen Willen bemächtigt. Was wir lernen können ist, dass "Me Too" keine Rechtsregel, keine Beweisregel, kein Schuldspruch und noch nicht einmal eine Anklage ist. Es ist einfach eine Meinung. Sie ist subjektiv, sie ist erlaubt, sie ist falsch oder richtig, sie ist politisches Programm, moralische Verdammung oder selbstgerechte Überhöhung.
9. Die kanadische National Post beschäftigt sich mit einer Studie der OECD, von der die wenigsten etwas mitbekommen haben dürften:
Der Internationale Frauentag ist zu einem Ereignis geworden, bei dem alle darin übereinstimmen, dass Männer sich aktiv verschwören, um Frauen das Leben schwer zu machen. Aber obwohl die Tatsachen über die Unterschiede bei den Verdiensten und den Führungspositionen nicht zu leugnen sind, erzählen sie nicht die ganze Geschichte.
In fortschrittlichen Kreisen ist es in letzter Zeit populär geworden, die Rolle zu hinterfragen, die das Bruttoinlandsprodukt und andere Wirtschaftskennzahlen für unser Leben spielen. Man sagt uns, dass eine übermäßige Konzentration auf rein finanzielle Maßnahmen die zugrunde liegende Wahrheit über den Lebensstandard verfehlt. Ein besseres Maß für das Leben, so sagt man uns, sollte sich auf das konzentrieren, was Menschen wirklich glücklich macht, und dabei Dinge wie Gesundheit, soziale Interaktion, Engagement in der Gemeinschaft und persönliches Wachstum abdecken.
Das Konzept wird so populär, dass die Regierung Trudeau Berichten zufolge das "persönliche Glück" in ihrem kommenden Haushalt betonen wird, indem sie den vom neuseeländischen Finanzminister eingeführten Wohlfahrtsansatz bei der Budgetierung übernimmt.
Zwar kann es sich keine Regierung leisten, wirtschaftliche oder fiskalische Angelegenheiten zu ignorieren, doch das öffentliche Wohlergehen ist ein interessantes Konzept, das an Fahrt zu gewinnen scheint. Aber wenn man akzeptiert, dass es mehr im Leben gibt als nur Dollar und Cent, sollte man bereit sein, dorthin zu gehen, wohin die Beweise einen führen - auch wenn sie einigen lieb gewonnenen Überzeugungen widersprechen.
Anfang dieser Woche veröffentlichte die OECD einen Bericht mit dem Titel "Wie ist das Leben im Jahr 2020: Messung des Wohlbefindens", der diesen Begriff in die Praxis umsetzen will, indem er zahlreiche umfassende Indikatoren für den Lebensstandard in den Mitgliedsländern zusammenstellt.
Wenn Sie mit einem Ansatz zur Messung des Wohlbefindens in Bezug auf den Lebensstandard einverstanden sind, sollten Sie sich darauf einstellen. Diese jüngsten Erkenntnisse zeigen, dass es kanadischen Frauen wesentlich besser geht als Männern.
In den 18 von der OECD betrachteten Kategorien schneiden Männer nur in vier Kategorien besser ab als Frauen - wobei es sich bei den meisten dieser Indikatoren um Bruttoinlandsprodukt-ähnliche Indikatoren der alten Schule handelt, die u.a. Verdienste und Beschäftigungsraten abdecken.
In sechs Kategorien gibt es keinen erkennbaren Unterschied zwischen den Geschlechtern, einschließlich der selbstberichteten Gesundheit, der allgemeinen Lebenszufriedenheit und der wissenschaftlichen Fähigkeiten der Studenten. Die wahre Geschichte liegt jedoch in den acht Kategorien, in denen kanadische Frauen deutlich besser abschneiden als Männer.
Von diesen ist die Lebenserwartung die bedeutendste. Der Lebensstandard spielt keine große Rolle, wenn man tot ist, und die vierjährige geschlechtsspezifische Kluft in der kanadischen Lebenserwartung - 84 für Frauen, 79,9 für Männer - sollte als die wichtigste von allen betrachtet werden. Seien Sie versichert, dass, wenn Frauen früher als Männer sterben würden, das geschlechtsspezifische Todesgefälle eine Kernkomponente jedes Internationalen Frauentages und ein ewiger Skandal wäre.
Frauen berichten auch eher von mehr Zeit, die sie mit sozialen Interaktionen verbringen, und haben das Gefühl, dass ihre Ansichten von der Regierung besser reflektiert werden. Dies erscheint bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie sehr der Internationale Frauentag die mangelnde Geschlechterparität unter gewählten Amtsträgern kritisiert. Vielleicht korreliert die Geschlechterrepräsentation dort nicht mit dem tatsächlichen Einfluss der Geschlechter.
In mehreren anderen Kategorien schneiden Frauen so viel besser ab als Männer, dass die Ergebnisse am extremen Rand der Tabelle liegen, einschließlich der Wahrscheinlichkeit, ermordet zu werden, Selbstmord zu begehen oder durch Alkohol- oder Drogenkonsum zu sterben. Das jüngste Abflachen der Lebenserwartung in Kanada ist fast ausschließlich auf den Anstieg der Opioid-Todesfälle unter jungen Männern zurückzuführen.
Der größte Unterschied zwischen Männern und Frauen, der von der OECD berichtet wird, betrifft schließlich die schädlichen Auswirkungen langer Arbeitszeiten. Auch die berufliche Belastung ist für Männer deutlich schlechter als für Frauen. Wir können davon ausgehen, dass dies vor allem darauf zurückzuführen ist, dass Frauen Teilzeitarbeit bevorzugen, die zwar weniger bezahlt wird, aber oft persönlich befriedigender ist, weil sie Raum für andere Beschäftigungen lässt.
Während die feministische Standardinterpretation diese Art ungleicher Arbeitsplatzdaten als Beweis für eine patriarchalische Verschwörung betrachtet, stellt die Annahme eines Wohlstandsansatzes für den Lebensstandard die Arbeit im Übermaß und den Aufstieg auf der Unternehmensleiter in ein ganz anderes Licht. Hier ist es eine Beeinträchtigung des Glücks.
Dies wirft ein ziemlich kompliziertes philosophisches Dilemma auf: Sollten Frauen weiterhin die volle Gleichberechtigung mit den Männern am Arbeitsplatz anstreben, in dem Wissen, dass eine solche Errungenschaft mit einer ziemlich dramatischen Verringerung ihres Wohlbefindens verbunden ist? Um es auf den Punkt zu bringen: Was ist wirklich wichtig im Leben?
Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass Männer im Vergleich zu Frauen zu hart arbeiten, eher jung und gewaltsam sterben, nicht so viel soziale Zeit bekommen und sich oft von der Regierung ausgeschlossen fühlen. Vielleicht sollten wir uns eines Tages etwas Zeit nehmen, um über diese eklatanten Ungerechtigkeiten nachzudenken.
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